Verlorene Illusionen. Оноре де Бальзак

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Verlorene Illusionen - Оноре де Бальзак

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war, seine Rolle als Kunstrichter, den nichts in Erstaunen setzt, beizubehalten. »Früher fühlten wir uns in den Ossianischen Nebeln wohl. Da war die Rede von Malwina, Fingal, Wolkenerscheinungen, Kriegsmännern, die aus ihren Gräbern emporstiegen und Sterne über ihrem Haupte hatten. Heutzutage ist dieser dichterische Plunder von Jehova, von Harfen, von Engeln, von den Fittichen der Seraphim ersetzt, von der ganzen Garderobe des Paradieses, die mit solchen Worten wie: ungeheuer, unendlich, Einsamkeit, Geist, wieder aufgefrischt wurde. Das ist ein Apparat mit großen Wassern, Motten Gottes, so eine Art christlicher Pantheismus, der mit mühsam zusammengesuchten exotischen Reimen wie: Babel und Schnabel, Kaba und Saba usw., ausgeschmückt wird. Kurz, der Breitegrad ist ein anderer geworden: früher waren wir im Norden, jetzt sind wir im Osten, aber die Finsternis ist noch ebenso dicht.«

      »Wenn die Ode dunkel ist,« sagte Zéphirine, »so scheint mir doch die Erklärung nicht schwer zu sein.«

      »Und die Rüstung des Erzengels ist ein recht leichtes Musselinkleid«, sagte Francis.

      Die Höflichkeit verlangte zwar, dass man um Frau von Bargetons willen die Ode entzückend fand, aber die Frauen, die sich ärgerten, dass sie nicht auch einen Dichter in ihren Diensten hatten, der sie zu Engeln machte, erhoben sich wie gelangweilt und sagten mit eisiger Miene: »Sehr nett! Hübsch! Recht gut!«

      »Wenn Sie mich lieben, sagen Sie weder dem Verfasser, noch seinem Engel etwas Schmeichelhaftes«, sagte Lolotte mit despotischer Miene, der er gehorchen musste, zu ihrem lieben Adrian.

      »Schließlich sind es Phrasen,« sagte Zéphirine zu Francis, »und die Liebe ist eine Poesie ohne Worte.«

      »Zizine, du hast da eine Sache gesagt, die ich mir auch dachte, aber ich hätte mich nicht so fein ausdrücken können«, gab Stanislaus zurück und musterte sich dabei von Kopf bis zu Fuß mit einem zärtlichen Blick.

      »Ich weiß nicht, was ich gäbe,« sagte Amélie zu Châtelet, »wenn ich den Hochmut dieser Naïs gedemütigt sehen könnte, die sich als Erzengel hinstellen lässt, als ob sie mehr wäre als wir, und uns mit dem Sohn eines Apothekers und einer Wochenpflegerin zusammen zu sein zwingt, dessen Schwester eine Näherin ist und der bei einem Drucker arbeitet.«

      »Sein Vater«, sagte Jacques, »war ein großer Chemiker und Apotheker, er hätte seinem Sohn ein Mittel gegen die Dichteritis eingeben sollen.«

      »Da setzt der Sohn das Handwerk seines Vaters fort; denn was er uns vorgesetzt hat, scheint mir eine Apothekerware zu sein«, sagte Stanislaus und nahm eine herausfordernde Haltung an. »Ich muss sagen, mir schmeckt was anderes besser.«

      In einem Augenblick waren alle darüber einig, Lucien mit irgendeinem Wort aus dem Schatz ihrer Aristokratenironie zu demütigen. Lili, die fromme Frau, hielt es um der Barmherzigkeit willen für notwendig, zu sagen, es wäre Zeit, Naïs aufzuklären, die nahe daran wäre, eine große Torheit zu begehen. Francis, der Diplomat, übernahm es, diese dumme Verschwörung zu lenken, für die sich alle diese kleinen Geister wie für die Lösung des Knotens eines Dramas interessierten und in der sie ein Abenteuer sahen, von dem man am Tage darauf erzählen konnte. Der frühere Konsul, der keine Lust hatte, sich mit einem jungen Dichter schlagen zu müssen, der über ein beleidigendes Wort in Anwesenheit seiner Geliebten in Wut geraten würde, sah ein, dass man Lucien mit einem geweihten Strahl treffen müsse, gegen den keine Rache möglich war. Er folgte dem Beispiel, das ihm der geschickte Châtelet gegeben, als es sich darum gehandelt hatte, Lucien dazu zu bringen, eines seiner eigenen Gedichte vorzutragen. Er ging zu dem Bischof und plauderte mit ihm. Er tat so, als teilte er die Begeisterung, in die die Ode Luciens den hochehrwürdigen Herrn versetzt hatte; dann mystifizierte er ihn, indem er ihn glauben ließ, die Mutter Luciens wäre eine geistig bedeutende Frau mit übergroßer Bescheidenheit und lieferte ihrem Sohn die Themen zu all seinen Gedichten. »Es bereitete«, sagte er, »Lucien das größte Vergnügen, wenn seine Mutter, die er anbetete, nach Verdienst gewürdigt würde.« Nachdem dem Bischof diese Idee einmal eingepflanzt war, überließ sich Francis den Zufällen des Gesprächs, um das verletzende Wort, das er durch den Bischof sagen lassen wollte, herbeizuführen. Als Francis und der Bischof wieder in den Kreis traten, in dessen Mitte Lucien stand, verdoppelte sich die Aufmerksamkeit unter den Personen, die ihm schon in kleinen Zügen das Gift zu trinken gaben. Der arme Dichter, dem die Künste des Salons völlig fremd waren, konnte sich nicht helfen, blickte nur immer Frau von Bargeton an und antwortete dumm auf die dummen Fragen, die ihm gestellt wurden. Er kannte die Namen und Titel der meisten Anwesenden nicht und wusste nicht, was für ein Gespräch er mit Frauen führen sollte, die ihm Albernheiten sagten, deren er sich schämte. Er fühlte sich überdies von diesen großen Menschen des Angoumois um tausend Meilen getrennt, wenn er hörte, wie sie ihn bald Herr Chardon und bald Herr von Rubempré anredeten, während sie sich untereinander Lolotte, Adrian, Astolf, Lili, Fifine nannten. Seine Verlegenheit stieg aufs äußerste, als er Lili für einen Männernamen gehalten und den brutalen Herrn von Senonches Herr Lili angeredet hatte. Der Nimrod unterbrach Lucien mit einem erstaunten »Herr Lulu?« und Frau von Bargeton wurde rot bis über die Ohren.

      »Man muss sehr verblendet sein, um diesen kleinen Bürgersmann hierher und in unsere Gesellschaft zu bringen!« sagte Herr von Senonches halblaut.

      »Frau Marquise,« fragte Zéphirine Frau von Pimentel leise, aber so, dass es gehört wurde, »finden Sie nicht eine große Ähnlichkeit zwischen Herrn Chardon und Herrn von Cante-Croix?«

      »Eine ideale Ähnlichkeit«, antwortete Frau von Pimentel lächelnd.

      »Der Ruhm birgt eine Kraft der Verführung, die man nicht zu leugnen braucht«, sagte Frau von Bargeton zur Marquise. »Es gibt Frauen, die die Größe lieben, wie andere die Kleinheit«, fügte sie hinzu und richtete dabei ihre Augen auf Francis.

      Zéphirine verstand nicht, denn sie fand ihren Konsul sehr groß; aber die Marquise schlug sich auf Naïs' Seite und fing zu lachen an.

      »Sie sind sehr glücklich,« sagte Herr von Pimentel zu Lucien und machte sich dabei ein Vergnügen, ihn zur Abwechslung von Rubempré zu nennen, nachdem er vorher Herr Chardon zu ihm gesagt hatte; »Sie können sich niemals langweilen.«

      »Arbeiten Sie schnell?« fragte ihn Lolotte mit einem Gesicht, mit dem sie einen Tischler gefragt hätte: »Brauchen Sie lange dazu, einen Kasten zu machen?«

      Lucien war von diesem Keulenschlag wie betäubt; aber er hob den Kopf wieder hoch, als er Frau von Bargeton lächelnd antworten hörte:

      »Meine Liebe, die Poesie wächst im Kopf des Herrn von Rubempré nicht wie das Unkraut in unsern Höfen.«

      »Meine Gnädigste,« sagte der Bischof zu Lolotte, »wir können nicht genug Achtung vor den edlen Geistern haben, denen Gott einen seiner Strahlen geschenkt hat. Ja, die Poesie ist eine heilige Sache. Wer Poesie sagt, sagt Leiden. Wie viele stille Nächte haben die Strophen nicht gekostet, die Sie bewundern! Wir wollen den Dichter, der fast immer ein unglückliches Leben führt und für den Gott ohne Zweifel im Himmel unter seinen Propheten einen Platz bereithält, liebevoll aufnehmen. Dieser junge Mann ist ein Dichter,« fügte er hinzu und legte seine Hand auf Luciens Kopf, »sehen Sie nicht etwas wie ein Verhängnis auf dieser schönen Stirn?«

      Lucien war glücklich, so edel verteidigt zu werden, und warf dem Bischof einen liebreichen Blick zu. Er ahnte nicht, dass der würdige Prälat sein Henker werden sollte.

      Frau von Bargeton warf auf den feindlichen Kreis triumphierende Blicke, die sich wie ebenso viele Dolche in die Herzen ihrer Nebenbuhlerinnen senkten, deren Wut sich verdoppelte.

      »Ach, Monseigneur,« antwortete der Dichter und hoffte, diese Dummköpfe mit seinem goldenen Zepter zu treffen, »das gewöhnliche Volk hat weder Ihren Geist noch Ihre fromme Liebe.

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