Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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blaue, violette und graue Töne steigen aus dem Weiß auf. Lautlos sehen die beiden in die himmlische Herrlichkeit. Und das Seelchen hält fast den Atem an, denn nun muß es kommen. Woher, weiß es auch. Dort, wo der Weg sich wendet, gerade in die Glut hinein, da hat die schwere Silberlast ein Buchenstämmchen herabgezogen, daß es im Bogen über den Weg hängt. Da durch muß es kommen. O wie der unauslöschliche Kinderglaube aus den grauen Augen leuchtet! Kommt nicht auch das Klingen immer näher? Das braune Tuch ist bedeckt mit Silbersternchen, daß es wohl Aschenbrödels Kleid von der Mutter Grab her sein könnte. Ihre Pupillen weiten sich, daß die graue Iris nur einen schmalen Streifen um die Schwarze bildet, sie gleitet herunter, sie faßt ihn an der Hand und zieht ihn mit sich fort. Da unter den herabhängenden Tannen tief unten ein goldenes Feuer, ein Bogen, wie ein ungeheures, loderndes Flammentor. Die Himmelstür! Weit offen steht sie und gerade auf sie zu führt die gotische Silberhalle, die herrlichste Prachtstraße der Welt. Nun ist's offenbar, darauf haben sie gewartet, die Bäume, die Kräutlein im Silberkranz, das Reh, der Vogel, der immer vorausflog mit dem roten Käpplein. Fest aneinander geschmiegt stehen sie, das Kind legt seine Ärmchen um den herabhängenden Arm des Mannes. Und ein feines goldenes Band schlingt sich von dem einen der zwei Herzen zum andern, ein Band, gewoben aus jenem Gold des Himmelstors. Und über seine Hand, an die sich das Kinderköpfchen schmiegt, fällt plötzlich ein weiches, sanftes Gewoge. Er wendet seine halbgeblendeten Augen, die noch in feurigen Ringen überall das Bild des goldenen Tores hinwerfen, nach ihr. Das Tuch ist abgefallen und um das erhobene, von seliger Erwartung und scheuem Entzücken erleuchtete Angesicht wallt eine Flut von blaßgoldenen Haaren. Und einer der feurigen Ringe legt sich um das Köpfchen, daß es davon umgeben wird und sein Herz ein leiser Schauer trifft, als berühre es der Himmlischen einer. Dann versinkt das Tor, noch ein letztes Gluten am Himmel, das den Wald mit tausend und tausend Rosen behängt – und nun steigen graue Schatten auf; wie Gespenster werden die Bäume; der Eichbaum dort, windet er nicht seine Schlangenarme? Die Stunde, die einzige, ist vorüber.

      Und doch nicht vorüber, denn das Mägdlein, das mit seiner blaßgoldenen Mähne aussieht wie ein aus seiner braunen Hülle geschlüpfter Schmetterling, sagt mit seinem hohen feierlichen Silberstimmchen: »O, bist du nicht froh, daß doch alles wahr ist! Und daß wir das Christkind gesehen haben!«

      »Hast du's gesehen?« fragt er fast scheu.

      »Sein Tor hab ich gesehen und seinen Himmel, und nachher hingen überall rote Kränze. Die haben die Engel heruntergeworfen. Hast du die Rosenkränze, die so brannten und so schön waren, nicht gesehen? Sie hingen doch auf den Bäumen, und der Strauch dort hat sieben goldene Kronen gehabt.«

      »Ich sah sie, und du hattest auch ein Krönlein, Seelchen.«

      »Ich hatte auch eins! Hab ich's immer noch?«

      »Nun ist's vergangen.«

      »Sieh, wie die Bäume nun grau werden und sich einwickeln in lauter Schleier, weil sie nun schlafen wollen. Und ich bin so müd. Ich muß weinen, ich bin ganz müd. Du, ich hab mich überfreut!«

      »Überfreut hast du dich?«

      »Weißt du, wenn man so starke Freude hat, das tut doch weh.«

      »Seelchen, komm, wir müssen eilen, ich trage dich.«

      Er reißt sich das Lodenwams herunter, daß er in seinen weißen Hemdärmeln dasteht, und wickelt sie darin ein und nimmt sie auf seine starken Arme.

      »Kannst du denn kein kleines Mädchen in deiner Ruine brauchen, ich esse nicht viel. Du mußt aber niemand herein lassen, daß man mich nicht sieht. Denn sonst holen sie mich. Weil die mich haben müssen, wenn ich auch nur ein Mädchen bin und es ein Jammer ist, daß die Mutter nicht mich mitgenommen hat und das Brüderlein leben geblieben ist.« »Die müssen dich haben!« Er schaut auf das weiße Gesichtchen, das in seinem Goldgewoge auf seiner Schulter liegt. – Die seinen Linien der Nase, die ein wenig zu großen Augen: das Rassegesicht – – der Braunecker. – –

      »Prinzessin! Ja, um Gotteswillen! Wie lang sind Sie schon fort! Ja, sucht denn kein Mensch nach Ihnen?«

      »Ja, warum sagst du denn nun Sie. – Dann muß ich's auch sagen. Ich hab kein Du, kein einziges Du, wenn Vater fort ist.«

      Armes Prinzeßchen, armes einsames Seelchen, das er nun in seinen Käfig zurückbringen muß. So vertrauensvoll schlingt sich das Ärmchen um seinen Hals, während er mit langen Schritten dahineilt. Wohl wußte er, daß in dem alten Schloß, das mit seinen dicken Türmen in das lieblichste Tal hinabsieht, das einzige Töchterlein des Fürsten wohnt, der nur zu den hohen Festen und den Jagden nach seinem alten Stammsitz zurückkehrt. Aber es war von dem Kinde immer nur mit einem gewissen Achselzucken die Rede gewesen, so daß er sich ein vielleicht schwachsinniges Geschöpf vorgestellt hatte, das in seinem armen Dasein die bitterste Enttäuschung des alten Hauses sei. Die Fürstin und zwei Söhnlein, ein dreijähriges und ein wenige Tage altes, waren vor zehn Jahren innerhalb einer Woche an einer schweren Diphtherie gestorben. Geheiratet hatte der Fürst bis jetzt nicht wieder, und doch würde es sein müssen, denn der alte Stamm stand nur auf seinen zwei Augen. Aber warum wimmelt jetzt der Wald nicht von Jägern und Hunden, warum ertönen die Sturmglocken aus den Dorfkirchen nicht, wie man es immer tut, wenn irgendein Kind, das vielleicht seinem Vater das Essen in den Schlag gebracht hat, nicht zurückgekehrt ist. Seelchen, warum suchen sie denn nicht! Drei Stunden weit ist sie freilich gegangen, und das mochte ihr niemand zugetraut haben. Und mit Schrecken dachte er, wie es wohl gekommen wäre, wenn es ihn nicht in den Wald gezogen hätte heute, ob nicht sein einsames Herz von der Herrlichkeit da draußen so erfüllt werden könne, daß es den bitteren Hunger nach einer einzigen menschlichen Seele vergäße.

      »Schläfst du, Seelchen?«

      »Nein, es ist so schön, weil du mich trägst, und du bringst mich doch zu deiner Ruine! Wie das Schneewittchen über den sieben Bergen. Du bist freilich kein Zwerg, sondern schier ein Riese, und du kannst auf alle heruntergucken, und so lang will ich auch wachsen. Und stark bist du und brauchst dich im Dunkeln nicht zu fürchten.«

      »Vielleicht fürcht ich mich doch.«

      »Jetzt?«

      »Nein, jetzt nicht. Aber soll dein Vater kein Kind mehr haben?«

      »Du hast auch keins.«

      »Jedes Kind bleibt bei seinem Vater.«

      »So muß ich zurück! O sag's nicht. Ich will nicht. Ich bleibe da, und wenn auch die Bäume noch so schrecklich sind in ihren weißen Tüchern. So sind gewiß tote Leute, so steif und mit weißen Tüchern. O das träumt mir, das träumt mir. Aber ich bleibe hier. Nun haben sie alle einen Zorn und alle reden zugleich, und ihre Stimmen sägen und ich darf meine Ohren nicht zuhalten. Und das Tuch hab ich ganz zerfetzt.«

      »Wie du reden kannst, Seelchen, und du meinst, du habest die rechten Worte nicht! Warum sagst du das nicht deinem Vater, deinem lieben Vater!«

      »Wann denn? Ich muß immer so artig sein, wenn er da ist. Und das mußt du doch wissen, daß es nicht artig ist, wenn man sich über Miß Whart verjammert.«

      »Seelchen, dein Deutsch ist wunderbar, ganz dein eigen. Und du sprichst wohl englisch mit der einen und französisch mit der anderen?«

      »Mademoiselle ist nach Anvers in die Ferien, und Miß Whart hat Migräne, und Fräulein Braun – aber das ist ein großes Geheimnis, ich sag dir's nur, weil du's nicht weitertratschest, – sie ist zu Karl gegangen.« »So, zu Karl.«

      »Der heiratet sie gewiß einmal, und dann kauft sie sich ein Plüschsofa. Daß sie sich nicht schämen muß, wenn die andern Frauen bei ihr Visite

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