Verlorene Illusionen. Оноре де Бальзак
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Apotheke von Postel
Chardon Nachfolger.
Der Name seines Vaters, der so an einer Stelle geschrieben stand, an der alle Wagen vorbeifuhren, tat ihm in den Augen weh. Am Abend, wenn er seine Tür öffnete, die mit einem kleinen, recht geschmacklosen Gitterwerk geziert war, um nach Beaulieu unter die elegantesten jungen Leute der Oberstadt zu gehen und Frau von Bargeton den Arm zu reichen, hatte er das Missverhältnis zwischen dieser Wohnung und seinem Glücke oft bitter beklagt.
»Frau von Bargeton lieben, sie vielleicht bald besitzen und in diesem Rattennest wohnen!« sagte er sich, als er durch den Hausgang in den kleinen Hof ging, in dem mehrere Bündel gekochter Kräuter an den Mauern aufgehängt waren, in dem der Lehrling die Kochkessel des Laboratoriums scheuerte, in dem Herr Postel, seine Apothekerschürze vorgebunden und eine Retorte in der Hand, ein chemisches Präparat untersuchte, wobei er aber den Laden nicht aus den Augen verlor; denn wenn er sein Präparat noch so aufmerksam ansah, hatte er doch das Ohr bei der Klingel.
Der Geruch von Kamillen, Pfefferminz und verschiedenen andern destillierten Pflanzen erfüllte den Hof und das bescheidene Gemach, zu dem man auf einer steilen Treppe, die statt des Geländers zwei Stricke hatte, emporstieg. Oben war nur ein Mansardenzimmer, das Lucien bewohnte.
»Guten Tag! mein Junge«, sagte Herr Postel, der der richtige Typus des Provinzkrämers war, zu ihm. »Was macht unsere liebe Gesundheit? Ich mache ein Experiment über die Melasse, aber dein Vater wäre nötig, um herauszufinden, was ich suche. Das war ein Prachtkerl! Wenn ich sein geheimes Mittel gegen die Gicht wüsste, könnten wir heute alle beide in der Equipage fahren!«
Es verging keine Woche, in der der Apotheker, der ebenso dumm wie gutmütig war, Lucien nicht einen Dolchstich gab, indem er von der verhängnisvollen Verschwiegenheit zu ihm sprach, die sein Vater über seine Entdeckung bewahrt hatte.
»Ja, es ist ein großes Unglück«, antwortete Lucien kurz. Er fing an, den früheren Schüler seines Vaters furchtbar ordinär zu finden, den er doch früher oft gepriesen hatte; denn mehr als einmal hatte der wackere Postel die Witwe und die Kinder seines frühern Meisters unterstützt.
»Was gibts denn?« fragte Herr Postel und stellte seine Retorte auf den Tisch des Laboratoriums. »Ist ein Brief für mich gekommen?«
»Ja, einer, der wie Balsam duftet! Er ist im Kontor, auf meinem Pult.«
Der Brief von Frau von Bargeton mitten unter den Apothekerflaschen! Lucien stürzte in den Laden.
»Eile dich, Lucien, dein Essen wartet seit einer Stunde, es wird kalt werden«, rief eine angenehme Stimme in sanftem Ton durch ein halbgeöffnetes Fenster. Lucien hörte nicht mehr.
»Ihr Bruder hat den Rappel, Fräulein«, sagte Postel und hob die Nase hoch.
Dieser Junggeselle, der einige Ähnlichkeit mit einem kleinen Branntweinfässchen hatte, auf das die Phantasie eines Malers ein plumpes, gerötetes und blatternarbiges Gesicht gesetzt hätte, nahm, als er Eva erblickte, eine feierliche und liebliche Miene an, die erkennen ließ, dass er mit der Absicht umging, die Tochter seines Vorgängers zu heiraten, ohne dass er mit dem Zwiespalt fertig werden konnte, den die Liebe und das Interesse in seinem Herzen miteinander ausfochten. Daher sagte er zu Lucien oft lächelnd die Worte, die er auch jetzt zu ihm sagte, als der junge Mann wieder bei ihm vorbeikam: »Sie ist ganz reizend, deine Schwester! Du bist auch nicht übel! Euer Vater hat alles gut gemacht!«
Eva war groß, brünett, hatte schwarze Haare und blaue Augen. Obwohl sie Proben eines männlichen Charakters zeigte, war sie sanft, zart und hingebend. Ihre Unschuld, ihr kindliches Wesen, ihre ruhige Fügung in ein Leben der Arbeit, ihre Klugheit, die ohne jede Bosheit war, hatten David Séchard bestricken müssen. So war denn auch von ihrem ersten Beisammensein an eine stille, schlichte Liebe zwischen ihnen entstanden, eine deutsche Liebe, ohne leidenschaftliches Wesen und stürmische Erklärungen. Jeder von beiden hatte im geheimen an den andern gedacht, wie wenn ein eifersüchtiger Gatte sie getrennt hätte, für den dieses Gefühl eine Kränkung gewesen wäre. Alle beide verbargen ihr Gefühl vor Lucien, dem sie vielleicht irgendeinen Schaden anzutun fürchteten. David fürchtete sich, er könnte Eva nicht