Eine Mutter. Gerstäcker Friedrich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Eine Mutter - Gerstäcker Friedrich страница 10
Übrigens hatte der Alte ein Recht, sich hier im Park aufzuhalten, denn sein angebliches Geschäft war, die Maulwürfe aus den Wiesen wegzufangen, worin er eine ganz besondere Geschicklichkeit besaß. Auch in der Gegend, in welcher er seit etwa drei Jahren sein Wesen trieb, war er bekannt genug, und das Volk nannte ihn kurzweg den »Maulwurfsfänger«. Sodann führte er auch Gift für Ratten und Mäuse bei sich, wußte Mittel gegen jedes andere Ungeziefer, und die Bauern in der Umgegend ließen es sich außerdem nicht nehmen, daß er »mehr verstehe, als Brod essen«, das heißt, daß er auch mit übernatürlichen Dingen Gemeinschaft pflege und in einer Anzahl von »schwarzen Künsten« erfahren sei, die er, wenn er wolle, sowohl zum Nutzen wie zum Schaden seiner Mitmenschen benutzen könne.
Der gräfliche Revierförster, welcher den Maulwurfsfänger vielleicht schon deshalb haßte, weil ihn dieser immer spöttisch »Herr College« nannte, kam der Sache jedenfalls näher, wenn er den Menschen für einen ganz durchtriebenen Burschen hielt, der sich eben so wenig ein Gewissen daraus gemacht hätte, eine Schlinge für einen Maulwurf wie für einen Hasen oder für ein Reh zu legen; wenigstens hatte er schon einige von diesen angetroffen, ohne aber je dem Thäter auf die Spur zu kommen. War es der »alte Fritz«, wie der Bursche in der Nachbarschaft allgemein mit seinem Vornamen hieß, wirklich gewesen, so wußte er es viel zu schlau anzustellen, als sich von einem der Beamten erwischen zu lassen, und da man ihm in der That keine ungesetzliche Handlung nachweisen konnte, gab Graf Monford, dem diese Besitzung gehörte, auch dem Drängen seines Försters nicht nach, dem verdächtigen Gesellen das Betreten des herrschaftlichen Bodens zu verbieten. Er solle nur ordentlich aufpassen, erwiderte er stets dem Förster, und wenn er ihn je einmal ertappe, sei es noch immer Zeit ihn fortzujagen, früher nicht.
Eine Stunde mochte der Mann etwa so unter der alten Erle gesessen und geangelt haben, und hatte eben wieder einen starken Fisch herausgebracht, als der Spitz oben leise knurrte.
»Bravo, mein Hundchen,« lachte der Alte vor sich hin, »und gerade zur rechten Zeit, denn dem Platz hier muß ich doch jetzt ein paar Tage Ruhe geben.«
Mit diesen Worten schlachtete er seine zappelnde Beute ab, schob sie zu den Übrigen in den Ranzen, vertilgte dann rasch soviel als möglich alle Spuren, die da unten seine Beschäftigung hätten verrathen können, und richtete sich vorsichtig in die Höhe. Er brauchte auch nicht lange umher zu suchen, von welcher Seite Jemand nahe, denn der Kopf seines klugen Hundes gab ihm dafür die genaue Richtung an, und dort hinüber sehend, erkannte er bald, daß er von diesem Störenfried nichts zu fürchten habe.
Es war ein sehr elegant, fast etwas auffällig gekleideter Herr, eine Persönlichkeit wie aus einem Modejournal herausgeschnitten, mit sorgfältig gepflegten Locken, kleinem, sehr zierlichem Schnurrbart, Glanzstiefeln, kurz Allem, was dazu gehört. Was sich aber nicht gehörte, war, daß er nicht auf dem Wege her, wo die Thür lag, sondern quer über die Wiese kam, also jedenfalls über den Drahtzaun gestiegen sein mußte. Eben so wenig schien er auf einem gleichgültigen Spaziergang begriffen, sondern weit eher Jemanden zu suchen oder zu erwarten. Dem schlauen Maulwurfsfänger konnte es wenigstens nicht entgehen, daß er sich vorsichtig nach allen Seiten umsah und seine Richtung so über die Wiese nahm, um fortwährend durch die Büsche und Baumgruppen gegen einen Blick von den oberen Schloßfenstern gedeckt zu bleiben.
»Spitz, komm 'runter,« flüsterte der Alte jetzt seinem Hunde zu, denn er hatte seinen Plan geändert, das Versteck zu verlassen, und schien vor der Hand einmal abwarten zu wollen, was der fremde Herr hier im Schilde führe. Möglich auch, daß er selber nicht von ihm gesehen zu werden und deshalb nur noch seine Zeit abzupassen wünschte, um ihn erst hinter die eine oder die andere Baumgruppe zu lassen – und doch war wohl hier nur sehr wenig Gefahr vorhanden, daß der feine Stutzer ihn verrathen oder selbst nur ahnen konnte, was er da getrieben.
Der Spitz gehorchte übrigens augenblicklich. Wie ein Fuchs drückte er sich auf den Boden und kroch dicht an den Wurzeln der Erle hin bis hinter den Stamm, von wo er auf das unmittelbare Flußufer hinabsprang. Hier allerdings schnüffelte er erst einmal nach den, wenn auch vertilgten Blutspuren der abgeschlachteten Fische hin; dann drehte er sich ein paar Mal im Sande herum, bis er die richtige Stellung gefunden hatte, und legte sich zusammengerollt ruhig nieder. Er wußte, daß seine Dienste vor der Hand nicht weiter in Anspruch genommen wurden.
Der Maulwurfsfänger hatte indessen, ohne weitere Notiz von seinem Hund zu nehmen – das Kinn auf die zusammengestellten Fäuste gestützt – die Bewegungen des Nahenden über die Uferbank hin eine ganze Weile beobachtet. Er wußte dabei recht gut, daß er selber nicht gesehen werden konnte, denn seine graue Mütze und sein graues Haar verschwanden auf die Entfernung völlig in der Erdfarbe des Bodens. Plötzlich aber stahl sich ein grimmes Lächeln über seine Züge, denn vom Schloß herunter entdeckte er durch die Büsche ein lichtes Frauenkleid, das mit dem Besuche augenscheinlich in Zusammenhang stand.
Der Alte hatte nun allerdings vortreffliche Augen, schien sich aber hier doch nicht allein auf diese verlassen zu wollen, sondern griff in die Brusttasche und holte von dort ein kleines Teleskop hervor, das er auseinander zog und auf die nahende Dame richtete. Nur wenige Secunden sah er aber aufmerksam hindurch, als er auch schon leise vor sich hin pfiff und dann lachend murmelte:
»Sieh, sieh, sieh, Comtesse Paula, auch schon auf der Jagd, und noch dazu, wie es scheint, auf verbotenem Wilddiebstahl – was man doch nicht Alles erlebt, wenn man alt wird! Und wer zum Henker ist denn nur der feine Herr, der nicht offen in's Schloß kommen darf, sondern hinten herum über die Zäune steigen muß, um von der verbotenen Frucht zu naschen? Hm, das Gesicht kenne ich nicht,« setzte er leise hinzu, als er das Glas dort hinüber gerichtet hatte. »Geschniegelt und gebügelt genug sieht er aus, um da oben hinein in die Gesellschaft zu passen, mit goldenen Ketten und Ringen und allem möglichen Firlefanz; wird ihm aber wohl am Besten fehlen, am alten Adel. Ja, mein Schatz, da mußt Du Dir freilich die Graupen nach der jungen Gräfin Monford vergehen lassen, oder...«
Er brach kurz ab, drehte sich um, kauerte sich wieder am Wasser nieder und starrte wie in alte Erinnerungen versunken auf die blitzende Fläche, aber ein höhnisches, ordentlich unheimliches Lächeln zuckte um seine Lippen.
»Puh,« sagte er endlich und blies den Qualm seiner Pfeife in einer dichten Wolke von sich, »es giebt nichts Neues mehr auf der Welt, Alles schon da gewesen, Alles; wird ordentlich langweilig, hier oben noch länger herum zu trampen. Komm, Spitz, wir wollen machen, daß wir nach Hause kommen, was geht's uns Beide an?«
Damit schob er seine Angelruthe wieder sorgfältig zusammen und schraubte die Zwinge fest. Der Spitz hatte sich aufgerichtet und benutzte die ihm gegönnte freie Zeit, um sich erst hier unten am Wasser noch ein paar übrige Flöhe abzukratzen. Sein Herr sah indessen noch einmal über die Uferbank, ohne jedoch das Teleskop mehr zu Hülfe zu nehmen.
Die jungen Leute hatten sich richtig gefunden; die Dame lehnte im Arm des Fremden, das Haupt an seiner Brust, und während er sie mit dem rechten Arm unterstützte, führte er sie auf einem der kleinen Pfade hin, die sich durch die verschiedenen Baumgruppen schlängelten. Dort drinnen ließ sich von hier aus nicht einmal mehr das lichte Kleid der Dame erkennen, und der Maulwurfsfänger faßte ohne Weiteres seinen daran schon gewöhnten Hund auf, hob ihn in die Höhe, warf ihn auf die Uferbank und kletterte ihm dann selber nach, um in die Stadt, wo er seine Wohnung hatte, zurückzukehren.
Er hielt aber dabei eben so wenig den Pfad, wie der junge Herr vorher, sondern schlenderte, von dem Hunde gefolgt, der Schwanz und Ohren hängen ließ, als ob er nicht Drei zählen könnte, quer über die Wiese, und zwar gerade dem Bosquet zu, in welchem die beiden Liebenden verschwunden waren. Er that das aber nicht etwa aus Neugierde, sondern sein nächster Weg lag gerade dort hindurch, und er hielt sich auch nicht einmal mehr im Gehen auf. Nur den Blick warf er, auch mehr aus alter Gewohnheit, suchend umher; aber von dem Pärchen war nichts mehr zu erkennen, und bald darauf betrat er wieder die Wiese, die ihn unten am