Eine Mutter. Gerstäcker Friedrich

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Eine Mutter - Gerstäcker Friedrich

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keine Bewegung,« ermahnte sie ihr Gatte, »es sind Monfords!«

      »Meine...«

      »Bst, mein Schatz,« warnte Felix rasch, »wir können ihnen nicht mehr ausweichen. Hänge Dich nur fest an meinen Arm.«

      Der Wagen hatte sie erreicht und fuhr unmittelbar an ihnen vorüber. Nur der Graf und die Gräfin saßen im Fond desselben. Er, der Graf, mochte ein Herr hoch in den Sechzigen sein, mit weißem, vollem Haar und einem wohlgepflegten Schnurrbart.

      Seine Frau, eine Dame von vielleicht einigen vierzig Jahren, stattlich und vornehm, in eleganter, aber nicht überladener Toilette, während der Graf selber nur eine Jagdjoppe mit grünem Kragen trug, lehnte nachlässig neben ihm und betrachtete die an ihrem Wagen vorbeidrängenden Menschen durch ihre Lorgnette.

      Graf Rottack, der noch immer sein kleines Töchterchen auf dem Arm trug, grüßte, und Helene, die zitternd an seinem Arme hing, verneigte sich ebenfalls. Graf Monford, den jungen Mann erkennend, dankte freundlich, während die Gräfin nur eben die Lorgnette von ihrem Auge entfernte und langsam das Haupt neigte.

      Die Gräfin mußte einmal bildschön gewesen sein – sie war es selbst jetzt noch und schien das auch zu wissen – aber der Wagen passirte, und Graf Rottack, der sich erst umsah, ob er auch die Seinen bei einander habe, schritt jetzt mit Helenen über die Straße, um aus dem Menschenschwarm hinaus zu kommen. Dort übergab er sein kleines Töchterchen der Wärterin.

      »Kanntest Du den Herrn?« sagte im Wagen Graf Monford zu seiner Gattin, als sie vorübergefahren.

      »War das nicht der Graf Rottack, der uns einmal vor einiger Zeit besucht?«

      »Ganz recht, mit seiner jungen Frau wahrscheinlich. Er hat sich ja hier angekauft. Ein hübsches Paar.«

      »Aber die Frau scheint sehr kränklich, sie hatte keinen Blutstropfen im Gesicht.«

      »Möglich, vielleicht angegriffen von der Reise. Es kann auch sein, daß er sie gerade aus Gesundheitsrücksichten hierher gebracht. So viel ich weiß, ist es eine Amerikanerin.«

      »Aus Amerika?«

      »Er war ja selber lange dort...«

      Die Unterhaltung wurde hier abgebrochen. Die Gräfin hing ihren eigenen Gedanken nach, und der Graf richtete sich auf, um nach den Pferden zu sehen, indem das Handpferd vor einem vorüberziehenden Kameel scheute und nur schwer wieder beruhigt werden konnte.

      Sprachlos hing indes Helene an des Gatten Arm und mußte ihre ganze Geistesstärke zusammennehmen, um der Bewegung Herr zu werden, die sie beim ersten Anblick der Mutter ergriffen.

      »Oh, wie kalt, wie stolz sie aussah!« flüsterte sie endlich leise vor sich hin.

      »Beruhige Dich, mein Herz – wie bleich Du nur geworden bist – sei mein starkes Kind. Es wird ja noch Alles gut werden.«

      »Laß mich nur einen Augenblick, Felix!« bat die junge Frau, »es war nur der erste Moment, die erste Überraschung. Sieh', jetzt geht es wieder besser, ich bin ja nur ein thöricht Kind, daß ich mir über das Aussehen der stolzen Frau Sorge machen sollte. Konnte sie denn ahnen, wer an ihrem Wagen stand? Und ihr Antlitz war so lieb und schön – Du hast Recht, Felix: es wird noch Alles gut werden.«

      Mitten im Weg kam ein kleiner, dicker Herr auf sie zu, der, die Hände in den Taschen, einen sehr hohen Cylinderhut auf hatte und, obgleich er sehr anständig und einfach gekleidet ging, doch durch seine Beweglichkeit, mit welcher er den kleinen, runden Körper schwenkte, und durch sein entschieden vergnügtes Gesicht Rottack's Auge für einen Moment auf sich zog. Aber bei solchen Gelegenheiten, wie Jahrmarkt und Vogelschießen, kommen ja oft gar wunderliche Leute zusammen, und er wollte eben mit der Gattin vorübergehen, als des Fremden Blick auf sie fiel.

      Merkwürdig war die Veränderung, die da in dessen Zügen vorging. Im Nu war der kleine vergnügte Mann ganz ernsthaft geworden, ja, sah ordentlich erstaunt aus, riß aber auch im nächsten Augenblick die rechte Hand aus der Hosentasche und den Hut vom Kopf, wobei er eine ordentlich blendende Glatze zeigte, und ging tief grüßend, aber wie verdutzt vorüber.

      Graf Rottack konnte kaum ein Lächeln über den wunderlichen Menschen unterdrücken, aber er dankte freundlich und schritt jetzt in dem hier freier werdenden Weg der gar nicht mehr so fern liegenden Wohnung zu.

      Auch von Helenens Antlitz war jetzt der Schatten gewichen, der sich über ihre lieben Züge gelegt, und die Farbe in ihre Wangen zurückgekehrt. Sie hatte ihr kleines Mädchen, das nicht länger getragen werden wollte, an die rechte Hand genommen, und die Kleine trippelte munter nebenher und zeigte mit dem freien Händchen, fortwährend jubelnd, bald da-, bald dorthin, wo sie etwas Neues und Auffallendes entdeckte.

      »Bitte um Entschuldigung,« sagte in diesem Augenblick, dicht an Graf Rottack's Seite, eine Stimme, und als er den Kopf danach umdrehte, bemerkte er zu seinem Erstaunen den komischen kleinen Fremden, der wieder mit entblößtem Kopf neben ihm stand, oder vielmehr neben ihm herging und, zu ihm aufsehend, fortfuhr: »Ich habe doch das Vergnügen, den Herrn Grafen Rottack zu begrüßen?«

      »Mein Name ist Rottack,« sagte Felix erstaunt, »aber ich weiß nicht...«

      »Und kennen Sie mich nicht mehr? Und die Frau Gräfin auch nicht? Und das?« rief er, indem er seinen Hut wieder aufstülpte, die Füße auseinander spreizte und beide Hände auf die eingebogenen Kniee drückte – »Hurrjeh, das ist schon die kleine Familie?«

      »Jeremias!« rief in dem Augenblick erstaunt Helene aus.

      »Jeremias, bei Allem, was lebt!« lachte jetzt Rottack gerade hinaus, indem er dem kleinen, noch vor den Kindern kauernden Mann die Hand entgegenstreckte. »Mensch, wo kommen Sie auf einmal hergeschneit?«

      »Direct von Brumsilien, Herr Graf,« sagte der kleine Mann mit dem ernsthaftesten Gesicht, indem er sich wieder aufrichtete, die dargebotene Hand derb und herzlich schüttelte und dann eben so ungenirt Helenens freundlich gebotene Rechte nahm – »direct von Santa Clara, aus dem alten Nest, und wahrhaftig, keinem Menschen auf der Welt hätte ich lieber begegnen mögen, als Ihnen Beiden! Der Anblick thut kranken Augen wohl. Und das ist die kleine Familie? Jemine, meine Güte, was für ein paar Puppen; und so geschwinde!«

      Ein Zug von Schmerz war über Helenens Antlitz gezuckt, als der Anblick des Fremden aus der fernen Colonie ihr rasch wieder schon fast vergessene trübe Bilder vor die Seele rief; aber wie eine leichte Wolke strich es darüber hin, und bald lag wieder lichter Sonnenschein auf dem holden Angesicht.

      Sie hatte auch Jeremias immer gern gehabt und wohl gefühlt, daß dem komischen, hastigen Wesen des Mannes ein guter Kern zu Grunde lag, der es treu und ehrlich meinte. Rottack selber war aber hoch erfreut, dem kleinen Manne wieder begegnet zu sein, der ihm Nachricht von vielen Menschen bringen konnte. Übrigens sah er recht gut, daß sich Jeremias, wenn er auch sonst vielleicht noch der Alte geblieben, in seinen Verhältnissen und seinem ganzen Leben sehr gebessert haben mußte.

      Er war nicht allein sehr anständig gekleidet, sondern sah auch adrett und sauber aus. Er trug keinen Goldschmuck irgend welcher Art an sich, aber seine Kleider vom besten Tuch, und schneeweiße Wäsche. Nur in die Glacé-Handschuhe hatten sich die arbeitsharten Hände nicht gewöhnen können, möglich auch, daß vielleicht keine passende Größe aufzufinden gewesen, denn im Innern der Hand waren schon beide aufgeplatzt. Aber seine Bewegungen blieben frei und unbefangen, wie immer.

      »Nun sagen Sie mir aber

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