Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 12

Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

Скачать книгу

      »Er heißt: Gottes Will hat kein Warumb.«

      Der Fürst seufzt: »Gottes Will hat kein Warum; sie müssen festere Herzen gehabt haben, die Alten. Ist dies das einzige Stück, welches das Wappen trägt?«

      »Nur noch ein Stirnband, uralt, karolingische Arbeit, Gold; es war eine Erbtochter, die Thorsteinerin. Graf Heinrich Friedrich hat eine Menge Schmuck getragen. Er muß so eine Art Elegant des siebzehnten Jahrhunderts gewesen sein. Spangen, Ketten, Schuhschnallen, Hutschnallen. All das ist offenbar nie mehr benützt worden, und alles trägt das Zeichen auf dem Täfelchen: Mein Sohn †.«

      Der Fürst wog den Ring nachdenklich in der Hand: »Eigentlich wäre mir etwas anderes lieber gewesen, als gerade ein Ring. Nun, dieser Heinrich Friedrich hatte keine weitere Bedeutung.« »Er starb sehr jung, der einzige Sohn.« Der Fürst sah auf das Täfelchen. »Der einzige, es mag ihm bitter schwer gewesen sein, doch hatte er ja einen Enkel. Nun schließen Sie die Kästen, bitte, es steigt ja doch immer irgendwelcher alte Jammer aus diesen Sachen heraus. Machen Sie den Eintrag und legen Sie das Täfelchen dazu; ich freue mich doch sehr, daß ich etwas gefunden habe,« sagte der Fürst. Er dachte: »Dies Geschenk mit seinem eigenen Wappen schließt so ganz aus, daß ich ihn seine verpfuschten Lebensumstände fühlen lassen will. Er hat mir den größten Dienst erwiesen. Wenn er Porträts malt, könnte ich ja ein Bild der Kleinen bei ihm bestellen; wenn es gar zu schlecht ist, braucht es ja nicht aufgehängt zu werden. – Aber das jetzt gleich zu tun, so gewissermaßen aus Erkenntlichkeit, widerstrebt mir doch. Er käme sich so sehr auf sein jetziges Niveau heruntergedrückt vor. Das hat er sich freilich selbst gewählt, aber es ist eine Liebenswürdigkeit, es zu ignorieren. Ob er nicht am Ende doch geschwenkt worden ist? Man hätte ihn, wenn er es nicht zu toll getrieben, ja immer als Dekorationspièce gebrauchen können! Diese Prachtgestalt! Sogar in der Aufmachung! Angenehm ist mir's ja nicht, wenn ich zu den Leuten mit gerecktem Halse sprechen muß.«

      Der Fürst ging mit seinem Ring in der Hand durch die Galerie in den sogenannten Prinzessinnengang, dessen hohe Oberfenster auf den Hof hinausführten. Da hingen auch einige Geweihe an den Wänden, die vielleicht aus andern Räumen daher gewandert sein mochten: sonst hing da Bild an Bild, weiß gepuderte Schönheiten des achtzehnten Jahrhunderts. Ein dicker Herr mit roter Nase, in einem pflaumenfarbigen Roquelore, war wohl für manche Generation fürstlicher Mägdelein eine Art Popanz gewesen, er stierte aus verquollenen Äuglein. Nun hatte er etwas seinen Nimbus verloren, ein breiter Riß lief über sein Gesicht; er wurde Kutscher Hack genannt, nach dem rotgesichtigen Kutscher, der das Gepäck führte, weil seine Gurkennase für die Equipagen zu wenig dekorativ befunden wurde. Der Fürst trat in einen kleinen Vorplatz ein, als sich stürmisch die Tür öffnete und seine Tochter ihm entgegenlief. Eben war sie den Händen der Fräulein Braun entronnen und schon im Festgewand, aus Spitzen und weißer Seide, duftig und frisch mit silberglänzender blauer Atlasschärpe. Aber das Gesichtchen sah fast schattenhaft aus dieser Pracht heraus, nur die großen Augen strahlten in erwartungsvoller Freude.

      »Papa, ich hörte dich kommen, ich wollte dir entgegen gehen,« rief sie, »aber Fräulein Braun war nicht mit meiner Schleife fertig. Ich höre dich immer auf dem Gang gehen, wenn du kommst, und wenn du fort bist, hör ich dich auch.«

      Über des Vaters Gesicht glitt eine Wolke, und er sagte mit etwas lehrhaftem Ton: »Abwesende hört man nicht gehen.«

      Er ging mit ihr in das große freundliche, aber recht einfache Zimmer hinein und setzte sich mit ihr an den runden Tisch, auf dem eine grüne Decke lag, und zog die hinweg, daß die alte Eichenplatte zum Vorschein kam. Dann lachte er:

      »Kleine, das ist nun dein Reich, früher war es meines, da müssen noch meine Kritzeleien sein. Die Decke haßten wir, sie lag stets zusammengeballt in einem Winkel. Sieh! dies Geweih ist an einem heißen Sommertag entstanden, während einer griechischen Stunde. Und nun, Kleine, freust du dich auf heute abend?« Das Seelchen schmiegte sich an ihn und sah ihn nachdenklich an.

      »Ich weiß noch nicht.«

      »Du weißt's noch nicht? Das wußten wir immer ganz gewiß. Tante Helen, Fedo und ich, wir hatten Kalender und rissen jeden Tag Zettel ab. Fedo hatte einen Prachtskerl gezeichnet, mit dicker Nase, so ein wenig nach dem alten Herrn da draußen.« –

      »Dem Kutscher Hack meinst du?« Der Fürst lachte hell auf: »So heißt er jetzt, – nun, gar nicht übel. Und der Dicke hatte einen Zettel zum Mund heraushängen und fraß die Stunden. Das war sein Kalender. Fein war's nicht, aber schön. Und du weißt nicht, ob du dich freuen sollst!«

      Er seufzte. Unter seinem Seufzer duckten sich die schmalen Schultern, als träfe sie ein Stich.

      »Hattet ihr auch ein Ehrenwort, Papa? Ich meine, wie ihr so klein waret und so vergnügt und den Kalendermann machtet?«

      »Kleine, wie kommst du nur darauf! Ich kann mir nicht denken, daß wir damals mit so großen Worten umgingen. Was weißt denn du davon!«

      »Viel weiß ich, und du selbst hast's mir gesagt, als du im Sommer mit Onkel Fedo da warst.«

      »Ich sollte mit dir über dergleichen gesprochen haben?«

      »Du sprachst mit Onkel Fedo über einen Mann und ein Ehrenwort, und ich fragte dich, ob die vielen Leute mit Harnischen und Zöpfen im großen Saal auch eins gehabt hätten? Du sagtest: ja, und gehalten, sonst hingen sie nicht dort.«

      Dem Fürsten dämmerte nun selbst etwas dergleichen.

      »Du bist ein Wunderliches mit deinen Gedankensprüngen, und das hast du bis heute behalten ... aber was hat das mit dir zu tun?«

      Wenn der Vater jetzt das goldumsponnene Köpfchen gegen das Licht hielte, so sähe er aus der grauen sanften Tiefe der Augen die Tränen aufsteigen. Aber er fährt nur ungeduldig fort: »Du weißt ja gar nicht, wovon du sprichst.«

      Er griff in seine Westentasche und holte den Ring heraus. »Kleine, den Ring sollst du deinem langen Freund von gestern unter dem Tannenbaum geben. Aber nicht gleich, zuerst sollst du deine Sachen ansehen, – ich habe Herrlichkeiten gesehen! – Sondern erst, wenn ich dir's sage. Gefällt dir der Ring?«

      Die Kleine nahm den Ring in ihr blasses Händchen und nickte: »Ich habe ihn schon oft gesehen!«

      »Hat ihn dir der Herr Rat gezeigt?« »Ach nein, der nicht. Es ist doch ein schöner junger Herr da, der ihn trägt. Der so schön lachen kann. So schön lacht niemand. Weißt du, er springt manchmal gegen Abend die Wendeltreppe hinauf und hat so viele lustige Bänder an sich hängen und glitzernde Dinge. Er ist der allerschönste von all den Leuten, er hat lange schwarze Locken und so schöne Augen wie du, Papa, wenn du an Mama denkst.«

      »Kleine, wann willst du jemand mit langen Locken gesehen haben?«

      »Vorgestern abend, als ich mit Fräulein Braun hinauf ging in das rote Zimmer.«

      »Kleine,« sagte er streng, »wenn du so viel vom Ehrenwort weißt, – das Lügen verträgt sich schlecht damit.«

      Einen Augenblick sieht es aus, als ob sie weinen wollte, aber plötzlich wie ein Regenwölkchen vor einem Sonnenstrahl verflattert, lächelt sie: »Und Harro kommt ganz gewiß und den Ring darf ich ihm geben?«

      Erstaunt sieht der Vater das Aufleuchten. Was für ein unverständliches, rätselhaftes Kind, mit seinen Gedankensprüngen! – Seine Schwester fiel ihm ein, die diesen Sommer in ihrer kurzen Weise zu ihm gesagt hatte: »Deine Kleine ist verrückt wie ein Märzhase. Die mußt du zu jemand tun, der sie fest in die Kandare nimmt und für die Welt dressiert. So kannst du sie einmal nicht sehen lassen!« In

Скачать книгу