Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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hast du's gemacht, daß du endlich meine blöde eingeschlossene Seele berührt hast,« flüstert er.

      »Ich fand dich – Harro; vielleicht, weil es Weihnacht war, dachtest du an mich und bist mir ein weniges entgegengekommen. Und meine Augen trafen die deinen ... wie damals über den Rand der Schale hinweg.«

      »Ich war wie ein Narr. Ich suchte den Hof mit dem Efeubrunnen ab, der doch keinen Ausgang hatte. Ich lief auf die Straße. Ich kam wieder in mein Atelier zurück und rannte hin und her, bis mein Fuß an meinen Koffer stieß. Da kam ich zur Besinnung. Ich warf meine Sachen in den Koffer hinein. Ich wußte ja, wo du seiest, du bist ja unseren Zeitungen so wichtig. Ich bekam einen Zug, einen Bummelzug schlimmster Sorte, mit dem es ein Elend war zu fahren. Ich weiß selbst nicht, wie mir zumute war, als mich der Zug hier aussetzte. Was wollte ich denn hier? Aber wissen, wo du wohntest, das wollte ich wenigstens. Und da trafen mich die Herren. – O Seelchen, was hast du getan? Das hat dich ein Stück Leben gekostet. Und du findest dich noch nicht recht zurück.«

      »Ein wenig Freiheitsluft habe ich gekostet – und nun ist's schwer, und was vor mir liegt, auch.« »Rosmarie, warum? Tut dir dein Vater nicht alles zuliebe? – Der hat ja so an dir gehangen. Sieh doch die schöne Sonne, und wie das warme Rot auf deinen Händen glüht. Und in ein paar Wochen kommt der Frühling übers Meer, dann kannst du ihn sehen, wie er bei sich zu Hause ist.«

      »So viel Schönes. Aber ich muß mich erst wieder freuen lernen. So viel Schönheit allein sehen, das bedrängt auch. Und ich überfreue mich gleich, weil ich nichts mehr gewöhnt bin. Und ob ich wieder gesund werde? Es ist mir nicht so zumute. Das wäre ja das schlimmste nicht. Ich müßte dann nicht auf die schrecklichen Bälle und Gesellschaften, vor denen ich mich schon jahrelang fürchte, und bliebe immer in Brauneck. Harro, nicht die mindeste Taille ist an mir zu finden, wo die Schneiderin auch mißt, und meine Entenfüße –!«

      Plötzlich lacht Harro sein gutes schallendes Lachen, und ganz fein stimmt ihr klingendes Feenglöckchen mit ein.

      »Mama sagt zwar, an Tänzern würde es mir nie fehlen; weil ich eine Prinzessin bin, dürfte ich die Herren befehlen, daß sie mit mir tanzen. Und dann müßte ich doch von jedem denken, wie er sich nun ärgert. Du lachst, Harro, aber wenn du es nicht aus Mitleid tätest und alter Freundschaft, wolltest du denn mit einer Dame tanzen, die keine rechte Mitte hat und auf Entenfüßen geht?«

      »Du konntest recht gut tanzen auf deinen Entenfüßen, weißt du nicht mehr, das Finkentänzchen und den Lilientanz?«

      »Ja, und, Harro, auf Mama muß ich mich auch wieder einrichten.«

      »War sie unfreundlich gegen dich ... ich meine vor der schlimmen Geschichte?«

      »Du hast sie gemalt, Harro. So wie sie ist, hast du sie gemalt. Weißt du nicht mehr, das kleine grausame aufsteigende Lächeln? Sie spielt eben Katze und Maus mit mir.«

      »Ach, das ist schlimm. Sehr schlimm. Davon wußte ich nichts. Sie kümmerte sich ja nicht gerade viel um dich, aber deinen Willen ließ sie dir doch in erstaunlicher Weise.« »Du meinst, meinen Schuhen und Kleidern? Ja, weißt du, sie fand sie selbst so häßlich und lächerlich, und ich habe alles auch immer mehr ins Plumpe getrieben; so war ich am ehesten vor ihr sicher. Und ich bin ja auch häßlich genug geworden, nur meine Haare sind schön, und wie sie die haßt!

      Über meinen Haaren ging es auch an in jener Nacht. Ich hätte sie auch nicht herunterlassen dürfen, wenn mir der Kopf auch noch so weh tat: ich wußte ja, wie das sie reizt.

      Und das wird nun mein Leben: wenn ich bei meinem Vater bleiben will, muß ich die arme Maus sein. Und übel zerkrallt und zerzaust werd ich da in meinem Winkel sitzen. Und doch muß ich's versuchen, dem Vater zulieb.

      Denn leidet er nicht selbst? Hat man je eine Freude oder ein Interesse an den Dingen, die ihn freuen? Ich habe doch von dir einiges gelernt über das schöne Bauen und viele Bücher darüber gelesen und noch mehr sehen gelernt. Und Vater hat von jeher Freude gehabt an seinen alten Schlössern. Aber immer, was ihm gefiel, sollte dann ein Anbau und stillos sein, und da wurde er unsicher, und seine Freude traute sich nicht mehr heraus. Und nun, seit ich mit ihm studiere, – du würdest dich wundern über sein feines Verständnis.

      Aber Mama kann nicht von alten Schlössern hören. Alte, häßliche, zugige, geldverschlingende Gespensterburgen sind's. Und alles, was ihn freut, muß ihm vergällt werden. Und so zart ist er mit ihr. Wenn sie einmal zufrieden ist, wie froh ist er. Er bringt auch jedes Opfer und hat immer dabei die stille Hoffnung, es komme mir zugut. Denn er ahnt schon hie und da, wie es mir geht. Aber dann wieder, wenn Mama mit mir zornig ist, so ist's, als gehe das auf ihn über, und das tut mir am allerwehesten. Und er hat ja auch Grund, denn natürlich wäre es ihm lieber, ich wäre wie andere junge Mädchen und hätte Freude an dem, was die freut – an Bällen, und wollte zu Hofe gehen und nicht immer im Winkel sitzen und das häßliche Entlein sein.«

      »Was aus dem geworden ist, weißt du?« Rosmarie lachte. »Aus dem nie ein Schwan wird. – Vielleicht wäre doch einer aus ihr geworden, der armen Rosmarie; denn sie ist, – sie hat, – o Harro, nun werd ich rot. Bitte, sieh mich nicht an oder lache wenigstens nicht, Harro ... Sei so lieb!«

      »Sie hat, Rosmarie ...?« Aber Harro sieht nicht hinweg, gewiß nicht.

      »Nun ...?«

      »Es klingt so anmaßend von einem häßlichen Entlein, aber können nicht häßliche Menschen zuweilen auch schön aussehen?«

      »Das ist sehr leicht möglich,« versichert Harro ernsthaft.

      »So ist's, du weißt immer alles am besten, und darum sage ich es dir. Denke, wie ich erstaunt war, als ich das zum erstenmal merkte. Es war Nacht, und Lisa hatte mir meine Haare gewaschen: das währt immer ein wenig lange, bis sie trocknen, und darüber schickte ich sie zu Bett. So saß ich denn allein da und las und wartete, bis mein Haar trocken genug wäre, daß ich es flechten könne. Ich las ein schönes Buch, das ich liebe: Mörikes Gedichte. Da las ich:

      ›Augen, was habt ihr, ihr Augen ...

       Und du Geist, jetzt noch so wohl behauset da drinnen –‹

      Da sah ich plötzlich in die Höhe, denn ich fühlte, daß ich vor meinem Spiegel saß. Und da trafen mich meine Augen, wie die Augen jenes griechischen Mädchens. Und nie lieb ich es, mein Spiegelbild zu sehen, immer bedrängt es mich. Als sähe ein Geist heraus, der ich bin und doch nicht bin. Als öffne sich eine Kluft, in die nicht gut hineinsehen wäre. – Es sind dumme Gedanken.

      Und diesmal erschrak ich. Es glitt mir kein dunkler Todespfeil an der Schläfe herunter wie der Sappho. Ich sah, daß ich schön sei. Mein Haar, das so leicht und flaumig war, bauschte sich zu beiden Seiten von meinem Gesicht und floß an den Wangen herunter. Damit es mir nicht ganz über die Augen kam, hatte ich eine alte goldene Spange, die ich mir aus Herrn Domänenrats Schränken geholt hatte, aufgesetzt. Sie ist sehr alt, ganz glatt, und Herr Domänenrat sagte mir, daß in früheren Zeiten die Fräulein um diese Spangen Kränze gewunden hatten. War es nun die Form meines Kopfes, die durch die Spange noch mehr herauskam, oder was es nun war, – ich saß und starrte mein Bild an und verwunderte mich. Und damals fing auch gleich mein Unglück an.

      Plötzlich kam Mama herein in ihrer prachtvollen Hoftoilette, Federn und eine Diamantentiara auf dem Kopfe – eben kam sie zurück und fragte, warum ich noch Licht hätte? Und was ich für verrückte Dinge mit goldenen Kronen triebe?

      So böse hatte ich sie nie gesehen! Sie war noch schlimmer als dein Bild. Sie riß mir die Spange vom Kopfe herunter und sehr viel Haare mit und warf die Spange auf den Boden und zertrat

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