Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang. Оноре де Бальзак

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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang - Оноре де Бальзак

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Ritter der Ehrenlegion geworden war. Wenn man das innerste Wesen seines Charakters und die Triebfedern zu seinem Aufstieg klar erkennt, wird man auch verstehen, weshalb kommerzielle Unglücksfälle, die selbst bedeutende Köpfe überwältigen, für kleine Geister zu unheilbaren Katastrophen werden. Geschehnisse können nie abgelöst für sich beurteilt werden, ihre Auswirkungen hängen völlig von den betroffenen Individuen ab: das Unglück ist für das Genie ein Schemel, für den Christen ein Bad, für den gewandten Mann ein Schatz, für die Schwachen ein Abgrund.

      Ein Landarbeiter aus der Umgegend von Chinon, namens Jacques Birotteau, heiratete das Kammermädchen der Dame, in deren Weinberg er arbeitete; er hatte drei Söhne, aber bei der Geburt des jüngsten starb die Frau und der arme Mann überlebte sie nicht lange. Die Herrin, die an ihrem Kammermädchen sehr gehangen hatte, ließ Franz, den ältesten Sohn des Arbeiters, mit ihren Söhnen zusammen erziehen und brachte ihn dann in einem Seminar unter. Zum Priester geweiht, musste sich Franz Birotteau während der Revolution versteckt halten und das Leben der herumirrenden Priester, die den Eid nicht leisten wollten, führen, auf die man wie auf wilde Tiere Jagd machte und die um der geringsten Sache willen hingerichtet wurden. Zur Zeit, da diese Geschichte beginnt, war er Vikar an der Kathedrale von Tours und hatte diese Stadt nur ein einziges Mal verlassen, um seinen Bruder Cäsar zu besuchen. Der Lärm in Paris betäubte aber den guten Priester dermaßen, dass er sein Zimmer nicht zu verlassen wagte, die Kabriolets »Halbchaisen« nannte und über alles staunte. Nach einer Woche kehrte er nach Tours zurück und gelobte sich, niemals wieder die Hauptstadt aufzusuchen. Der zweite Sohn des Weinarbeiters, Johann Birotteau, erlangte, zum Militär eingezogen, schnell den Rang eines Hauptmanns während der ersten Revolutionskriege. In der Schlacht an der Trebbia ließ Macdonald Freiwillige vortreten, die eine Batterie stürmen sollten. Der Hauptmann Johann Birotteau ging mit seiner Kompanie vor und fiel. Das Schicksal der Birotteaus wollte offenbar, dass sie überall, wo sie Fuß fassten, entweder von den Menschen oder von den Ereignissen zugrundegerichtet werden sollten.

      Das letzte Kind war der Held dieser Erzählung. Als Cäsar mit vierzehn Jahren lesen, schreiben und rechnen konnte, verließ er seine Heimat und wanderte zu Fuß nach Paris, mit einem Louisdor in der Tasche, um hier sein Glück zu machen. Auf die Empfehlung eines Apothekers in Tours fand er ein Unterkommen als Hausdiener bei den Ragons, Parfümeriehändlern. Cäsar besaß damals ein Paar mit Eisen beschlagene Schuhe, eine Hose, blaue Strümpfe, eine geblümte Weste, eine Bauernjacke, drei grobe Hemden aus guter Leinwand und seinen Reisestock. Wenn auch sein Haar wie das eines Chorknaben geschnitten war, so hatte er doch die festen Knochen eines Tourainers; wenn er sich manchmal der heimatlichen Faulheit überließ, so wurde das wieder wettgemacht durch das Verlangen, sein Glück zu machen; und wenn ihm auch Geist und Erziehung fehlten, so besaß er dafür einen geraden Sinn und ein von seiner Mutter ererbtes zartes Empfinden, einem Wesen, das, nach dem Tourainer Ausdruck, ein »goldenes Herz« hatte. Cäsar erhielt Essen, sechs Franken Lohn monatlich und eine schlechte Matratze auf dem Boden in der Nähe der Köchin; die Kommis, die ihn zum Einpacken und Gängebesorgen, zum Fegen des Ladens und der Straße anlernten, machten sich über ihn lustig, während sie ihn ausbildeten, wie das in den Ladengeschäften üblich ist, wo die Neckerei ein Hauptelement der Lehrlingszeit bildet; Herr und Frau Ragon kommandierten ihn wie einen Hund. Niemand nahm Rücksicht auf die Ermüdung des Lehrlings, wie schauderhaft ihn auch abends die vom Pflastertreten gequetschten Füße und die wie zerbrochenen Schultern schmerzten. Diese raue Lehre des »Jeder für sich«, das Evangelium aller Großstädte, ließ Cäsar das Leben in Paris sehr hart finden. Am Abend weinte er, wenn er an die Touraine dachte, wo der Bauer in Ruhe arbeitet, wo der Maurer den Stein erst zwölfmal herumdreht, bevor er ihn einsetzt, und wo die Faulheit so verständig mit der Arbeit verwoben ist; aber er schlief ein, ohne Zeit zu haben, ein Ausrücken zu überlegen; am nächsten Morgen hatte er schon wieder Gänge zu besorgen, und er tat seine Pflicht mit dem Gehorsam eines Wachthundes. Wenn er sich wirklich einmal beklagte, so lächelte der erste Kommis mit vergnügter Miene.

      »Ja, mein Junge,« sagte er, »es ist nicht alles rosig in der ›Rosenkönigin‹, und hier fliegen einem nicht die Tauben gebraten ins Maul; man muss erst hinter ihnen herlaufen, dann sie packen und schließlich verstehen, sie sich zurechtzumachen.« Die Köchin, eine dicke Pikardin, nahm die besten Stücke für sich und richtete an Cäsar nur das Wort, um sich über die Ragons zu beklagen, die sich nicht bestehlen ließen. Gegen Ende des ersten Monats musste das Mädchen an einem Sonntag das Haus bewachen und begann eine Unterhaltung mit Cäsar. Die sonntäglich gewaschene Ursula erschien dem armen Laufburschen, der ohne diesen glücklichen Zufall an der ersten verborgenen Klippe seiner Laufbahn gescheitert wäre, reizend. Wie alle schutzlosen Wesen verliebte er sich in das erste Weib, das ihm einen freundlichen Blick zuwarf. Die Köchin nahm Cäsar unter ihren Schutz und daraus entstand ein heimliches Liebesverhältnis, über das die Kommis unbarmherzig spotteten. Zwei Jahre später verließ die Köchin Cäsar zu seinem größten Glück wegen eines jungen Drückebergers aus ihrer Heimat, der sich in Paris verborgen hielt, eines zwanzigjährigen Pikarden, der einige Morgen Land besaß und sich von Ursula heiraten ließ.

      Zwei Jahre lang hatte die Köchin ihren kleinen Cäsar gut ernährt, hatte ihn in verschiedene Mysterien des Pariser Lebens eingeweiht, das sie ihn in seiner Tiefe hatte kennen lernen lassen und wobei sie ihm aus Eifersucht einen starken Abscheu gegen die schlechten Orte, deren Gefahren ihr nicht unbekannt zu sein schienen, eingeflößt hatte. Im Jahre 1792 hatten sich die Füße des von ihr verratenen Cäsars an das Pflaster, seine Schultern an die Kisten und sein Geist an das, was er die Pariser »Flunkereien« nannte, gewöhnt. Er war daher, nachdem Ursula ihn verlassen hatte, schnell getröstet, zumal sie in keiner Weise seinem angeborenen Gefühl für zarte Empfindung entsprochen hatte. Verdorben und mürrisch, scheinheilig und spitzbübisch, egoistisch und trunksüchtig beleidigte sie das reine Empfinden Birotteaus, ohne dass sie ihm irgendeine günstige Aussicht bot. Der arme Junge sah sich häufig zu seinem Schmerze durch die für naive Seelen am festesten geschmiedeten Fesseln an ein Geschöpf gebunden, das ihm Widerwillen einflößte. Als er sich frei fühlte, war er groß geworden und hatte sein sechzehntes Jahr erreicht. Ursula und die Neckereien der Kommis hatten seinen Geist geweckt und ihn angeregt, in das Handelswesen einzudringen, wobei seine Intelligenz sich hinter seiner Einfachheit verborgen hielt; er beobachtete die Kunden, ließ sich, wenn nichts zu tun war, die Waren erklären, deren Verschiedenheiten und Anordnung er sich merkte; und bald kannte er die einzelnen Artikel, ihren Preis und ihr Warenzeichen besser, als das sonst bei Neulingen der Fall ist; Herr und Frau Ragon fingen nun an, ihn anderweitig zu beschäftigen. Am Tage, da die furchtbare Aushebung des Jahres II das Haus bei dem Bürger Ragon leer machte, benutzte Cäsar Birotteau, der zum zweiten Kommis aufgestiegen war, die Gelegenheit, um fünfzig Franken Gehalt monatlich zu erreichen, und setzte sich mit unaussprechlicher Freude mit Ragons zu Tisch. Der zweite Kommis der Rosenkönigin, der nun sechshundert Franken hatte, erhielt ein Zimmer, wo er in den seit langem ersehnten Möbeln die kleinen Andenken, die er sich gesammelt hatte, unterbringen konnte. An den Feiertagen der Dekade kleidete er sich wie die jungen Leute dieser Zeit, denen die Mode vorschrieb, rohe Manieren anzunehmen, und der freundliche, bescheidene Bauer verstand es, sich wie ihresgleichen zu benehmen, so dass er die Grenzen, die zu andern Zeiten die Dienstbarkeit zwischen der Bourgeoisie und ihm gezogen hätte, überschritt. Gegen das Ende dieses Jahres wurde er seiner Ehrlichkeit halber an die Kasse gesetzt. Die stattliche Bürgerin Ragon hielt die Wäsche des Kommis instand und die beiden Eheleute kamen in ein vertrauliches Verhältnis mit ihm. Im Vendémiaire des Jahres 1794 wechselte Cäsar die hundert Louisdor, die er besaß, gegen sechstausend Franken Assignaten ein, kaufte dafür Renten zu einem Kurse von dreißig Franken, bezahlte sie einen Tag vor der Herabsetzung der Assignaten an der Börse und verschloss seine Titres mit dem Gefühl unsagbaren Glückes. Von diesem Tage an verfolgte er die Börsenkurse und die politischen Ereignisse mit geheimer Angst, die ihn bei Unglücksfällen oder Erfolgen, die diese Periode unsrer Geschichte kennzeichnen, erzittern ließ. Herr Ragon, ehemals Hoflieferant Ihrer Majestät der Königin Marie-Antoinette, bekannte in solchen kritischen Momenten Cäsar Birotteau vertraulich seine Anhänglichkeit an die gestürzten Tyrannen. Diese Bekenntnisse wurden von der wichtigsten Bedeutung für Cäsars Lebensgestaltung. Die abendlichen Unterhaltungen nach Schluss des Geschäfts, wenn die Straßen ruhig geworden und Kasse gemacht war, begeisterten den Tourainer, der, wenn er Royalist wurde, damit nur

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