Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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gar so schöne Handschrift ist auf dem dicken, vielerfahrenen Papier. Harro, der eine große Freude an Handschriften hat und eine schöne Sammlung besitzt, gerät in Entzücken über das Blatt.

      »Das Rezept muß vorzüglich sein, man sieht es schon dem Rande an. Wenn es nicht großartiges Papier wäre, so hätte es den Ansturm nicht ausgehalten. Rosmarie, das bekommen sie nicht wieder. Wir schreiben es ihnen auf ein bißchen angerautes Papier mit allen Quentlein und Prieslein ab. In der Küche werden sie keinen Handschriftenkundigen haben.«

      »Als ob das aus der Küche käme! Herr Domänenrat hat es schon vor dreißig Jahren aus dem großen, alten Küchenbuch gerettet. Er hätte es auch niemand gegeben, – nur mir. Er schrieb sogar auf das Kuvert: Vorsicht!! – als ob es Glas wäre.«

      »Ist euer Herr Domänenrat nun handschriftenkundig oder hat er ein tendre für Rezepte? Er sieht das Blatt nicht wieder. Ich habe mich nun in die Handschrift verliebt. Sieh die klaren Linien! Und es kostet dich ja nur ein Wort. Ich will ein altes Rezept. Es sind doch keine Diamanten, wer sollte es dir denn streitig machen... das war keine Küchenfee, die das schrieb.«

      Harro studiert mit der Lupe eifrig die Linien, die ihm ein für Rosmarie ganz mysteriöses Interesse einflößen.

      »Herr Domänenrat, Sie werden dies Stück nicht wiedersehen!«

      »Schnöde bist du, Harro...«

      »Alle Sammler sind schnöde. Mein Kind, das weißt du eben nicht.«

      »Wie so vieles andere,« seufzt die junge Gräfin. »Du könntest dich wohl um die Abgründe meiner Torheit annehmen, Harro!«

      »Du bist mir ganz recht, wie du bist. Übrigens, wenn man einmal merkt, daß man an Abgründen steht, das ist schon der Anfang der Weisheit.«

      »Ein schmerzlicher.«

      Harro starrt immer noch auf das Blatt. »Himmel, welch ein Wille! Und sanft war sie auch noch. Eine Mischung, gegen die es keinen Widerstand gibt. Gut, daß sie nicht mehr lebt, Rosmarie, du würdest am Ende eifersüchtig.«

      »Bin ich doch schon.«

      »Ihr Frauen seid doch furchtbar. Nicht im Grab gönnt ihr einer andern etwas! Ich reite heute hinüber nach Brauneck und frage den Domänenrat, ob er noch mehr von der Sorte hat. Und dich mache ich verantwortlich für das Blatt, daß es nicht etwa in die Küche wandert, wo es Feuer und spritzende Dinge gibt. Und komme ich nicht zum Essen, so bin ich drüben und suche.«

      Rosmarie schickt ihre Lisa fort, um dem letztgeborenen Thorsteiner Kind das blaue Jahresjäckchen zu bringen, und setzt sich in ihren Schmollwinkel zu ihrer Weihnachtsarbeit für Harro. Die Lisa kommt schon sehr schnell zurück mit hochroten Wangen und: »Frau Gräfin, es ist eine ganz gewöhnliche Sorte, die Thorsteiner! Ich habe auch freilich gleich gemeint, Durchlaucht sollten es nicht tun ...«

      »Was sollte ich nicht tun?« »Der Küferslotte für ihr lediges Kind das Kleidchen schicken. Nun sind die Weiber so aufsässig, auch Frau Pfarrer hat's mir gesagt und vorgehalten und gemeint, wenn's die Herrschaft am Ende nicht wüßte, so käme es auf das Pfarrhaus hinaus. Und die Beckin hat unser schönes Kleidchen kaum angesehen und spitze Redensarten dazu gemacht.«

      »Aber Lisa, wie konnten sie! Ist die Küferslotte nicht sehr arm?«

      »Freilich sind sie arm. Der Mann sitzt ja, weil die Jäger in seinem Gemüsegarten ein Reh in einer Schlinge gefunden haben, und die Frau ist blind, und die Lotte! Die ist von der leichten Kavallerie.«

      Rosmarie wird glührot. »Was haben die Jäger in des Mannes Garten zu steigen? Und gewiß hat der Fürst nicht gewollt, daß sie den Mann anzeigen.«

      »Die Jäger haben nichts angezeigt. Aber der Landjäger hat davon gehört, und der hat's berichtet.«

      »Was muß der Landjäger für ein schrecklicher Mensch sein,« denkt Rosmarie. »Ja, und ohne den Landjäger wäre gar nichts aufgekommen?«

      »Die Jäger sollen ihm das Reh, das schon tot war, in die Schlinge gehängt haben und gelauert, ob er es holt. Weil sie schon lang Verdacht haben und der Küfer ein ganz Schlauer ist.«

      »Ich werde dem Fürsten schreiben,« zürnt Rosmarie. »Und nun ist die blinde Frau allein?«

      »Die Lotte näht für die Bergheimer Schürzenfabrik. Und sie läuft schon wieder herum, putzt sich und prachtiert mit dem blauen Kleidchen.«

      Rosmarie klagt: »Und gerade, weil sie arm ist und die Mutter blind und der Vater im Gefängnis, darf man ihr nichts geben!«

      »Nein, Durchlaucht, weil es ein lediges Kind ist.«

      »Lisa, was kann man denn tun? Das Kind kann man doch nicht verderben lassen!«

      »Ja, aber wenn man denen den Kopf hält, dann denken andere, sie können auch tun, was sie mögen. Und Kerle, die darauf warten, gibt es immer!«

      »Worauf warten?«

      Daß man ihnen den Willen tut,« antwortet die mysteriöse Lisa, die heute so ganz anders ist als sonst, von Dingen spricht, die sie nie über die Lippen gebracht. Der Thorsteiner Weibersturm muß sie sehr erregt haben.

      »Die Lotte ist auch eine ganz Leichte und Abgeschlagene! Legt die guten Leintücher auf die Treppe, daß die Stufen nicht knarren und die Mutter es nicht hört, wenn der Bursch in ihre Kammer kommt.«

      »Lisa, das kannst du doch unmöglich wissen!«

      »Aber meine Base, die daneben wohnt und acht hat, hat's gehört, wie sie es ausgemacht haben. Kein Mädchen setzt sich mehr neben sie in der Kirche.«

      »Das arme Kind! Man soll ihm keine Liebe tun, und es ist doch unschuldig. Ach, sie wußte wohl gar nicht, was sie tat, sonst hätte sie...«

      »Nicht wissen, Durchlaucht! So dumm gibt es doch niemand! Und vorher daran denken! Die denken an nichts, wenn sie nur ihren Burschen bei sich haben in der Kammer.«

      Die Lisa erschrickt gewaltig über die Worte, die ihr entschlüpft, wird dunkelrot und entflieht eiligst. Rosmarie wirft ihre Arbeit hinweg, ihre grauen Augen blitzen: »O, wie man mich verdummt hat! Und mich hat blind durch die Welt gehen lassen! Und Harro hat gespielt mit mir wie mit einer Puppe. Und die Tanten auch.« Welch ein Gedankengewoge in ihrem Kopfe... Sie wandert auf und ab und wendet sich hin und her und sucht ihre Augen vor gewissen blendenden Blitzen zu verbergen.

      Endlich ertönen draußen Hufschläge. Es ist Harro, der heimkommt. Eine sehr weise, von ihrer eigenen Weisheit ganz geblendete und entsetzte Rosmarie kommt ihm entgegen.

      »O Harro, wie siehst du aus! Wie ein Ritter!«

      »Gefalle ich dir?« Er lacht sie an von seinem hohen Braunen herunter. »Die Eisenhaube für unsern Braunecker habe ich der Einfachheit halber auf dem Kopf transportiert. Ich wollte sehen, wie so ein Eisenkübel beim Reiten tut. – Die Dünsberger hielten mich für die Feuerwehr!«

      Wie schön sein gebräuntes Gesicht unter der Sturmhaube hervorsieht, die blitzenden Augen, der lachende Mund mit den festen Zähnen.

      »Und was hast du da, wie ein Mantelsack sieht es aus.« »Es ist auch einer, Rose.« Harro springt vom Pferde, eine uralte schwarzbraune Valise ist hinten auf das Pferd aufgeschnallt.

      »Ich

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