Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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was es wollte, man sieht nur die wallende Mähne vom blassesten Gold, die zu beiden Seiten des Gesichts herabfällt. »Wenn du so dick sein wirst wie die Haare, Seelchen, so ist's recht. Nun gibt's bald eine Schale Tee.«

      Aber sie will gar nichts. Auf den blassen Wangen brennen rote Flecken und die Augen leuchten vor Verlangen. Ach sie ist in des rechten Christkinds Reich gekommen, da unter dem Baum ist etwas so unglaublich Schönes! sie hüpft auf ihren grauen dicken Strümpfen dorthin. Aber er hält sie zurück. »Einen Augenblick, Seelchen, mach fest die Augen zu.«

      Da steht sie, vielleicht zum ersten Male in ihrem armen, kleinen Leben ein erwartungsvoll seliges Kind. Und es hat sich doch von jeher der ganze Segen der so hoch entwickelten deutschen Spielwarenindustrie über sie ergossen. Und nun klingen alle Weihnachtsglocken zugleich in ihrem Herzen zum erstenmal, und sie macht krampfhaft die Augen zu, so fest, daß sie noch die feinen Händchen ballen muß. Ein Streichhölzchen knistert und ein feiner köstlicher Wachsduft erfüllt den Raum. Augen auf! Da steht der Baum im Glanz seiner zehn Kerzen, denn einen andern Schmuck trägt er nicht. Und darunter erglänzt im sanften rötlichen Schein das Wunderwerk. Eine Krippe, aber nicht ein Stall, sondern aus grauem Steinwerk erbaut, eine Ruine, eine Steinplatte als Dach, die Ritzen mit Moos gefüllt. Und durch eine Rubinglasscherbe, die zwischen die Steine eingelassen ist, von oben in sanftes Rosenlicht getaucht, die heiligen Gestalten. Aus farbigem Wachs modelliert von den glücklichsten Künstlerhänden. Ein tiefer Atemzug des Entzückens!

      »Das Christkind! Liegt so mein Brüderchen in meiner Mutter Arm im silbernen Sarg?«

      Denn unter dem Rosenlicht liegt so sanft und lieblich ausgestreckt auf einem Bettchen von seidenweichen Disteldaunen Maria, ihr Kind im Arm. Sie schläft, das rundliche rosa Köpfchen ist an ihre Brust geschmiegt, und mit der einen Hand hält sie, wie den köstlichsten Wiegenvorhang, ihr weiches gelbes Haar um das schlummernde Kind. Über die beiden beugt sich, mit dem schönsten Ausdruck beglückter Liebe und treuer Sorglichkeit, Joseph. Auf dem Pfädlein, das durch Moos und graue Flechten hinaufführt zu der Öffnung, wandern ein Knabe und ein zerlumptes Mägdlein. Ein graues Wachseselein und eine biedere breite rotbraune Kuh sehen aus einem Verschlägchen heraus.

      Das Kind kniet vor den Herrlichkeiten auf dem Boden und schaut und schaut. Und der lange Thorsteiner hinter ihr sieht mit der gleichen Kinderfreude auf sein Werk.

      »Ein Engelreigen gehörte wohl auch noch dazu, aber ich bin nicht zurecht gekommen mit dem Federvolk. Wo denen wohl die Flügel herauswachsen?«

      »Hast du das gemacht?«

      »Siehst du, es war freilich eine große Zeitverschwendung. Aber etwas muß der Mensch zu Weihnachten bekommen. Die letzten Jahre gab's nichts, und es war ein Weihnachtselend, wie es nicht an die größte Wand zu malen ist. Aber jetzt bin ich Hausherr und werde mich doch nicht mir gegenüber lumpen lassen. Und siehst du, das hat mir wohlgetan, es ist wie bei Dürer, das Kind der Welt liegt auch in einer Ruine.«

      Nun singt die Teemaschine. »O laß mich da, ich muß immer nach der Maria sehen,« flüstert sie, und auf einem alten Wollteppich kauernd, feiert sie die wonnigsten Weihnachten. Der Hausherr hat sich in seiner ganzen gewaltigen Länge auf den Boden ausgestreckt, eine dampfende Teeschale neben sich, ein Urbild des Behagens. Wie das Kind so zusammengekauert sitzt, fallen seine glänzenden Haare fast auf den Boden, die Ellenbogen stützt sie auf die Knie, und schaut und schaut, kaum daß die Teetasse dazwischen zu Ehren kommt.

      So ist in ihrem immergleichen Dasein noch kein Tag gewesen, so wundervoll und so lang, als könnt er nie enden. In Wirklichkeit ist's kaum sieben, und mit einem Blick auf seine Uhr berechnet er, ob es noch gelingen kann, mit der guten Nachricht vor der schlimmen zu kommen. Wohl kaum.

      »Du, Harro! Für wen hast du das gemacht?«

      »Nun, für mich und meine Kinder.«

      »Du hast doch keine und du brauchst keine.« »So, brauch ich keine?«

      »Sieh die schöne Maria; wenn die Kinder kommen, dann lärmen sie und fassen an; und gehen sie fort, so hat gewiß die liebe Kuh nur noch drei Beine.«

      »Meinst du, ich könnte nicht Ordnung halten in der Bande?« und er reckt einen langen, Respekt gebietenden Arm aus.

      »Du brauchst keine Kinder, du hast ja mich.« Halb ängstlich, halb trotzig sagt sie's.

      »Dich hab ich nur noch eine Stunde, Seelchen.«

      Es ist ein Schatten über die Weihnachtsfreude gekommen.

      »Eine Stunde noch, dann hoff ich, daß dein Vater da sein wird, dein lieber Vater.«

      Sie zuckt zusammen, und eine feine finstere Falte steht auf ihrer Stirn: »Du hast nach ihm geschickt.«

      »Sie sind in Angst um dich.«

      »O, nun wird er böse sein, wie im Leben nicht! Und dann sagt er, was er immer sagt: ›Sie hat mir immer nur Kummer und Sorge gemacht, die arme Kleine.‹«

      »Nein, das wird er nicht mehr sagen. Du machst ihm jetzt Freude. Seelchen! nun hast du ja die rechten Worte gefunden.«

      »Hab ich?«

      »Die richtigen Worte, mit denen man alles sagen kann, was man lebt!«

      »Ist das, weil du mir den rechten Namen gegeben hast? O sag ihm, daß ich Seelchen heiße; aber wenn ich nicht dabei bin, mußt du's tun. Oh, du bist klüger als alle anderen: sag mir schnell, weiß Maria schon, wenn sie das Kindlein hält in ihrem lieben Arm und es zudeckt mit ihrem Haar, – wenn ich ein Kindlein habe, mache ich es auch so, daß die bösen Leute nicht einmal hereinsehen können, – weiß sie, was mit dem Kindlein wird?«

      »Nein, das weiß keine Mutter.«

      »Meine auch nicht, sonst hätte sie mich mitgenommen. Und dann wird er groß, und die Menschen tun ihm Leids an. Und ist es wahr, daß sie hat dabei stehen müssen und sehen, wie sie ihn tot machen?«

      »Seelchen, komm, nicht weinen! Du hast zu viel erlebt heute.«

      Sie sieht ihn mit ihren sanften Augen verwundert an, über ihre schmalen Wangen rinnen noch die Tränen.

      »Ja, mußt du denn nie weinen, wenn du daran denkst?«

      Es ist ganz still in der großen Stube, nur in den Tannen knistert's, es fällt ein Wachs herunter und die Wachslichter, die so schnell vergehen, neigen sich schon. Das Kind wartet nicht auf Antwort. Es sieht hinein in den Rosenschein, auf die schlafende Maria und das so süß geborgene Kindlein. Es ist jene Stille, die so selten ist in unserer hastenden und jagenden Welt voll guter und voll schlimmer Werke. Jene Stille, in der unsere Seele zur Harfe wird, worin sich die Töne der Ewigkeit verfangen. Und es webt sich fester und fester, das goldene Band aus der Himmelspforte im kristallenen Wald. Und weil er eine Künstlerseele in sich trägt, die in Bildern und Tönen denkt, so sieht er im Geiste wieder die Prachtstraße, die nach der Himmelstüre führt, und das Seelchen, das Sonnenkränzlein auf dem Haupt, geht ihm voran, und dort steht im goldenen Glanz das himmlische Vaterhaus, das für ihn die Gestalt der eigenen für immer verlorenen Heimat trägt. Und davor in dem allerherrlichsten Bilde, das uns der Sohn von der Gottesliebe gemalt, der Vater, der ausschaut nach dem wegemüden, dem sündenbestaubten und heimwehkranken, dem verlorenen Sohn. Ein tiefer Seufzer hebt die breite Brust, und indem er sich löst, hat seine Seele den ersten Pfeil ihrer Sehnsucht nach dem ewigen Ziele gesandt.

      Und nun kommt die Scheiterlein herein, den dampfenden Brei in buntglasierter Schüssel; das Seelchen bekommt nur ein

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