Verlorene Illusionen. Оноре де Бальзак

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Verlorene Illusionen - Оноре де Бальзак

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oder unzufrieden war, er lächelte. Er lächelte bei einer Unglücksbotschaft ebensowohl wie bei der Nachricht von einem glücklichen Ereignis. Dieses Lächeln war durch den Ausdruck, den ihm Herr von Bargeton gab, gut für alles. Wenn eine direkte Zustimmung unumgänglich notwendig war, verstärkte er sein Lächeln durch ein freundliches Lachen, und nur im äußersten Notfall gab er ein Wort von sich. Ein Zusammensein unter vier Augen war die einzige Verlegenheit, die sein vegetatives Leben störte; er war dann gezwungen, in der Unendlichkeit seiner inneren Leere nach etwas zu suchen. Meistens zog er sich dadurch aus der Verlegenheit, dass er die naiven Gewohnheiten seiner Kindheit wieder aufnahm: er dachte laut, weihte seinen Partner in die geringsten Kleinigkeiten seines Lebens ein, drückte ihm seine Bedürfnisse, seine kleinen Stimmungen aus, die er schon für Ideen hielt. Er sprach weder vom Regen noch vom schönen Wetter; er machte keinen Gebrauch von den Gemeinplätzen der Unterhaltung, die die Zuflucht der Schwachköpfe sind, er sprach dann vielmehr von intimeren Angelegenheiten des Lebens.

      »Aus Gefälligkeit gegen Frau von Bargeton habe ich diesen Vormittag Kalbfleisch gegessen, das sie gern hat, und habe Magenschmerzen«, sagte er wohl. »Ich weiß das, ich bekomme sie immer davon; woher kommt das?« Oder auch: »Ich werde klingeln und mir ein Glas Zuckerwasser kommen lassen; wollen Sie auch gleich eins?« Oder auch: »Ich werde morgen ausreiten und meinen Schwiegervater besuchen.«

      Diese kleinen Sätze, die keine Diskussion erlaubten, brachten aus dem Partner ein Nein oder ein Ja heraus, und die Unterhaltung lag wieder am Boden. Herr von Bargeton flehte alsdann seinen Besucher um Hilfe an, indem er seine Stumpfnase zur Seite drehte und ihn mit seinen großen glasigen Augen in einer Weise ansah, die bedeuten sollte: »Sie sagten?« Die langweiligen Menschen, die von nichts anderem reden können als von sich selbst, behandelte er sehr zärtlich, er hörte ihnen mit biederer und zarter Aufmerksamkeit zu, und das machte ihn ihnen so wertvoll, dass die Schwätzer von Angoulême ihm heimlichen Verstand zuschrieben und behaupteten, er werde falsch beurteilt. Daher kamen diese Leute auch, wenn ihnen niemand mehr zuhören wollte, zu Herrn von Bargeton, um bei ihm ihre Geschichten oder ihre Betrachtungen zu vollenden, und waren sicher, sein zustimmendes Lächeln zu finden. Da der Salon seiner Frau immer sehr besucht war, fühlte er sich im allgemeinen wohl darin. Er beschäftigte sich mit den kleinsten Einzelheiten: er achtete darauf, wer eintrat, grüßte den Ankömmling lächelnd und führte ihn seiner Frau zu, er lauerte auf die, die fortgingen, gab ihnen das Geleite und empfing ihre Abschiedsworte mit seinem ewigen Lächeln. Wenn die Unterhaltung belebt war und er jeden beschäftigt sah, blieb der glückliche Stumme, wie ein Storch auf seinen Stelzen, auf seinen hohen Beinen aufgepflanzt und gab sich die Miene, als höre er einem politischen Gespräch zu, oder er sah einem Spieler in die Karten, ohne etwas davon zu verstehen, denn er kannte kein Spiel; oder er ging auf und ab, sog dabei den Rauch seines Tabaks ein, schnaufte und verdaute. Anaïs war der strahlende Punkt in seinem Leben, sie gab ihm unendliche Freuden. Wenn sie ihre Rolle als Herrin des Hauses spielte, streckte er sich in einem Lehnstuhl aus und bewunderte sie; denn sie sprach für ihn. Dann wollte er sich das Vergnügen machen, den Sinn ihrer schwülstigen Sätze zu verstehen; und da er sie oft erst lange, nachdem sie ausgesprochen waren, verstand, gestattete er sich häufig ein Lächeln, das einen Eindruck machte wie Granaten, die sich in die Erde gebohrt hatten und nachträglich platzten. Die Verehrung, die er ihr entgegenbrachte, ging überdies bis zur Anbetung. Genügt eine Anbetung nicht, gleichviel von wem und warum, glücklich zu machen? Als eine Frau von Geist und Edelmut hatte Anaïs ihren Vorteil nicht missbraucht. Sie erkannte in ihrem Mann die lenkbare Natur eines Kindes, das nichts anderes verlangt, als beherrscht zu werden. Sie sorgte für ihn, wie man für einen Mantel sorgt: sie hielt ihn sauber, bürstete ihn, verwahrte ihn und ging gut mit ihm um; und da sich Herr von Bargeton gut behandelt, gebürstet und gepflegt fühlte, hatte er für seine Frau eine hündische Liebe gewonnen. Es ist so leicht, ein Glück zu geben, das nichts kostet! Frau von Bargeton kannte kein anderes Vergnügen ihres Mannes als eine gute Tafel und ließ ihm also ausgezeichnete Mahlzeiten vorsetzen; sie hatte Mitleid mit ihm; niemals hatte sie sich über ihn beklagt, und manche Leute, die ihren schweigenden Stolz nicht verstanden, schrieben Herrn von Bargeton verborgene Vorzüge zu. Sie hatte ihn überdies an militärische Disziplin gewöhnt, und der Gehorsam dieses Mannes gegen die Wünsche seiner Frau war unbedingt. Sie sagte zu ihm: »Mach' Herrn Soundso oder Frau Soundso einen Besuch«, und er ging hin wie ein Soldat auf seinen Posten. Er stand unbeweglich vor ihr und präsentierte.

      Es stand gerade jetzt in Frage, diesen Stummen zum Deputierten zu ernennen. Lucien besuchte das Haus noch nicht lange genug, um dahintergekommen zu sein, was hinter diesem unglaublichen Charakter steckte. Herr von Bargeton, der in seinem Lehnstuhl lag und alles zu sehen und alles zu verstehen schien, der mit einer solchen Würde zu schweigen verstand, machte ihm einen höchst imponierenden Eindruck. Anstatt ihn als Prellstein zu nehmen, machte Lucien infolge der Neigung, die phantasievolle Menschen dazu bringt, alles vergrößert zu sehen und allen Gestalten eine Seele zu leihen, aus diesem Edelmanne eine furchtbare Sphinx und hielt es für notwendig, ihm zu schmeicheln.

      »Ich bin der erste«, sagte er und grüßte etwas ehrerbietiger, als es der Wackere von anderen gewohnt war. »Das ist ganz natürlich«, antwortete Herr von Bargeton. Lucien nahm diese Bemerkung als spitzes Wort eines eifersüchtigen Gatten, wurde rot, sah in den Spiegel und suchte sich eine stramme Haltung zu geben.

      »Sie wohnen in Houmeau«, sagte Herr von Bargeton; »die Leute, die weit entfernt wohnen, kommen immer früher als die, die in der Nähe wohnen.«

      »Woher kommt das wohl?« fragte Lucien und nahm eine recht freundliche Miene an.

      »Ich weiß nicht«, antwortete Herr von Bargeton, der in seine Starrheit zurückgefallen war.

      »Sie wollen nur nicht danach suchen«, fing Lucien wieder an. »Ein Mann, der imstande ist, die Bemerkung zu machen, muss auch die Ursache finden.«

      »Ach,« machte Herr von Bargeton, »die letzten Ursachen! Ha, ha!«

      Lucien zermarterte sich das Hirn, um der Unterhaltung weiterzuhelfen, die wieder ins Stocken geraten war.

      »Frau von Bargeton kleidet sich wohl an?« fragte er und wurde zugleich wütend über die Dummheit dieser Frage. »Jawohl, sie kleidet sich an«, antwortete der Gatte mit ruhiger Natürlichkeit.

      Lucien hob die Augen, um die beiden vorspringenden Balken zu betrachten, die in Grau gemalt waren; vermochte aber auf keine Bemerkung zu kommen, mit der er die Unterhaltung hätte fortsetzen können. Doch nicht ohne Schrecken sah er, dass der kleine Kronleuchter mit den alten Kristallgehängen nicht mehr in Gaze eingehüllt war und dass Kerzen darauf steckten. Die Möbelüberzüge waren weggenommen worden, und das rote indische Seidenzeug zeigte seine verblichenen Blumen. Diese Zurüstungen deuteten auf einen außerordentlichen Abend. Dem Dichter kamen Zweifel über die Schicklichkeit seines Anzuges, denn er war in Stiefeln. Mit der dumpfen Starrheit der Furcht betrachtete er eine japanische Vase, die auf einem Pfeilertischchen im Stil Louis XV. stand. Dann bekam er es mit der Angst, er könnte diesem Gatten missfallen, wenn er ihm nicht den Hof machte, und er beschloss zu erforschen, ob der Gute ein Steckenpferd hätte, dem man schmeicheln könnte.

      »Sie verlassen selten die Stadt?« fragte er Herrn von Bargeton und trat wieder zu ihm. »Selten.«

      Wieder trat Schweigen ein. Herr von Bargeton belauerte wie eine argwöhnische Katze die geringsten Bewegungen Luciens, der ihn in seiner Ruhe zu stören drohte. Alle beide hatten Angst voreinander.

      »Sollte er wegen meiner häufigen Besuche Verdacht geschöpft haben?« dachte Lucien. »Er scheint sehr feindselig gegen mich!«

      Zum Glück für Lucien, den die unruhigen Blicke, mit denen Herr von Bargeton, auf und ab gehend, ihn verfolgte, sehr störten, trat der alte Diener, der sich in eine Livree gesteckt hatte, herein und meldete du Châtelet an. Der Baron trat ungezwungen ein, grüßte seinen Freund Bargeton und nickte Lucien mit einer leichten Kopfbewegung zu, die damals in der Mode war, die unser Dichter aber als eine bourgeoise Unverschämtheit

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