Verlorene Illusionen. Оноре де Бальзак

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Verlorene Illusionen - Оноре де Бальзак

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und tat sich riesig viel auf sein musikalisches Talent zugute. Die Eigenliebe hatte ihn auf den Gesang gebracht und ließ ihn nun nicht mehr herunter; er hatte damit angefangen, sich selbst als Sänger zu bewundern, dann hatte er begonnen, von Musik zu sprechen, und schließlich beschäftigte er sich mit nichts anderem mehr. Die Musik war bei ihm eine Art Monomanie geworden; er wurde nur lebhaft, wenn er von Musik sprach; er litt den ganzen Abend über, bis man ihn bat, er möchte singen. Erst wenn er eins seiner Lieder gebrüllt hatte, fing er an zu leben. Er paradierte, er streckte sich, wenn er Komplimente entgegennahm, er spielte den Bescheidenen, ging aber trotzdem von Gruppe zu Gruppe, um sich loben zu lassen; und wenn schließlich gar nichts mehr zu sagen war, kam er wieder auf die Musik zu sprechen, indem er ein Gespräch über die Schwierigkeiten seines Liedes anschnitt oder den Komponisten rühmte.

      Herr Alexander von Brébian, der Held der Tusche, der Zeichner, der die Zimmer seiner Freunde mit abgeschmackten Malereien unsicher machte und jedes Album des Departements verschmierte, begleitete Herrn von Bartas. Jeder von beiden gab der Frau des andern den Arm. Wenn man der chronique scandaleuse glauben wollte, war diese Umstellung eine vollkommene. Die beiden Frauen, Lolotte – Frau Charlotte von Breblan – und Fifine – Frau Iosephine von Bartas –, die sich beide mit nichts weiter beschäftigten als mit einem Busentuch, einem Bänderbesatz oder mit der Zusammenstellung einiger nicht zusammenpassender Roben, waren von der Sehnsucht verzehrt, Pariserinnen zu scheinen, und vernachlässigten ihr Haus, wo alles drunter und drüber ging. Wenn die beiden Frauen, die wie Puppen in zu knapp bemessenen Kleidern eingezwängt waren, eine grelle und bizarre Farbenausstellung zur Schau trugen, gestatteten sich ihre Gatten in ihrer Eigenschaft als Künstler eine provinzmäßige Nachlässigkeit, die sie sehenswert machte. Ihre abgetragenen Röcke gaben ihnen das Aussehen von Statisten, wie sie in kleinen Theatern Leute aus der feinen Gesellschaft darstellen, die an einer Hochzeit teilnehmen.

      Unter den Gestalten, die im Salon landeten, war eine der originellsten der Graf von Senonches, der in der aristokratischen Gesellschaft kurz Jacques genannt wurde, ein großer Jäger, hochmütig, trocken, mit sonnverbranntem Gesicht, liebenswürdig wie ein Eber, misstrauisch wie ein Venezianer, eifersüchtig wie ein Mohr und sehr befreundet mit Herrn du Hautoy, der Francis hieß und Hausfreund war.

      Frau von Senonches – Zéphirine – war groß und schön, aber ihr Gesicht infolge eines Leberleidens stark gerötet; sie machte den Eindruck einer Frau, die große Ansprüche stellt. Ihre feine Taille, ihre zarte Gestalt erlaubten ihr ein schmachtendes Wesen, das affektiert schien, aber nur der Ausdruck der immer befriedigten Leidenschaften und Launen einer Frau war, die geliebt wurde.

      Francis war ein sehr vornehmer Herr, der das Konsulat von Valencia und seine diplomatischen Hoffnungen aufgegeben hatte, um in Angoulême bei seiner Zéphirine zu sein, die auch Zizine genannt wurde. Der frühere Konsul kümmerte sich um den Haushalt, nahm sich der Erziehung der Kinder an, unterrichtete sie in den fremden Sprachen und verwaltete das Vermögen von Herrn und Frau von Senonches mit großer Hingabe. Die Adligen, die Beamten und die Bürger von Angoulême hatten lange über die völlige Eintracht dieser Haushaltung zu dreien geredet; aber auf die Dauer erschien dieses Mysterium von Dreieinigkeit in der Ehe so selten und reizend, dass man Herrn du Hautoy für überaus unmoralisch gehalten hätte, wenn er Miene gemacht hätte, sich zu verheiraten. Überdies fing man an, hinter der außergewöhnlichen Neigung der Frau von Senonches für ein Patenkind, das Fräulein de la Haye hieß und das ihr als Gesellschafterin diente, aufregende Geheimnisse zu wittern; und trotz einiger scheinbarer Unmöglichkeiten in den Daten fand man eine frappierende Ähnlichkeit zwischen Françoise de la Haye und Francis du Hautoy. Wenn Jacques in der Gegend jagte, fragte ihn jeder, wie es Francis gehe, und er erzählte von den kleinen Unpässlichkeiten seines freiwilligen Verwalters, noch bevor er von seiner Frau sprach. Diese Blindheit schien bei einem eifersüchtigen Menschen so seltsam, dass seine besten Freunde sich ein Vergnügen daraus machten, ihn seine Rolle spielen zu lassen, und die, die das Geheimnis noch nicht kannten, auf ihn vorbereiteten, um sie zu amüsieren. Herr du Hautoy war ein gezierter Geck, dessen Besorgnis für seine eigene Person sich ins Affige und Kindische gekehrt hatte. Er beschäftigte sich mit seinem Husten, seinem Schlaf, seiner Verdauung und seinem Essen. Zéphirine hatte ihr Faktotum dazu gebracht, dass er den Menschen mit der schwachen Gesundheit spielte: sie fütterte ihn in Watte, wickelte ihm ein Tuch um den Kopf und gab ihm Tränklein zu trinken. Sie nudelte ihn mit ausgesuchten Gerichten wie ein Schoßhündchen; sie verordnete ihm oder verbot ihm diese und jene Speise; sie stickte ihm Westen, Krawatten und Taschentücher; sie hatte ihn schließlich daran gewöhnt, so hübsche Sachen zu tragen, dass sie ihn in eine Art japanischen Götzen verwandelt hatte. Ihr Einverständnis war übrigens das denkbar vollkommenste: Zizine sah bei jeder Rede Francis an, und Francis schien seine Ideen in den Augen Zizines zu finden. Sie tadelten zusammen, sie lächelten zusammen und schienen sich erst miteinander zu beraten, wenn es auch nur galt, jemandem guten Tag zu sagen.

      Der reichste Grundbesitzer der Gegend, ein Mann, der von allen beneidet war, der Herr Marquis von Pimentel, und seine Frau, die zusammen vierzigtausend Franken Rente hatten und den Winter in Paris verbrachten, kamen in der Equipage vom Lande herein, zusammen mit ihren Nachbarn, dem Baron und der Baronin von Rastignac. Sie waren begleitet von der Tante der Baronin und ihren Töchtern, zwei reizenden jungen Mädchen, die gut erzogen und infolge ihrer Armut mit der Einfachheit gekleidet waren, die die natürliche Schönheit so sehr zur Geltung bringt. Diese Personen, die sicher die Elite der Gesellschaft waren, wurden mit frostigem Schweigen und einem Gemisch aus Achtung und Neid empfangen, insbesondere als man die auszeichnende Art wahrnahm, mit der sie von Frau von Bargeton begrüßt wurden. Diese zwei Familien gehörten zu der kleinen Zahl Menschen, die sich in der Provinz über dem Klatsch halten, in keiner Gesellschaft aufgehen, in stiller Zurückgezogenheit leben und eine imponierende Würde bewahren. Herr von Pimentel und Herr von Rastignac wurden mit ihren Titeln angeredet. Keinerlei Vertraulichkeit zog ihre Frauen oder ihre Töchter in die vornehme Sippe von Angoulême hinein, sie standen dem Hofadel zu nahe, um sich auf die Abgeschmacktheiten der Provinz einzulassen.

      Als die Letzten erschienen der Präfekt und der General, gefolgt von dem Landedelmann, der am Morgen David seine Denkschrift über die Seidenwürmer gebracht hatte. Er war ohne Frage ein ländlicher Amtsvorsteher, der ein schönes Anwesen sein eigen nannte; aber seine Haltung und sein Anzug verrieten, dass er ganz und gar nicht an den Verkehr in der Gesellschaft gewöhnt war; er fühlte sich unbehaglich in seinen Kleidern, er wusste nicht, wo er seine Hände lassen sollte; wenn er mit jemand sprach, ging er im Kreise um ihn herum; er stand auf und setzte sich wieder hin, wenn er auf eine Anrede antwortete; er schien immer geneigt, beim Servieren helfen zu wollen; er war der Reihe nach unterwürfig, unruhig, düster, er hatte es eilig, über jeden Scherz zu lachen, er hörte angestrengt zu wie ein Untergebener, und manchmal nahm er eine tückische Miene an, wenn er glaubte, man mache sich über ihn lustig. Mehrmals am Abend versuchte er, da ihm seine Denkschrift im Kopfe herumging, von Seidenwürmern zu sprechen; aber zum Unglück war Herr von Séverac auf Herrn von Bartas gestoßen, der ihm zur Antwort von Musik sprach, und auf Herrn von Saintot, der ihm Cicero zitierte. Nach einigen Stunden hatte sich der arme Amtsvorsteher schließlich an eine Witwe und ihre Tochter herangemacht, Frau und Fräulein du Brossard, die nicht die zwei uninteressantesten Personen in dieser Gesellschaft waren. Ein einziges Wort sagt alles: sie waren ebenso arm, wie sie adlig waren. Ihre Kleidung verriet so sehr den peinlichen Versuch, vornehm und geschmückt zu erscheinen, dass sie die verschämte Armut offenbarte. Frau du Brossard rühmte in sehr ungeschickter Weise und bei jeder Gelegenheit ihre Tochter, ein großes und starkes siebenundzwanzigjähriges Mädchen, das für eine gute Klavierspielerin galt. Waren heiratsfähige Männer da, so sollte ihre Tochter alle ihre verschiedenen Neigungen teilen, und in ihrem Wunsche, ihre liebe Kamilla unterzubringen, hatte sie an einem und demselben Abend behauptet, Kamilla liebe das unruhige Leben der Garnisonen und das stille Leben der Landwirte, die ihre Güter bestellen. Alle beide hatten die gezierte, sauersüße Würde der Menschen, mit denen Mitleid zu haben alle Welt sich zum Vergnügen macht, für die man sich aus Egoismus interessiert und die den leeren Trostworten auf den Grund gekommen sind, mit denen die Welt mit Vergnügen die Unglücklichen abspeist. Herr von Séverac war neunundfünfzig Jahre alt und kinderloser Witwer; Mutter und Tochter hörten also mit andächtigem Entzücken den eingehenden

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