Verlorene Illusionen. Оноре де Бальзак
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Читать онлайн книгу Verlorene Illusionen - Оноре де Бальзак страница 17
Eva hatte Lucien die Tür schon geöffnet, und er ließ sich schweigend an einem kleinen Tisch ohne Tischtuch nieder, auf dem sein Gedeck lag. Der arme kleine Haushalt besaß nicht mehr als drei silberne Bestecke, die Eva alle für den geliebten Bruder benutzte.
»Was liest du denn da?« fragte sie, nachdem sie eine Platte auf den Tisch gestellt, die sie eben vom Feuer genommen hatte. Zugleich löschte sie mit dem Dämpfer die Flamme ihres kleinen Ofens.
Lucien antwortete nicht. Eva nahm einen Teller, der zierlich mit Weinblättern garniert war, und stellte ihn mit einer Schale voll Rahm auf den Tisch.
»Hier, Lucien, ich habe Erdbeeren für dich.«
Lucien war so in seine Lektüre vertieft, dass er nicht hörte. Eva setzte sich neben ihn, ohne im geringsten ärgerlich zu sein; denn es macht einer Schwester großes Vergnügen, von ihrem Bruder ungeniert behandelt zu werden.
»Aber was hast du denn?« rief sie, als sie Tränen in den Augen ihres Bruders schimmern sah. »Nichts, nichts, Eva«, sagte er. Er legte den Arm um sie, zog sie an sich und küsste sie mit plötzlicher Zärtlichkeit auf die Stirn und die Haare und dann auf den Nacken. »Du verbirgst etwas vor mir?«
»Sie liebt mich!«
»Ich wusste wohl, dass du nicht mich umarmst«, sagte die arme Schwester in schmollendem Ton und wurde rot.
»Wir werden alle glücklich sein«, rief Lucien und aß dabei hastig seine Suppe.
»Wir?« wiederholte Eva, und fügte dann in derselben Ahnung, die sich Davids bemächtigt hatte, hinzu: »Du wirst uns nicht mehr so lieb haben!«
»Wie kannst du das glauben, da du mich kennst?«
Eva drückte ihm die Hand. Dann trug sie den leeren Teller und die braune irdene Suppenschüssel ab und stellte ihm das Gericht hin, das sie für ihn bereitet hatte. Anstatt zu essen, las Lucien den Brief Frau von Bargetons noch einmal, den die zurückhaltende Eva nicht zu sehen verlangte; so viel Achtung hatte sie vor ihrem Bruder: wenn er ihr ihn mitteilen wollte, musste sie warten, und wenn er nicht wollte, konnte sie es verlangen? Sie wartete. Der Brief lautete:
»Mein Freund! Warum sollte ich Ihrem Freund und Studiengenossen die Unterstützung versagen, die ich Ihnen geliehen habe? In meinen Augen sind die Talente gleichberechtigt; aber Sie kennen die Vorurteile der Menschen nicht, die meine Gesellschaft bilden. Wir werden es nicht durchsetzen, dass der Adel des Geistes von denen erkannt wird, die die Aristokratie der Dummheit sind. Wenn ich es nicht vermag, ihnen Herrn David Séchard aufzuzwingen, bringe ich Ihnen gern diese Armseligen zum Opfer. Das wird wie eine antike Hekatombe sein. Aber, lieber Freund, Sie wollen doch gewiss nicht, dass ich jemanden empfange, dessen Geist oder Manieren mir nicht gefallen könnten. Ihre Schmeicheleien haben mich gelehrt, wie leicht die Freundschaft blind ist! Werden Sie mir böse sein, wenn ich an meine Einwilligung eine Bedingung knüpfe? Ich will Ihren Freund sehen, einen Eindruck von ihm bekommen und durch eigenes Urteil im Interesse Ihrer Zukunft feststellen, ob Sie sich nicht täuschen. Ist das nicht eine der mütterlichen Sorgen, die für Sie, mein lieber Dichter, haben muss
Louise von Nègrepelisse?«
Lucien wusste nicht, mit welcher Kunst in der großen Welt das Ja gehandhabt wird, wenn man nein sagen will, und umgekehrt. Dieser Brief war ein Triumph für ihn. David würde zu Frau von Bargeton gehen und da die Majestät des Genies glänzen lassen. In dem Rausch, in den ihn ein Sieg versetzte, der ihn an die Macht seines Einflusses auf die Menschen glauben ließ, nahm er eine so stolze Haltung an, so viel Hoffnungen spiegelten sich auf seinem vor freudiger Erregung strahlenden Gesicht, dass seine Schwester sich nicht enthalten konnte, ihm zu sagen, er wäre schön.
»Wenn sie Geist hat, muss sie dich wohl lieben, diese Frau! Und heute Abend wird sie sich grämen, denn alle Frauen werden sich um dich reißen. Du wirst schön sein, wenn du deinen ›Johannes auf Patmos‹ vorliest. Ich wollte, ich wäre eine Maus, um heimlich dabei sein zu können! Komm, ich habe deinen Anzug im Zimmer unserer Mutter bereitgelegt.«
Dieses Zimmer sprach von verschämter Armut. Es befand sich ein Nussbaumbett darin, über dem weiße Vorhänge angebracht waren und neben dem ein kümmerlicher grüner Teppich lag. Ferner vervollständigten die Einrichtung eine Kommode, über der ein Spiegel hing, und Stühle aus Nussbaumholz. Auf dem Kamin erinnerte eine Standuhr an die Tage des früheren Wohlstandes. Am Fenster hingen weiße Gardinen. Die Wände hatten graue Tapeten mit grauen Blumen. Der Fußboden, den Eva gestrichen hatte und immer putzte, glänzte vor Sauberkeit. In der Mitte des Zimmers stand ein Nipptischchen, auf dem auf einem roten Tablett, das mit goldenen Röschen verziert war, drei Tassen und eine Zuckerdose aus Porzellan von Limoges standen. Eva schlief in einer anstoßenden Kammer, die ein schmales Bett, einen alten Lehnstuhl und ein Nähtischchen nah am Fenster enthielt. Die Enge dieser Kajüte machte es nötig, dass die Glastür immer offen stand, um Luft hineinzulassen. Trotz der Not, von denen die Sachen deutlich genug redeten, zeugten sie von der Bescheidenheit eines arbeitsamen Lebens. Für solche, die die Mutter und ihre beiden Kinder kannten, war es ein Bild rührender Harmonie.
Lucien legte seine Krawatte an, als in dem kleinen Hof der Schritt Davids vernehmbar wurde, und schon trat auch der Buchdrucker mit dem Schritt und der Haltung eines Menschen ein, der es eilig hat.
»Holla,