Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 236

Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

Скачать книгу

bejahte diese Frage mit dem bekannten, sanften Erröten, welches ein Zeichen jener verdienstvollen Bescheidenheit ist, die jeden zeitgenössischen deutschen Dichter ziert.

      »Wie mich das freut! Denn eigentlich bin ich dieses Gedichtes wegen noch einmal heruntergekommen. Es hat auf mich und ganz besonders auf meinen Vater einen tiefen Eindruck gemacht; ja, es schien, als ob es gerade nur für uns und für keinen andern Menschen gedichtet worden sei. Ich möchte es darum gern, ja gar so gern besitzen, und wollte Sie, der Sie es deklamiert haben, fragen, ob Sie mir es wohl diktieren möchten, falls ein Papier vorhanden wäre.«

      Diese letzteren Worte waren an Carpio gerichtet, welcher Busenfreund sofort aufsprang und sein Notizbuch hervorzog. Ich habe bereits erwähnt, daß es eine Zeit gab, in welcher jeder Mitschüler mein Gedicht bei sich trug; Carpio war diesem Brauche treu geblieben. Dieser Busenfreund nahm es aus dem Buche und reichte es der Frau mit jener wundervoll abgerundeten, gentlemanliken Armbewegung hin, welche nur jungen Gymnasiasten eigen ist, wobei er sagte:

      »Ich besitze es zweimal, nämlich im Kopfe und hier auf dem Papiere. Nehmen Sie, bitte, die Abschrift, und lassen Sie mir den Kopf, so ist uns beiden geholfen.«

      Der gute Mensch schien diesen Worten nach zu fühlen, daß ihr mit seinem Kopfe wahrscheinlich sehr wenig geholfen sei. Sie zögerte nicht, sein Geschenk anzunehmen, und die Art und Weise, wie sie dies that und sich bei ihm und mir bedankte, bestätigte aufs neue unsere Ansicht, daß sie früher nicht das gewesen sei, was sie jetzt war. Dies brachte auf meinen Freund eine so gute Wirkung hervor, daß er ihr in geheimnisvoller Weise andeutete, es sei ihm auch außerhalb dieses Gedichtes möglich, ihr einen vielleicht noch größeren Dienst zu erweisen.

      Als sie ihn hierauf stumm fragend anblickte, brannte er sich eine neue Cigarre an und begann dann, von Christoph Kolumbus und Amerigo Vespucci zu erzählen. Er durchflog die Zeit vom Ende des fünfzehnten bis zum Beginn der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts mit feierlicher Gründlichkeit, überging nichts von allem, was während dieser Zeit in Amerika geschehen war, brachte dann seinen geheimnisvollen Verwandten zur Sprache und ließ dann endlich, worauf ich längst gewartet hatte, die drei bekannten Blitze los – El Dorado, Millionär und Universalerbe. Als er glaubte, sie nun gehörig vorbereitet zu haben, machte er ihr das Anerbieten, ihr ein Empfehlungsschreiben an diesen Verwandten mitzugeben.

      Ich war fast starr vor Erstaunen! Mir, seinem Busenfreunde, hatte er ein solches Empfehlungsschreiben noch niemals offeriert, was er doch ganz gefahrlos hätte thun können, weil er mein Ideal, ein Globetrotter zu werden, nicht kannte und also annehmen mußte, daß ich während meines ganzen Lebens nicht in die Lage kommen würde, dieses Schreiben abzugeben. Und hier, wo er hundert gegen eins wetten konnte, daß man es abgeben werde, bot er es einer ganz fremden Person an, deren Busenfreund er nie gewesen war und auch niemals werden konnte!

      Und die Frau? Sie ging auf seinen Vorschlag ein, vielleicht nur, um ihn nicht zu beleidigen, denn auf das Empfehlungsschreiben eines jungen Schülers war wohl nur wenig Wert zu legen. Er bat den Wirt um Schreibzeug und Papier und erklärte, als er dies bekommen hatte, der Frau, daß er nun freilich ihren Namen wissen müsse. Sie nannte ihm denselben, und so erfuhr ich, daß sie Elise Wagner hieß. Indem er schrieb, setzte er sich so, daß mein Blick das Papier nicht erreichen konnte. Also eine Fremde durfte die Adresse seines einstigen Erblassers wissen, ich aber nicht! Ich fühlte mich dadurch nicht beleidigt, denn ich war gewohnt, allen seinen Eigenheiten Rechnung zu tragen, und wendete mich ganz von ihm ab, damit er ganz sicher sei, daß ich ihm nicht ins Geheimnis schaue. Er vollendete, während ich mich mit dem Wirte unterhielt, den Brief, welchen er dann der Frau mit der bescheidenen Andeutung überreichte, daß ihr dieses Schreiben von ungeheurem Nutzen sein werde.

      Grad als er dies that, wurde die Thür geöffnet, und die Wirtin trat herein. Der liebe Franzl mochte darüber wohl ein wenig erschrecken, beherrschte sich aber unsertwegen so, daß ihm nichts anzumerken war. Mein Busenfreund duckte sich zusammen, als ob er der Schuldige sei. Die fremde Frau sah dem Kommenden mit sichtlicher Bangigkeit entgegen. Franzl brannte sich, um sich für den Kampf zu stärken, eine neue Cigarre an.

      Die Wirtin blieb erst ganz verwundert an der Thür stehen; dann kam sie langsam näher, bis sie vor ihrem Manne stehen blieb.

      »Was brennst du denn da, Franzl?« fragte sie ihn in einem eigentümlich freundlichen Ton, dessen Bedeutung ich damals noch nicht kannte.

      »Den Baum,« antwortete er mit ganz derselben Liebenswürdigkeit.

      »Warum?«

      »Weil’s Weihnacht ist.«

      »Für wen?«

      »Für mich.«

      »Seit wann?«

      »Seit kurzer Zeit.«

      »So, so, schau, schau! Seit kurzer Zeit! Da sind die Lichte ein Viertel abgebrannt und vorher waren sie schon halb abgebrannt. Woher mag das wohl kommen?«

      »Weil es wahrscheinlich eine Sorte ist, die vom Verbrennen länger wird.«

      »So eine gute Sorte kenne ich nicht; die möchte ich mir auch gleich kaufen! Es wird aber wohl so sein, daß du erst die halben verbrannt und dann noch neue angezündet hast, damit ich nichts merken soll. Du hast gedacht, daß ich wie gewöhnlich nicht wieder hereinkommen werde. Ist es so, oder ist es nicht so, Franzl?«

      »Es ist schon so.«

      »Höre, ich will dir sagen: Es ist gut, daß du es wenigstens zusiehst! Also für dich brennst du den Baum?«

      »Ja.«

      »Nur für dich?«

      »Für mich und diese Herren Studenten.«

      »Dagegen hätte ich nichts, wirklich nichts, denn du bist auch einer gewesen, worüber wir beide noch heute unsere Freude haben. Also du brennst ihn für sonst weiter gar niemand?«

      »Nein.«

      »Schön! Jetzt sagst du mir die Wahrheit nicht. Du magst für dich und die Herren Studenten anbrennen, was und wann du willst, Wein trinken und Cigarren rauchen, so viel du willst, aber – aber –« und jetzt stieg ihre Stimme plötzlich um eine Septime höher, und sie stemmte die Hände in die Hüften – – »für wen, frag ich, hat er denn vorhin gebrannt, als die Wurst und der Kuchen und die Kleider und das Geld darunterlagen und dieser Herr Student ein so schönes Gedicht geredet hat, von dem ich jedes Wort verstanden hab’?«

      Jetzt sprang Franzl auf.

      »Weib,« rief er, »du hast gehorcht!«

      »Ja, gehorcht hab ich,« nickte sie triumphierend.

      »Wo?«

      »Dort am Fensterladen.«

      »Grad dort am Fenster, wo der Baum auf dem Tische steht?«

      »Ja, grad dort am Fenster, wo der Laden ein großes Astloch hat!«

      »Du, das machst du mir nicht wieder!«

      »Nicht? Warum sollte ichs nicht wieder machen? Das Haus ist mein; der Laden ist mein, und das Astloch ist also auch mein; ich kann hindurchgucken, wann es mir beliebt. Von dem ganzen Hause ist nicht einmal dieses Astloch dein, und du verschenkst mein Geld und meine Sachen und willst mir auch noch zu befehlen haben?«

      »Höre, beleidige mich nicht

Скачать книгу