Bilder aus Italien. Charles Dickens

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Bilder aus Italien - Charles Dickens

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Blüte. Die Straßen sind alt und sehr schmal, aber leidlich reinlich und beschattet von Markisen, die zwischen den Häusern aufgespannt sind. Grellfarbige Stoffe und Tücher, Kuriositäten, alte holzgeschnitzte Bilderrahmen, alte Stühle, gespenstisch aussehende Gemälde, heilige Jungfrauen, Engel und grell gemalte, plumpe Porträts standen darunter zum Verkauf, so daß die Stadt ganz eigentümlich und heiter aussah. Gehoben wurde dies noch durch zufällige Einblicke durch offenstehende rostige Tore, in schlummerstille Höfe mit stattlichen alten Häusern, still wie Gräber. Das Ganze war wie eine Beschreibung aus Tausendundeiner Nacht. Die drei einäugigen Derwische hätten an jede dieser Türen klopfen können, bis die Straße widerhallte, und der Türsteher, der durchaus nicht aufhören wollte zu fragen – der Mann, der die schönen Sachen am Morgen in seinem Korbe fand –, hätte öffnen können, ohne daß sich jemand darüber gewundert hätte.

      Nach dem Frühstück am nächsten Morgen gingen wir aus, um die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu betrachten. Ein so köstlicher Wind wehte vom Norden herüber, daß der Spaziergang ganz anmutig war, obgleich die Pflastersteine und die Mauern und die Häuser viel zu heiß waren, als daß man ruhig die Hand hätte daran legen können.

      Zuerst gingen wir eine felsige Höhe hinauf zum Dom, wo die Messe zelebriert wurde vor einem Publikum, das dem in Lyon sehr ähnlich war, nämlich verschiedenen alten Weibern, einem kleinen Kind und einem Hund von unzerstörbarem Gleichmut, der sich eine Übungsbahn ausgesucht hatte, die beim Altargitter anfing und bei der Tür endigte und die er während der ganzen Dauer des Gottesdienstes so methodisch ruhig auf und ab trabte, wie es nur ein alter Herr im Freien tun konnte. Der Dom ist eine kahle, alte Kirche, und die Gemälde an der Decke sind von der Zeit und dem feuchten Wetter traurig mitgenommen; aber die Sonne schien herrlich durch die roten Fenstervorhänge und funkelte auf dem Altargerät; und alles sah so hell und freundlich aus, wie es nur zu verlangen war.

      Ich ging beiseite, um einige Malereien anzusehen, die ein französischer Maler und sein Schüler in Fresco ausführen sollten, und musterte bei dieser Gelegenheit genauer, als ich sonst getan hätte, eine große Anzahl von Votivtafeln, mit denen die Wände der verschiedenen Kapellen überreichlich bedeckt waren – ich will nicht sagen, verziert, denn sie waren sehr roh und wunderlich ausgeführt, wahrscheinlich von armen Schildermalern, die sich auf diese Weise ein ärmliches Brot verdienen. Es waren lauter kleine Bilder, und jedes stellte eine Krankheit oder einen Unfall dar, aus dem die solches widmende Person durch die Vermittlung ihres Schutzheiligen oder der Madonna gerettet worden war, und ich kann sicher behaupten, daß sie gute Beispiele der ganzen Klasse waren. Sie sind in Italien sehr häufig.

      In ihren wunderlichen eckigen Umrissen und ihrer unmöglichen Perspektive waren sie den Holzschnitten in alten Büchern nicht unähnlich; aber es waren Ölgemälde, und der Künstler hatte, wie der Maler der Pfarrerfamilie von Wakefield, die Farben nicht geschont. Auf dem einen wollte sich eine Dame eine Zehe abnehmen lassen, eine Operation, zu deren Beaufsichtigung eine Heilige auf einer Wolke in die Stube geschwebt war. Auf einem andern lag eine Dame im Bett, sehr säuberlich in die Bettücher eingewickelt, und starrte mit großer Fassung einen dreibeinigen Tisch an, auf dem ein großes Becken stand: die gewöhnliche Form eines Waschtisches und außer dem Bett das einzige Stück Hausrat im Zimmer. Man hätte sich nie träumen lassen, daß sie an etwas leide, außer vielleicht an der Unannehmlichkeit, so wunderbar wach zu sein, wenn der Maler nicht auf den Gedanken gekommen wäre, die ganze Familie auf den Knien in einer Ecke zu versammeln, die Beine hinten auf den Fußboden hinausstreckend wie Stiefelleisten. Darüber erschien die Jungfrau auf einer Art blauem Sofa und versprach der Kranken Genesung. Auf einem andern Bild sah man eine Dame unmittelbar draußen vor der Stadtmauer in drohendster Gefahr, von einem großen Wagen überfahren zu werden. Aber auch hier war wieder die Madonna. Ob die übernatürliche Erscheinung das Pferd scheu gemacht hatte oder ob sie ihm unsichtbar war, weiß ich nicht; aber es galoppierte hinweg ohne die geringste Ehrfurcht oder Reue. Auf jedem Bild war » ex voto« mit gelben großen Buchstaben in den Himmel gemalt.

      Obgleich Votivgaben in heidnischen Tempeln nicht unbekannt waren und eine der vielen Kompromisse zwischen der falschen Religion und der wahren sind, wo die wahre sich noch in ihrer Kindheit befindet, möchte ich doch wünschen, daß alle andern Kompromisse eben so harmlos wären. Dankbarkeit und Frömmigkeit sind christliche Eigenschaften; und mit einem dankbaren, demütigen christlichen Geist läßt sich dieser Brauch durchaus vereinbaren.

      Dicht bei dem Dom steht der alte Palast der Päpste, von dem ein Teil jetzt ein Kerker, der andere eine lärmende Kaserne ist; während düstere Reihen von Staatszimmern, verschlossen und verlassen, wie ein Hohn auf den Glanz und die Pracht ihrer Vergangenheit dastehen, gleich einbalsamierten Königsleichen. Aber wir gingen dorthin, weder um Prunkzimmer noch um Kasernenräume oder Gefängnisse zu sehen, obgleich wir ein paar Geldstücke in die Gefangenenbüchse an der Tür steckten, während die Gefangenen hoch oben durch ihre eisernen Gitter blickten und uns mit unruhiger Aufmerksamkeit betrachteten. Wir gingen hin, um uns die Ruinen der schauerlichen Räume anzusehen, in welchen die Inquisition vor Zeiten ihre Sitzungen abhielt.

      Ein kleines, altes, braunes Weib mit funkelnden schwarzen Augen – ein Beweis, daß die Welt den Teufel in ihr noch nicht beschworen hatte, obgleich sie sechzig bis siebzig Jahre dazu Zeit gehabt hätte – trat mit einem großen Bund Schlüssel aus der Kasernenschenke, der sie vorstand, und schritt uns voraus. Wie sie uns unterwegs erzählte, daß sie eine Regierungsbeamtin sei ( concierge du palais apostolique) und seit ich weiß nicht wie vielen Jahren schon gewesen sei; und wie sie diese Gefängnisse Fürsten gezeigt habe; und wie sie die beste von allen Kerkerführern sei; und wie sie in diesem Palast von Kindheit an gewohnt habe – dort geboren sei, wenn ich nicht irre –, das brauche ich nicht zu erzählen. Aber eine solche wütende, kleine, rasche, feuersprühende, energische Teufelin habe ich nirgends gesehen. Sie war die ganze Zeit über in Feuer und Flammen. Ihr Gebärdenspiel war über alle Maßen heftig. Sie sprach niemals, ohne dazu stehen zu bleiben. Sie stampfte mit dem Fuße, faßte uns bei den Armen, nahm theatralische Stellungen ein, hämmerte gegen die Mauern mit ihren Schlüsseln, um ihren Worten noch Nachdruck zu verleihen. Jetzt flüsterte sie, als wäre die Inquisition noch da; jetzt schrie sie, als läge sie selbst auf der Folter, und dabei machte sie geheimnisvolle hexenartige Gesten mit ihrem Zeigefinger, wenn sie sich den Resten einer neuen Schrecklichkeit näherte – wobei sie zurücksah und auf den Zehen schlich und abscheuliche Grimassen schnitt –, die sie allein befähigt hätten, um eines Kranken Kopfkissen, mit Ausschluß aller andern Gestalten, durch die ganze Dauer eines Fiebers schweben zu lassen.

      Wir kamen über einen Hof, in dem unbeschäftigte Soldaten herumstanden, und gingen durch ein Seitentor, welches diese Hexe für uns öffnete und wieder hinter uns schloß. Dann traten wir in einen engen Hof, noch enger geworden durch herabgefallene Steine und Schutthaufen, von denen einige die Mündung eines verfallenen unterirdischen Ganges verstopften, der einst mit einem andern Schloß auf dem entgegengesetzten Ufer des Flusses in Verbindung stand oder gestanden haben soll. Dicht neben diesem Hof ist ein Kerker – wir standen drinnen in der nächsten Minute – in dem unheimlichen Turm des oubliettes, wo Rienzi gefangensaß, mit einer eisernen Kette an dieselbe Mauer gefesselt, die jetzt noch steht, aber beraubt des Himmelslichtes, welches jetzt hereinscheint. Ein paar Stufen brachten uns in die Verliese, wo die Gefangenen der Inquisition achtundvierzig Stunden lang nach ihrer Verhaftung ohne Speise und Trank eingesperrt blieben, damit ihre Standhaftigkeit erschüttert werde, selbst ehe sie noch vor ihre schrecklichen Richter traten. Dorthin ist der Tag noch nicht gelangt. Noch sind es enge Zellen, eingeschlossen von vier starren harten Mauern; immer noch herrscht dort die tiefste Nacht; immer noch schließen sie feste Türen und Riegel wie ehedem.

      Die Hexe ging mit dem Blick, den ich oben beschrieben habe, leise weiter in einen gewölbten Raum, jetzt als Vorratskammer benutzt, einst die Kapelle des heiligen Offiziums. Der Saal, wo das Gericht tagte, war einfach, die Bühne hätte gestern erst entfernt sein können. Man denke sich das Gleichnis des guten Samariters an der Wand eines dieser Inquisitionsräume! Und doch war das Bild dort, und noch jetzt kann man seine Spur entdecken.

      Hoch oben in der mißtrauischen Mauer sind

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