Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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seinem Verlangen nach einem neuen Heilmittel. Sämtliche nur mögliche Heilmethoden muß der Doktor mit ihm durchsprechen. Längst hätte er alle italienischen und englischen Ärzte in Bordighera zu einer Beratung aufgeboten, wenn nicht Rosmarie flehentlich gebeten hätte, daß man sie mit ihrem Doktor allein lasse, der sie so gut verstehe.

      »Sie allein kann den Fürsten ein wenig beruhigen. Wenn sie nun auch aufgeregt würde! Ich brennte durch, Herr Geheimrat ...«

      Heute geht nun ein Landregen herunter mit deutscher Gründlichkeit und südlicher Lebhaftigkeit, über dem Meere liegt eine graue Nebelmasse. Nur die triefenden Palmen sehen munter aus und die Pfefferbäume, die ganz fein beperlt sind. Harro steht am Fenster mit dem Gefühl, daß heute etwas geschehen muß. Unmöglich, den ganzen Tag so hinzubringen. Er will in den englischen Store hinunter und sehen, ob nicht ein paar Schnitzmesser und etwas altes Holz zu haben ist. Er sehnt sich nach dem härtesten, zähen, knastigen, splitterigen Eichenholz.

      Da klopft es. »Herein!« Es ist der Leibjäger des Fürsten, der ihn überall begleitet, ein alter Braunecker, mit einem intelligenten Ledergesicht. »Durchlaucht läßt anfragen, zu welcher Zeit der Herr Graf zu sprechen sei?«

      Harro schießt eine dunkle Röte ins Gesicht.

      »Jederzeit,« will er sagen, besinnt sich aber – nein – noch einmal überlegen.

      »Wenn es Seiner Durchlaucht um elf Uhr passen würde.«

      Also der Fürst will zu ihm kommen. Freilich, in der Villa ist es sehr gehorsam. Rosmarie würde ihn kommen hören und, solange die Unterredung dauert, sich aufs peinlichste absorgen.

      Geschwind sammelt er noch seine Argumente zusammen. – Was er sagen könnte und was – noch viel wichtiger – er um Himmels willen nicht sagen darf!

      Alles umzäunt und umdrahtet. Überall Verbotstafeln. – Wege, die plötzlich aufhören! – Seelchen, du sollst deine Sache selbst führen!

      Der erste Blick auf den Fürsten, wie er nun kommt, genügt, um ihn aufs tiefste zu überzeugen, welch schwierige Aufgabe er vor sich hat. Der Fürst ist gemessen und niedergedrückt. Kaum eine Spur seiner früheren Liebenswürdigkeit. Er sieht aus, als mache er einen Besuch beim Zahnarzt. Notwendig, aber unangenehm. Er setzt sich auch ganz ergeben auf einen der bequemen Korbstühle.

      »Sie haben wenigstens Stühle, auf die man sitzen kann. In der Riposa sucht man vergeblich nach einem, der auf vier gleichen Beinen stünde.«

      Harro erklärt, daß ihm die Behaglichkeit seiner Stühle noch nicht aufgegangen sei, dagegen wolle er die Tapete und das Plafondornament blindlings nachzeichnen.

      Da lächelt der Fürst plötzlich: »Ein greulich unbequemes Nest, dies Bordighera, und das Haus in einem wahren Irr- und Zaubergarten.«

      Aber seine Stimmung ist eine merklich bessere geworden. Also der Thorsteiner hat sich auch abgequält, das gibt doch eine gewisse Gemeinsamkeit. Und auf Harros höfliche Frage:

      »Meiner Tochter geht es noch nicht viel besser. Ich werde nach München um einen Spezialisten telegraphieren, wenn bis morgen keine Besserung eintritt.«

      Harro klopft das Herz bis in die Schläfen. Nun muß er etwas sagen. Sie sind doch nicht zusammengekommen, um über Stühle und Doktoren zu sprechen.

      »Ihre Durchlaucht hat sehr viel durchgemacht und war recht einsam hier.«

      »Sie will sich an niemand anschließen. In Baden gab es Leute genug, meine Schwester hat sich die größte Mühe gegeben, alles umsonst.«

      »Unter einem schweren, tief empfundenen Drucke schließt man sich auch nicht leicht an fremde Jugend an.«

      Harro springt heftig auf, des Fürsten Gesicht ist wie eine Verbotstafel ... Achtung, Vorsicht, kein Weg!

      »Ich möchte Eurer Durchlaucht etwas zeigen, was mir die Prinzessin gegeben hat. Es ist ein Kunstwert und zugleich ein Dokument. Es hat sich ein Herz mit seinem Schicksal auseinander zu setzen versucht.«

      Und Harro holt die Rolle herbei und breitet das Bildwerk auf der Mahagoniplatte aus, die er vorher von ihrer bunten Decke befreit hat. Der Fürst sah ihn äußerst erstaunt an. War er denn hergekommen, Stickereien anzusehen?

      Aber sofort erkannte er an den leuchtenden Farben und den eigentümlichen Linien, daß er eine Arbeit seiner Tochter vor sich habe.

      Harro atmet tief: »Es ist eine große, große Arbeit, und ihre Schönheit spricht für sich selbst. Es sind gewiß Tausende und Tausende von Stichen dazu nötig gewesen.«

      »Sie ist sehr geschickt. Ja, es ist schön. Aber etwas Düsteres hat es doch. Sie nennen es ein Kunstwerk, – Sie müssen das ja wissen – ich finde das schwarze Band in der Mitte seltsam hart.«

      »Durchlaucht, zuerst die Einfassung.

      Die einzelnen Rosenblätter, dunkle samtne, zarte rosige, fröhliche gelbe, warme rote wie junges Blut, sie alle fallen, gleiten, tropfen von den goldenen Herzen und schneien herab auf den Rand. Die eine Rose dort, ein Blättchen scheint sie noch festzuhalten, – aber wenn man genau sieht, so ist sein grünlich weißes Ende auch schon gelöst, mit den andern wird es heruntergleiten. Alle Freude, alle Liebe, alle Fröhlichkeit verweht, vergangen, verglüht, wie welke Rosenblätter, die jetzt noch leuchten und dann am Boden vergehen. Es hängen Tauperlen daran wie Tränen. Wo die leeren Rosenkelche mit ihren noch so goldenen, noch gar nicht entfärbten Herzen sitzen, das Dorngeranke.

      Wie die Zweige mit ihren spitzen langen Dornen ineinander gewunden, gebogen, geschlungen sind. Und da ist der kleine, – man sieht ihn zuerst kaum – der blaue, zarte Schmetterling, man nennt ihn Bläuling und in der Schweiz Seelchen, weil er so zart und lieblich ist. – Wie er eingeschlossen ist, dort wo die Zweige sich begegnen und einen dornenbewehrten Ring bilden. Dort noch einmal das Seelchen und dort wieder. – Hier hängt es noch zuletzt. Es ist kaum mehr zu sehen, zerfetzt die feinen Flügel, das schöne wundervolle Blau, das tiefe, freundliche, getrübt.«

      Der Fürst folgt ihm mit den Augen.

      »Der arme Schmetterling, man wird ihn kaum gewahr in dem Linienreichtum.«

      Er braucht nun nicht mehr zu fragen, warum er das ansehen muß, und darf den Mann da vor ihm nicht mehr aufdringlich und taktlos schelten.

      »Und das schwarze Band?«

      »Ich habe einmal mit der Prinzessin ein Bild angesehen, in einem orbis pictus, den Herr Domänenrat ausgegraben hatte. Es war ein englischer Ritter mit blauweißer Helmzier, der auf seinem Schild einen schwarzen Schrägbalken trug.

      Die Prinzessin rief: ›O der Arme! Er hat seine Ehre verloren, und nun will er noch kämpfen, und niemand will seinen Handschuh aufnehmen.‹

      Ich weiß nicht, warum ich damals nicht erklärte, was das Zeichen auf einem englischen Wappen – die Bastarde tragen es – bedeutet. Es wäre auch etwas schwierig gewesen. So blieb der Schrägbalken für die Prinzessin das Zeichen verlorener Ehre.

      Durchlaucht erinnern sich der Geschichte vom Ehrenwort ...

      Da liegt nun der Schrägbalken, es ist nicht ein aufgenähtes Band, wie man meinen könnte, es ist mit unzähligen feinen Stichen hineingenäht.

      Jeder Stich hat wohl weh getan.

      Und

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