Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf. Selma Lagerlöf

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Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf - Selma Lagerlöf

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in Sümpfe, wurden von Räubern geplündert oder von wilden Tieren gejagt. Aber auch die Leute, die außerhalb des Waldes wohnten und sich nie dahinein wagten, hatten Ärger von ihm, denn beständig kamen Bären und Wölfe aus dem Kolmård herab und nahmen ihr Vieh. Und es war unmöglich, die wilden Tiere auszurotten, so lange sie sich in dem dichten Walde verstecken konnten.

      Es herrscht kein Zweifel darüber, daß sowohl die Ostgotländer als auch die Sörmländer den Kolmård gern los sein wollten, aber damit ging es nur langsam, solange anderwärts brauchbarer Boden war.

      Nach und nach fing man doch an, ihn zu bewältigen. Auf den Bergabhängen rings um den Hochwald selbst wuchsen Höfe und Dörfer empor. Der Wald wurde einigermaßen fahrbar, und bei Krokek, mitten in die ärgste Wildnis hinein, bauten die Mönche ein Kloster, in dem die Reisenden eine sichere Zufluchtsstätte fanden.

      Der Wald blieb aber trotzdem mächtig und gefährlich, bis ein Wanderer, der in das tiefe Dickicht hineingedrungen war, eines Tages zufällig entdeckte, daß Erz in dem Berge war, auf dem der Wald wuchs. Und sobald dies bekannt wurde, eilten Grubenarbeiter und Bergleute in den Wald, um diese Schätze zu finden.

      Und nun kam das, was die Macht des Waldes brach. Die Menschen schaufelten Gruben, sie bauten Schmelzöfen und Bergwerke in dem alten Walde. Aber das hätte dem Walde keinen ernsten Schaden zuzufügen brauchen, wenn nicht eine so ungeheure Menge Holz und Kohle zu dem Bergwerkbetriebe erforderlich gewesen wäre. Köhler und Holzhauer hielten ihren Einzug in den alten düstern Urwald und machten ihm so ungefähr den Garaus. Rings um die Bergwerke herum wurde er abgehauen, und dort machte man den Erdboden urbar für Ackerland. Viele Ansiedler zogen da hinauf, und bald standen mehrere neue Dörfer mit Kirche und Pfarrhof dort, wo bisher nur der Bär sein Winterlager gehabt hatte.

      Selbst da, wo sie den Wald nicht ganz ausgerodet hatten, fällten sie alle alten Bäume und hauten Wege durch die dichte Wildnis. Überall wurden Wege angelegt, und die wilden Tiere und die Räuber verjagt. Als die Menschen endlich Herren über den Wald wurden, gingen sie entsetzlich übel damit um: sie hauten Bäume um, brannten Kohlen und zerstörten alles rücksichtslos. Sie hatten ihren alten Haß gegen den Wald nicht vergessen, und nun hatte es den Anschein, als wollten sie ihn ganz vernichten.

      Es war ein Glück für den Wald, daß nicht so übermäßig viel Erz in den Kolmårdengruben gefunden wurde, so daß die Arbeit und der Werkbetrieb bald abnahmen. Da hörte auch das Kohlenbrennen auf, und der Wald durfte sich ein wenig verschnaufen. Viele, die sich in den Kolmårdendörfern niedergelassen hatten, wurden arbeitslos und hatten ihre liebe Not, das Leben zu fristen, aber der Wald begann von neuem zu wachsen und sich auszubreiten, so daß die Höfe und Bergwerke darin lagen wie Inseln im Meer. Die Bewohner des Kolmård versuchten es mit Ackerwirtschaft, aber ohne sonderliches Ergebnis. Die alte Walderde wollte lieber Königseichen und Riesenfarnen hervorbringen als Rüben und Korn.

      Und nun betrachteten die Menschen den Wald mit finstern Blicken; er wurde kräftiger und üppiger, während sie mehr und mehr verarmten, aber schließlich kamen sie auf den Gedanken, ob nicht auch etwas Gutes an dem Walde sein könne. Vielleicht konnten sie ihr Auskommen durch den Wald finden? Auf alle Fälle würde es sich verlohnen, zu versuchen, ob man nicht etwas aus ihm herausbringen konnte.

      Und so begannen sie denn, Bauholz und Brennholz aus dem Walde zu holen und es an die Bewohner der Ebene zu verkaufen, die ihre Wälder bereits abgeholzt hatten. Bald wurde es ihnen klar, daß wenn sie es nur vernünftig anstellten, sie ebensogut von dem Wald wie von dem Feld und von den Gruben leben konnten. Und da sahen sie ihn denn mit anderen Augen an als bisher. Sie lernten, ihn zu schonen und zu lieben. Sie vergaßen ganz die alte Feindschaft und betrachteten den Wald als ihren besten Freund.

      Karr.

      Ungefähr zwölf Jahre bevor Niels Holgersen seine Reise mit den Wildgänsen angetreten hatte, geschah es, daß ein Grubenbesitzer im Kolmård gern einen seiner Jagdhunde los sein wollte. Er schickte zu seinem Holzwärter, erzählte ihm, daß es unmöglich sei, den Hund zu behalten, weil man es ihm nicht abgewöhnen könne, die Schafe und Hühner zu jagen, deren er ansichtig wurde. Er bat den Holzwärter, den Hund mit in den Wald zu nehmen und ihn zu erschießen.

      Der Holzwärter band dem Hund einen Strick um den Hals, um ihn in den Wald hinaus an eine Stelle zu bringen, wo die alten Hunde vom Herrenhof erschossen und eingegraben zu werden pflegten. Er war ein gutmutiger Mann, aber trotzdem war er sehr froh darüber, daß er den Hund totschießen sollte, denn er wußte sehr wohl, daß er nicht nur Schafe und Hühner jagte. Gar oft war er im Walde und ergatterte einen Hasen oder einen jungen Birkhahn.

      Der Hund war klein und schwarz, gelb an der Brust und mit gelben Vorderpfoten. Er hieß Karr und war so klug, daß er alles verstehen konnte, was die Menschen sagten. Als der Holzwärter mit ihm abzog, wußte er sehr wohl, was seiner harrte. Aber niemand sollte ihm das ansehen. Er ließ den Kopf nicht hängen und steckte auch den Schwanz nicht zwischen die Beine, sondern sah so vergnügt aus wie immer.

      Wir werden gleich erfahren, warum sich der Hund so in acht nahm zu zeigen, daß er bange war. Zu allen Seiten rings um das alte Bergwerk erstreckte sich nämlich ein großer, mächtiger Wald, und dieser Wald war unter Tieren und Menschen bekannt, weil die Besitzer seit einer Reihe von Jahren so besorgt um ihn gewesen waren, daß sie nicht einmal Bäume zu Brennholz hatten fällen lassen. Sie hatten es auch nicht übers Herz bringen können, ihn auszuholzen oder zu kappen, sondern hatten den Wald wachsen lassen, wie er wollte. Es war aber ganz selbstverständlich, daß ein Wald, der so geschont wurde, eine beliebte Zufluchtsstätte für die Tiere werden mußte, und die waren denn auch in großen Mengen dort vorhanden. Unter sich nannten sie ihn den Hegewald, und sie betrachteten ihn als den besten Aufenthaltsort, den sie im ganzen Lande hatten.

      Während der Hund durch den Wald gezogen wurde, dachte er daran, daß er ein Schrecken für alle die kleinen Tiere gewesen war, die dort wohnten. »Es würde sicher Freude ringsumher im Dickicht herrschen, wenn sie wüßten, was deiner harrt, Karr,« dachte er. Aber er wackelte mit dem Schwanz und stimmte ein fröhliches Gebell an, damit niemand sagen sollte, daß er ängstlich oder mutlos sei.

      »Welch Vergnügen ist denn auch noch am Leben, wenn ich nicht hin und wieder einmal jagen kann!« sagte er. »Bereue, wer Lust dazu hat; ich spüre keine Lust!«

      Aber im selben Augenblick, als der Hund das zu sich sagte, ging eine merkwürdige Veränderung mit ihm vor. Er reckte Kopf und Hals in die Höhe, als habe er Lust zu heulen. Er lief nicht mehr neben dem Holzwärter her, sondern hielt sich hinter ihm. Offenbar war ihm etwas Unangenehmes eingefallen.

      Es war zu Anfang des Sommers. Die Elchkühe hatten kürzlich ihre Jungen zur Welt gebracht, und am vorhergehenden Abend hatte der Hund das Glück gehabt, ein kleines Elchkalb, das kaum mehr als fünf Tage alt war, von seiner Mutter zu trennen und es in ein Moor hineinzutreiben. Dort hatte er das Kalb zwischen den Grashügeln hin und her gejagt, eigentlich nicht, um es zu fangen, sondern nur um sich an seiner Angst zu weiden. Die Elchkuh wußte, daß das Moor jetzt, sobald nach der Schneeschmelze grundlos war und ein so großes Tier wie sie nicht tragen konnte, deswegen blieb sie am Ufer stehen, solange sie es aushalten konnte. Als Karr das Kalb aber weiter und weiter hinausjagte, ging die Elchkuh plötzlich auf das Moor hinaus, jagte den Hund weg, nahm das Kalb mit und machte sich wieder auf den Weg an Land. Sie hatte fast das Ufer erreicht, als ein Grasbüschel, auf den sie den Fuß gesetzt hatte, plötzlich in dem Schlamm versank und sie mit in die Tiefe hinabriß. Sie strengte sich an, wieder in die Höhe zu kommen, konnte aber nicht Fuß fassen und sank tiefer und tiefer hinab. Karr stand da und sah zu und wagte kaum zu atmen, als es ihm aber klar wurde, daß die Elchkuh sich nicht zu retten vermochte, lief er davon, so schnell seine Füße ihn tragen konnten. Er dachte an alle die Prügel, die er bekommen würde, sobald es herauskam, daß er eine Elchkuh ins Moor hinausgelockt hatte, und er wurde so bange, daß er nicht still zu stehen wagte, ehe er zu

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