Bilder aus Italien. Charles Dickens

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Bilder aus Italien - Charles Dickens страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Bilder aus Italien - Charles Dickens

Скачать книгу

Wir waren in ihre Fußstapfen getreten.

      Ich blicke um mich mit dem Schrecken, den ein solcher Ort einflößt, als mich die Hexe am Arme faßt und nicht die knochigen Finger, sondern den Griff eines der Schlüssel an die Lippe legt. Mit einer Bewegung lädt sie mich ein, ihr zu folgen. Ich tue es. Sie führt mich in einen anstoßenden Raum mit einem trichterförmigen, oben immer enger werdenden Dach, das sich hoch oben dem hellen Himmel öffnet. Ich frage sie, wo wir sind. Sie schlägt die Arme übereinander, grinst abscheulich und starrt mich an. Ich frage wieder. Sie blickt um sich, um zu sehen, ob die ganze kleine Gesellschaft da ist; dann setzt sie sich auf einen Steinhaufen nieder, wirft die Arme in die Luft und ruft mit gellender Stimme wie ein Dämon: » La salle de la question!«

      Die Folterkammer! Und das Dach wurde in dieser Form gebaut, um das Geschrei der Opfer zu ersticken. O Hexe, Hexe! laß uns eine Weile darüber nachdenken und schweigen. Still, Hexe! Bleibe mit deinen kurzen Armen, deine Knie umfassend, dort auf dem Steinhaufen nur fünf Minuten lang sitzen, und dann sei wieder Feuer und Flamme!

      Minuten! Sekunden hat der Zeiger der Palastuhr noch nicht hinter sich, als die Hexe schon wieder mit funkelnden Augen in der Mitte des Gemachs steht und mit ihren sonnenverbrannten Armen ein Rad darstellt, das schwere Schläge austeilt. »So drehte es sich um und um!« rief die Hexe. »Dumpf hallend, eine endlose Reihe schwerer Hämmer, niederfallend auf des Gemarterten Glieder. Seht den steinernen Trog«, sagte die Hexe. »Für die Wasserfolter. Da schlinge, schwelle, berste zu des Erlösers Ehre! Ziehe den blutigen Leinenfetzen mit jedem deiner Atemzüge in deinen ungläubigen Körper, Ketzer! Und wenn der Henker ihn wieder herauszieht, rauchende Spuren tragend von den kleinen Geheimnissen von Gottes Ebenbild, dann erkenne in uns seine auserwählten Diener, die wahrhaft an die Bergpredigt Glaubenden, die erlesenen Schüler dessen, der nie anders Wunder tat, als um zu heilen, der nie über einen Menschen Lähmungen, Blindheit, Taubheit, Stummheit, Wahnsinn oder eine andere Krankheit verhängte, der seine gesegnete Hand nie anders ausstreckte, als um Genesung und Erlösung vom Leid zu spenden.«

      »Seht!« ruft die Hexe. »Dort war der Ofen. Dort machten sie die Eisen glühend heiß. Jene Löcher stützten den gespitzten Pfahl, an dem die Gemarterten hingen; mit ihrem ganzen Gewicht baumelten sie vom Dach herab. Aber«, flüsterte die Hexe, »hat Monsieur von diesem Turme gehört? Ja? Dann sehen Sie hinab!«

      Eine kalte Luft, schwer von einem erdigen Geruch, strömt mir entgegen; denn sie hat unterdes eine Falltür in der Mauer geöffnet. Ich sehe hinein. Hinab auf den Boden, hinauf zum Gipfel eines steilen, finsteren, hohen Turmes: sehr unheimlich, sehr finster, sehr kalt. »Der Henker der Inquisition«, erzählt die Hexe, und sah neben mir hinunter, »warf hier die hinein, die über alles fernere Foltern hinaus waren. Aber schaut! Sieht Monsieur die schwarzen Flecken an der Mauer?« Ein Blick über die Schulter nach dem funkelnden Auge der Hexe zeigt mir – und würde mir auch ohne diese Führer gezeigt haben –, wo sie sind. »Was ist das?« – »Blut!«.

      Im Oktober 1791, als die Revolution in dieser Stadt ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurden hier sechzig Personen, Männer und Frauen (»und Priester«, sagte die Hexe, »Priester«), ermordet, und die Toten und die Sterbenden wurden zusammen in diesen schrecklichen Abgrund gestürzt, wo man dann ungelöschten Kalk auf ihre Leichname warf. Diese gräßlichen Zeichen des Blutbades waren bald verschwunden; aber solange ein Stein dieses festen Gebäudes, in welchem die Tat geschah, auf dem andern bleibt, so lange werden sie in dem Gedächtnis der Menschen so deutlich bleiben, wie jetzt die Flecken von ihrem Blute an der Mauer zu sehen sind.

      War es ein Teil des großen Werkes der Vergeltung, daß die grausame Tat an diesem Ort geschehen mußte? Daß ein Teil der Grausamkeiten und der scheußlichen Institutionen, die seit Jahrhunderten beschäftigt gewesen sind, die Natur des Menschen zu vergewaltigen, in ihrem letzten Dienste sich jenen Männern als Verlockung darbieten mußten, ihre viehische Wut zu befriedigen! Daß sie diesen Wüterichen die Möglichkeit gaben, sich auf der Höhe ihres Wahnsinns nicht schlimmer zu zeigen als eine große feierliche und gesetzliche Einrichtung auf der Höhe ihrer Macht! Nicht schlimmer? Viel besser! Sie benutzten den Turm der Vergessenen im Namen der Freiheit – ihrer Freiheit; eines erdgeborenen Wesens, gesäugt in dem schwarzen Schmutz der Bastillengräben und Kerker und notwendigerweise behaftet mit manchen Spuren seiner ungesunden Auferziehung – aber die Inquisition benutzte sie im Namen des Himmels.

      Der alten Hexe Finger ist wieder gehoben, und sie schleicht wieder hinaus in die Kapelle des Heiligen Offiziums. Sie macht an einer gewissen Stelle halt. Ihr Haupteffekt kommt jetzt. Sie wartet auf die übrigen. Sie stürzt auf den wackeren Kurier los, der etwas erklärt, gibt ihm mit dem größten Schlüssel einen schallenden Schlag auf den Hut und heißt ihn schweigen. Sie versammelt uns alle um eine kleine Falltür im Fußboden wie um ein Grab. » Voilà!« Sie schießt nieder auf den Ring und reißt die Tür mit einem Krach auf, obgleich sie nicht leicht ist. » Voilà les oubliettes!« Schauerlich! Schwarz! Grauenhaft! Tödlich! » Les oubliettes de l'Inquisition!«

      Mein Blut erstarrte, als ich von der alten Hexe hinab in die Gewölbe sah, wo diese vergessenen Geschöpfe mit Erinnerungen an die Außenwelt, an Gattinnen, Freunde, Kinder, Brüder, zu Tode hungerten und die Mauern widerhallen machten von ihrem nutzlosen Stöhnen. Aber als ich die verfluchte Mauer unten zerfallen und durchbrochen und die Sonne durch ihre klaffenden Wunden scheinen sah, da durchzuckte mich ein Gefühl des Sieges und des Frohlockens. Als ich es sah, fühlte ich mich erhöht in dem stolzen Gefühl, in diesen entarteten Zeiten zu leben: als ob ich der Held einer großen Tat wäre! Das Licht in diesem schaurigen Gewölbe war ein Symbol des Lichtes, welches herabfällt auf alle Verfolgungen in Gottes Namen, obgleich es seinen Mittag noch nicht erreicht hat! Es kann einem Blinden, dem eben das Gesicht wiedergeschenkt ist, nicht lieblicher erscheinen, als einem Reisenden, der es ruhig und majestätisch sich in das Dunkel dieses Höllenbrunnens hinab ergießen sieht.

      Von Avignon nach Genua

       Inhaltsverzeichnis

      Nachdem die Alte uns die Oubliettes gezeigt hatte, fühlte sie, daß ihr großer Coup gelungen war. Sie ließ die Tür schmetternd zufallen, stellte sich davor hin, die Arme in die Seite gestemmt, und sah uns im Gefühl ihrer Wichtigkeit an. Als wir den Ort verließen, begleitete ich sie in ihre Wohnung unter dem äußeren Tor der Festung, um eine kleine Geschichte des Gebäudes zu kaufen. Ihre Schenke, ein dunkles niedriges Gemach, trüb erhellt von kleinen Fenstern, tief eingeschnitten in die dicke Mauer, wirkte in seinem Zwielicht und mit seinem Kamin wie eine Schmiedeesse; der kleine Schenktisch an der Tür, die Flaschen, Krüge und Gläser, der Hausrat und die Kleidungsstücke an den Wänden und eine ruhig aussehende Frau (sie mußte ein schönes Leben mit der Hexe führen), die an der Tür strickte – all dies glich ganz einem Gemälde von Ostade.

      Ich ging um die Außenseite des Gebäudes in einer Art Traum und doch mit dem angenehmen Gefühle, aus ihm erwacht zu sein, denn diese Versicherung hatte mir das Licht unten in den Gewölben gegeben. Die gewaltige Dicke und schwindelnde Höhe der Mauern, die ungeheure Stärke der massiven Türme, die große Ausdehnung des Gebäudes, seine riesenhaften Verhältnisse, sein düsteres Aussehen und seine barbarische Unregelmäßigkeit flößen Grauen und Staunen ein. Die Erinnerung an den verschiedenartigen Gebrauch, den man ehemals von ihm machte, als uneinnehmbare Festung, als üppiger Palast, als schrecklicher Kerker, als Ort der Marter, als Gerichtshof der Inquisition – zu ein und derselben Zeit ein Haus der Freude, des Kampfes, der Religion und des Blutes – gibt jedem seiner ungeschlachten Steine eine schreckliche Faszination und prägt seinen Unregelmäßigkeiten eine neue Bedeutung auf. Ich konnte jedoch damals und lange Zeit später an nichts anderes denken als an die Sonne in dem Kerker. Daß der Palast zu einem Aufenthaltsort für lärmende Soldaten geworden und gezwungen war, ihr rohes Gespräch und ihre gemeinen Flüche zurückzuhallen und ihre Kleider aus seinen schmutzigen Fenstern flattern zu sehen, das war schon ein gewisser Abstieg und zugleich

Скачать книгу