Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 9

Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

Скачать книгу

in deine Arme, ich will noch in die Krippe hineinsehen.« Eine kurze Weile sehen die großen grauen Augen in die erlöschende Glut, dann schließen sie sich, ein Traum wirft seinen bunten Mantel um das Seelchen.

      Ganz von ferne klingt in seine farbigen Bilder hinein die wohlbekannte Stimme: »Meine Kleine, meine arme Kleine, wer hätte ihr das zugetraut!«

      »Papa,« flüstert sie... und dann schießt das Traumboot wieder mit dem Seelchen an vielen seltsamen Gestaden vorbei, bis es Halt macht an einem grauen Morgenufer.

      Zweites Kapitel.

       Das Ehrenwort

       Inhaltsverzeichnis

      Vor dem langen Kaliban in seiner Wolljuppe, der eben mit der Schneeschippe einen Weg bahnt schnurgerade vom Tor zur Ruine, steht ein schokoladebrauner Lakai mit einem Billett und schnarrt: »Sogleich abgeben.« Der Kaliban nimmt das Billett in seine hornenen Riesenhande und geht zu der Türe und damit sofort ins Innerste des Thorsteiner Schlosses. Der Haus- und Schloßherr hantiert an seiner Staffelei mit farbigen Kreiden auf einem großen grauen Tonbogen. Auf seiner Stirne entsteht eine senkrechte Falte, als er den Brief liest. Es ist eine in die liebenswürdigsten Worte gekleidete Einladung zu der heutigen Weihnachtsbescherung... »Meine Kleine scheint Ihr Kommen sehr zu erhoffen.« Der lange Thorsteiner dreht die Karte in grimmiger Verlegenheit in den Händen. »Donnerwetter.... mein alter grünschwarzer Rock da drüben!« Seine Hand fährt in seinen kurzen braunen Lockenschopf. »P. S. Wir werden nach der Bescherung ganz unter uns sein ...« Und zwischen den Zeilen sehen ihn bittende Augen an. »Da ist nichts zu wollen,« murmelt er, »... trotz dem Schwarzgrünen.« Und mit seinen langen Schritten eilt er hinaus in den Hof, wo der Schokoladebraune, mit der dieser Menschenrasse eigentümlichen Mischung von Verachtung und Herablassung, sich mit dem Kaliban zu verständigen sucht. Vor der hohen Gestalt des Grafen schnellt er aber sofort in seine korrekte Haltung zurück.

      »Melden Sie Seiner Durchlaucht, daß ich kommen werde.«

      Denn der Thorsteiner gibt sich nicht unnötig mit Papier und Tinte ab. Kaum ist der Schokoladene verschwunden, so ruft er mit Donnerstimme:

      »Märt, die Kiste 4 + 6.« Was den musikalischen Brunnen zu einem beifälligen Gemurmel veranlaßt. Denn Kaliban ist schwerhörig.

      Früher, als sein Übel sich noch nicht so fühlbar machte, war er Bursche gewesen bei des Grafen Vater, dann war er Bauernknecht geworden, und obgleich ihn seine Herren wegen seiner Riesenkräfte und seiner treuen Arbeit wohl schätzten, hatte seine zunehmende Schwerhörigkeit es ihm immer schwerer gemacht, mit seinen Mitknechten auszukommen. Er wurde gehänselt, oder kam sich so vor, – ein kleines rotköpfiges Minele wollte nur Spott mit seiner scheuen Liebe treiben, und so wäre er, den seine Riesenkräfte und sein schnell auflodernder Zorn fast zu einem gefährlichen Menschen machten, schier in eine schlimme Sache hineingekommen.

      Eines Abends, als er in der halbdunkeln Scheune saß, neben dem letzten noch nicht abgeladenen Heuwagen, und zu seinem immer mehr umsponnenen Ohr die gedämpften Stimmen der Knechte und Mägde drangen, wie sie schäkerten und lachten, und er die hohe Stimme des roten Minele und die krähende des schönen Beckenkarl und dazu seinen Namen zu verstehen glaubte, da hatte sich sein einsamer dumpfer Schmerz plötzlich in einen aufsteigenden heißen Zorn verwandelt.

      An dem Abend war er nicht zum Nachtmahl erschienen, und die Nacht hatte ihm einen furchtbaren Traum gebracht. Die Hecke mit den alten Eichenknüppeln, einen Menschen auf dem Gesicht in einer roten Lache liegend, daneben steht seine alte Mutter mit der schwarzen Florhaube, das große silberbeschlagene Gesangbuch im Arm, ganz so, wie sie ihm sein Erinnerungsguckkasten am liebsten zeigt, und hebt entsetzt ihre Hände auf.

      Am andern Morgen hatte er seinen Dienst gekündigt mit so wilden Gebärden, daß der Bauer den unheimlichen Menschen trotz der dringenden Arbeit hatte ziehen lassen. Er war dann in seine Heimat gegangen, obgleich er das alte Mütterlein nur an dem Hügel mit dem schwarzen Holzkreuz darauf besuchen konnte, und hatte getaglöhnert. Ein finsterer und unzugänglicher Geselle, dem die Kinder scheu aus dem Wege liefen.

      Da war er eines Tages im Holzschlag dem Sohn seines früheren Herrn begegnet, der mit seiner Staffelei vor einer Waldwiese saß. Der hatte ihn sofort erkannt und ihn freundlich angeredet. Die Stimme erweckte die schönsten Erinnerungen aus seiner Dienstzeit, wo er noch ein ganzer Mensch, ein vorzüglicher Soldat gewesen war. Wenige Tage darauf erschien er nach Feierabend in der Ruine und begann an einem Steinhaufen abzutragen, Schutt auszulesen und ihn in den tiefen Graben zu werfen. Als der Graf heraustrat, grüßte er militärisch und fuhr in seiner Arbeit bis zum Dunkelwerden fort. Eine Belohnung wollte er nicht dafür annehmen, da es nach Feierabend sei. So war er eine Zeitlang gekommen, kaum daß er einen Trunk oder ein Stück Brot dafür annahm. Es schien ihm zu genügen, daß er nur in der Nähe eines Menschen war, der ihn in seiner früheren guten Zeit gekannt.

      Nun hatten aber bald einige günstig angebrachte Entwürfe den Herrn in den Stand gesetzt, für einige Zeit einen eigenen Taglöhner halten zu können. Da zimmerte sich der Märt aus noch wohlerhaltenen Balken, wie sie zuweilen doch aus dem Schutt hervorkamen, eine kühne spindelige Treppe vom Schutthügel aus bis zu einer Mauerlücke im Bergfried, die er verbreiterte, so daß er sich mühsam hineinzwängen konnte. Die Wendeltreppe führte noch hinauf zu einem Stübchen, in dem ein Taubenschlag gewesen war. Dort richtete er sich ein mit einem weißen Taubenpärchen, das er zärtlich liebte. In diesem etwas luftigen Ort hauste er nun, und an Sonntagen hämmerte, klopfte und bastelte er daran herum. Die Tauben bekamen ihr gesondertes Quartier; die Fensterluken aus alten bleigefaßten Scheibenstücken, die sich in Resten noch vorfanden, ergaben eine primitive Verglasung. Dann schaffte er, nicht ohne lebensgefährliche Turnkünste, sein Bett, seine Truhe, ein handgroßes Spiegelchen und ein großes gerahmtes Bild hinauf. Das Bild stellte ihn dar, wie er in kühner Haltung mit erhobenem Säbel auf einem prachtvollen Schimmel dahersprengte. Sein etwas windschiefer Dickkopf in Photographie auf den Halskragen geklebt. Dies war sein größter Schatz außer dem silberbeschlagenen großen Gesangbuch seiner Mutter, das er in ein rotes Taschentuch gewickelt in seiner Truhe geborgen hatte. Das Bild wurde mit großer Mühe an der rauhen Wand befestigt, Bett und Truhe aufgestellt, und die Einrichtung war im Rohen fertig. Der Graf warnte ihn freilich, er werde von da aus viel weiter an seine Arbeitsstätte haben, aber der Märt meinte, er wolle nur noch im Winter, wenn nichts mehr in der Ruine zu schaffen sei, in den Holzschlag gehen und sein frei Quartier in der übrigen Zeit mit Arbeit wett machen.

      Zuerst wollte es dem Thorsteiner angst werden, wie er auch noch einen zweiten Menschen erhalten sollte, aber es mußte doch eine merkwürdige Kraft liegen im Heimatboden: hatte er in Berlin sich kaum selbst erhalten können, so trug es jetzt schon, daß zwei Menschen lebten und der Thorsteiner seinem Märt einen Knechtslohn auszahlen konnte.

      Den zweiten Winter lebten sie schon so miteinander. Aus dem einen Taubenpärchen war ein Schwarm weißer Flügel geworden, die sich in anmutigen Kreisen über dem grauen Gemäuer und den dunkeln Waldwipfeln hoben und senkten. Märts Liebe hörte aber mit der weißen Farbe auf, jedes bunte Tierchen wanderte erbarmungslos in den Kochtopf. Der Märt kochte nun auch das spartanische Essen der beiden Schloßbewohner. Es gab immer eine Menge für ihn zu tun, und das Holzspalten gehörte zu den Feierabendbeschäftigungen, die sein Herr zuerst mit ihm teilte. Es wurden aus einem der halb eingestürzten Riesenkamine, der sich neben der Hofstube befand, eine Küche gebaut, die noch vorhandenen Ställe repariert. Darin stand nun die gute braune Kuh Selma in Gesellschaft mit dem zierlichen Rehzickchen, das Märt auf der Schutthalde gefunden und mit der Flasche aufgepäppelt hatte. Sie nährten sich von dem Gras der Schloßgräben und Hänge, wo Märt und sein Herr Heu und Öhmd machten. Seit die gute Selma mit ihrer Milch der Küche Märts einigen Hinterhalt verlieh, sahen der Herr und sein Knecht entschieden besser aus; auch das finstere Antlitz des tauben

Скачать книгу