Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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Schiller gewesen sein.«

      Und Harro löst selbst mit liebevollster Vorsicht die Ledervalise ab und trägt sie in sein Atelier. Dann faßt er seine Rose an den Händen! »Und du, was hast du getan?«

      »Mich besonnen.«

      »Wie unnötig.«

      »Laß mich hören, was du gefunden hast!«

      »Berge, sag ich dir, Berge! Der Herr Rat tut nur einen Griff und hat es. Das Rezept will er aber wieder und bekommt es vielleicht auch. Hier – angefüllt bis oben mit der gleichen Handschrift. Wir haben sie nun endlich. Die Ahnfrau! Haus Thorstein hat seine so bitter schmerzlich vermißte Ahnfrau. Jede Kritik, die du bisher an uns Thorsteinern, unserem dilettantischen Wind, unsern nicht genügend stimmungsvoll knisternden Wänden geübt hast, hat zu verstummen!

      Hier ist die Ahnfrau: die Gräfin Gisela von Brauneck, geborene Gräfin von Thorstein.

      Du darfst sie bedichten, die Ahnfrau, Rose, aber wenn du sie nicht schön machst, so glaube ich es dir nicht. Ein Bild von ihr existiert nicht. Um so besser, wir können sie uns dann so schön vorstellen, wie wir wollen. Denke, wenn sie zu dieser Handschrift klein und dick, mit einer Kartoffelnase gewesen wäre, ich hätte es nicht so bald verwunden. Oder ein schlechter Maler hätte unser Phantasiebild verdorben.«

      »So viel hat sie geschrieben?« fragt die Rose bänglich, als Harro anfängt auszupacken. »Schrieb sie denn Romane?«

      »Das werden wir sehen. Und nun wollen wir essen. Und nachher machen wir uns auf die Entdeckungsreise ins siebzehnte Jahrhundert.«

      Die Lampen brennen schon, als sie um den großen Tisch im Atelier sitzen und die alten dicken Papiere wenden.

      Noten, Noten, wieder Noten. Nur im bezifferten Baß geschrieben, erklärt Harro gelehrt. Stimmen für Oboen, für Flöten, Harfe, Geige, Orgel, – ein Chorwerk. »Rosmarie, wie merkwürdig! Daß denen damals so freudig zumute war, sechzehnhundertachtundsiebenzig! ›Jauchzet dem Herrn alle Welt, lobt ihn mit Saitenspiel und Harfen. Kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken!‹

      Sieh die Handschrift. Wie ein Schwan gleitet sie dahin. Ach, daß wir so dumm davor sitzen, so analphabetenhaft dumm! Was meinst du, wenn ich mir meinen Berliner Trost, den Musiker, einlüde? Wir wollten ihn im nächsten Sommer bitten. Er schrieb mir zwar, er zücke schon lange einen Besuch nach mir, habe aber zu seinem Entsetzen gelesen, daß ich eine Prinzessin geheiratet hätte – mit sechzehn Ahnen –, er taxiert dich zu niedrig, Rosmarie, – und nun traute er sich nicht mehr.«

      »Ich bin doch nicht so schrecklich, Harro!«

      »O du, du hast eine Ahnung, wie du bist!«

      Rosmarie bekam nasse Augen: »Ja, ich ahne es doch ein wenig, Harro.«

      »Nicht tragisch werden, Rose. Aber sich, seine weiblichen Bekanntschaften bestanden im wesentlichen aus Konservatistinnen mit wild gelockten Haaren und hie und da schief getretenen Absätzen. Prinzessinnen kamen nicht in seinen Gesichtskreis. Von meinem Titel wußte er lange nicht, der stand sich zu schlecht mit meiner Wohnung neben der Glanzplätterei... Ach ja, die Plättfräulein interessierten ihn auch, er pflegte in ihnen ungemeine Seelenabgründe zu ahnen, übrigens gibt es ein Unglück, wenn er dich sieht. Er hat ein glühendes Herz für alles Schöne. Ein so großes Herz in seiner kleinen, zerdrückten Brust. Er ist ja ein wenig verwachsen. Und wenn er an seinem alten Klavier saß und seine langen Spinnenfinger darüber gleiten ließ und ich mich plötzlich aus meiner Berliner Hölle sänftlich in ein seliges Gefilde getragen fühlte, wo Palmenwälder rauschten, das ewige Meer blaute, und die Himmelstöchter herabstiegen auf goldenen Schuhen –«

      »Harro, kann man nicht telegraphieren?«

      »O du süße Rose, diesmal hast du ein liebes Wort gesagt. Wir telegraphieren ihm: ›Soeben einen großen Fund getan: Chorwerk aus dem siebzehnten Jahrhundert entdeckt. Bitten dich Pate zu stehen. Familie sehr dafür interessiert, wird die Kosten tragen.‹ – Das tust du doch, Rosmarie,– ich bin ein ausgebrannter Vulkan.«

      »O Harro, Liebster!«

      »Halt. Da drüben sitzen bleiben, wo du bist!« kommandiert Harro.

      »Nun noch: ›Der Wagen wird dich in Kupferberg abholen.‹

      So, das ist schön. Wenn die alte Musik auch keinen Wert mehr hat. Hans Friedrichs Musik hat Wert. Und der stumme Flügel, was wird er sich freuen! Und wir sitzen abends und hören zu. Sieh, was uns die Ahnfrau verschafft.«

      »Glaubst du, daß sie die Musik komponiert hat?«

      »Nein. Sieh – zuweilen ist etwas hineinkorrigiert mit Rotstift. Eine ziemlich nachlässige Männerhand. Sie hat wohl kopiert. Sieh, das ist köstlich. Mit Rotstift: ›O Holdseligste, nimm blau, nimm blau. Betrübe deinen Ehrfürchtigsten nicht durch ein Rot, das dreimal durch den Regen geloffen!‹ Ob das nicht auch eine Anweisung für die Sängerin ist? Eigentlich hätte ich doch lieber etwas mehr von ihr erfahren als nur die Abschriften.«

      »Ist die Valise leer?«

      »Ein Pack noch und verschiedene Dinge. Ein grünes, seidenes Kissen, ein Steckenpferd, ein angemalter Holzvogel mit einem Pfeifchen im Leib und ein seidener Beutel.«

      »Was enthält er denn?«

      »Ein Schreibzeug. Von Bernstein wie ein großer Apfel mit feinem silbernen Beschlag.«

      »Das will ich, das muß man mir lassen,« ruft Rosmarie.

      »Und ein Buch. Nun haben wir's, geschrieben, Bekenntnisse einer schönen Seele.«

      Die beiden Köpfe der Enkel beugen sich über das alte Buch. Ein Name steht nicht darin. Aber wieder eine Enttäuschung. Das Buch ist nur auf sehr wenigen Seiten beschrieben und enthält nur scheinbar ganz wahllos Bibelstellen.

      »Ein Wort hätte sie wohl dazwischen schreiben können,« brummt Harro.

      »Sieh!« Rosmarie deutet auf ein Blatt, auf dem als einziges steht: Liebet eure Feinde.

      »Hat sie sich auch mit dem Wort herumgeschlagen, wie einmal du, Rosmarie?« »Bei mir ist es bei einem ärmlichen Anlauf geblieben, Harro. Es war zu schwer für mich. Ich bin nur auf die allerunterste Stufe gekommen.«

      »Und die wäre?«

      »Vom blauen Männlein.«

      »Sei nicht gar so mysteriös, bitte!«

      »Sieh es doch an, ich mag wirklich nicht darüber reden, es ist so jämmerlich wenig.«

      »Schweigen?«

      »Glaubst du, daß sie wohl mehr davon verstand?« fragt Rosmarie.

      »Hier in dem Einband steckt noch etwas.«

      Zwischen dem Einband des Deckels und dem Deckel selbst war etwas hineingeschoben. Ein zusammengefaltetes Papier.

      Sie legten es sorgfältig auseinander. Eine dunkle, weiche Locke quoll heraus, oben mit einem Silberfaden gebunden, an dem ein Täfelchen hing. Darauf stand mit der Handschrift jenes Korrektors aus dem Chorwerk:

      »Der Holdseligsten von dem Herrgottsnarren.«

      »Der

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