Tante Lisbeth. Оноре де Бальзак

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Tante Lisbeth - Оноре де Бальзак

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nichts verpflichtet und lasse Sie im Stich!«

      »Ach«, rief der Unglückliche, der die Schauer des Todes noch in sich fühlte, »wie recht haben die Verbannten aller Länder, wenn sie sich nach Frankreich sehnen wie die im Fegefeuer schmachtenden Seelen nach dem Paradiese! Man zeige mir ein anderes Land, wo sich solche Hilfsbereitschaft, ein solcher Edelmut der Herzen überall findet, selbst in einer Dachkammer wie hier! Meine gütige Wohltäterin, Sie werden alles, alles für mich sein! Ich bin Ihr Sklave! Seien Sie meine Freundin!«

      Er sagte das in jener innigen Überschwänglichkeit, die den Slawen eigentümlich ist und ihnen mit Unrecht als unterwürfige Falschheit ausgelegt wird.

      »Nein, nein, dazu bin ich zu eifersüchtig, ich würde Sie nur unglücklich machen. Aber ein guter Kamerad will ich Ihnen sein!« erwiderte Lisbeth.

      »Oh, wenn Sie wüssten, wie ich mich nach einem Wesen, das sich um mich kümmert – und sei es auch ein Tyrann –, gesehnt habe, wenn ich einsam durch dieses weite Paris irrte!« sagte der Pole. »Sibirien erschien mir begehrenswerter, das Land, wohin mich der Zar geschickt hätte, wenn ich zurückgekehrt wäre ... Seien Sie mein guter Stern! Ich will arbeiten. Ich will mich bessern. Ich bin ja kein schlechter Mensch!«

      »Wollen Sie alles tun, was ich verlangen werde?« fragte Lisbeth.

      »Ja!«

      »Gut, so nehme ich Sie an Kindes Statt an!« erklärte sie heiter. »Da hätte ich nun einen Jungen, der eben vom Tode auferstanden ist. Fangen wir an! Ich gehe jetzt, meine kleinen Einkäufe zu machen. Während dieser Zeit ziehen Sie sich an, und wenn ich mit dem Besenstiel an die Decke klopfe, kommen Sie herunter, und wir werden dann zusammen frühstücken!«

      Am andern Tage erkundigte sich Lisbeth Fischer bei den Fabrikanten, für die sie arbeitete, über den Bildhauerberuf. Nach umständlichen Erkundigungen fand sie schließlich das Atelier von Florent & Chanor, ein Spezialhaus, wo man kostbare Bronzen und silbernes Luxusgerät herstellte. Dorthin brachte sie Steinbock mit der Bitte, ihn als Lehrling anzunehmen. Man fand diese Anforderung sonderbar und erklärte ihr, dass bei Florent & Chanor nur nach den Entwürfen berühmter Künstler gearbeitet, dass dort aber nicht gelehrt werde. Trotzdem gelang es der Ausdauer und der Hartnäckigkeit der alten Jungfer, ihren Schützling daselbst als Ornamentzeichner unterzubringen. Bald konnte Steinbock Ornamente modellieren und erfand neue dazu. Die nötige Begabung dafür hatte er. Nach fünf Monaten Lehrzeit als Ziseleur machte er die Bekanntschaft des berühmten Stidmann, des ersten Künstlers des Hauses Florent. Nach anderthalb Jahren übertraf Stanislaus seinen Lehrer; aber wiederum ein Jahr später waren die Ersparnisse, die das alte Fräulein in sechzehn Jahren Franc um Franc zurückgelegt hatte, vollkommen verbraucht. Zweitausendfünfhundert Francs in Gold, für die sie sich eine Leibrente hatte kaufen wollen! Und was hatte sie dafür? Den Wechsel eines Polen. Es blieb ihr jetzt nichts anderes übrig, als wieder so zu arbeiten wie in ihren jüngeren Jahren, um die Ausgaben ihres Schützlings weiterhin zu bestreiten. Da sie aber an Stelle ihrer Goldstücke nur noch ein bloßes Stück Papier in den Händen hatte, verlor sie doch den Kopf und wandte sich an Rivet, der seit fünfzehn Jahren der Berater und Freund seiner ersten und geschicktesten Arbeiterin war. Als Herr und Frau Rivet von diesem Abenteuer erfuhren, kanzelten sie die arme Lisbeth gehörig ab, nannten sie verrückt und schimpften auf die polnischen Verbannten, deren unnütze Umtriebe, von neuem ein unabhängiges Volk zu werden, nur dem Handel schadeten. Sie brachten Lisbeth am Ende so weit, dass sie – wie man kaufmännisch sagt – eine Sicherheit haben wollte.

      »Die einzige Sicherheit, die der Kerl Ihnen bieten könnte, ist seine eigene Person!« meinte Herr Rivet.

      Achill Rivet war nämlich Handelsrichter.

      »Und das ist kein Spaß für einen Ausländer«, fuhr er fort. »Ein Franzose sitzt fünf Jahre im Schuldgefängnis; dann lässt man ihn laufen, allerdings ohne dass er seine Schulden bezahlt. Dann gibt es eben keinen weiteren Zwang als sein Gewissen. Na, und das schläft meistens. Aber ein Ausländer bleibt lebenslänglich in Haft. Geben Sie mir Ihren Wechsel. Wir übertragen diesen pro forma auf meinen Buchhalter. Der klagt ihn ein und setzt sich in Besitz eines Haftbefehls gegen Steinbock. Diese Urkunde wird dann auf Ihren Namen umgeschrieben, und so haben Sie immer eine Waffe gegen Ihren Polen in den Händen.«

      Das alte Fräulein ließ die Gesetze walten und sagte ihrem Schützling, er solle sich wegen dieses Schrittes keine Sorge machen; sie habe das nur getan, um einen Wucherer, der ihnen eine Summe Geldes vorgestreckt habe, zufriedenzustellen. Dieser Vorwand entstammte wiederum dem erfinderischen Geiste des Handelsrichters. Der rechtsunkundige Künstler, in blindem Vertrauen zu seiner Wohltäterin, steckte sich mit der gerichtlichen Zustellung seine Pfeife an. Er war Raucher wie alle Leute, die ihre Sorgen oder ihre Tatenlust einschläfern wollen.

      Eines schönen Tages zeigte Rivet Fräulein Fischer ein Schriftstück und sagte zu ihr: »So, nun haben Sie Ihren Steinbock an der Strippe und können ihn binnen vierundzwanzig Stunden für den Rest seines Lebens in Clichy einquartieren!«

      Der hochehrbare Handelsrichter empfand an diesem Tage die Befriedigung einer schlimm-guten Tat. Die Wohltätigkeit hat in Paris so viele Erscheinungsformen, dass dieser merkwürdige Ausdruck wirklich auf eine ihrer Spielarten passt. Nachdem der Pole im Netze dieses kaufmännischen Verfahrens verstrickt war, handelte es sich um das Eintreiben des Geldes. Der Biedermann hielt Steinbock nämlich für einen Gauner. Mitleid, Ehrlichkeit, Poesie waren in den Augen dieses Geschäftsmannes dummes Zeug.

      Im Interesse des armen alten Fräuleins, das, wie er sich ausdrückte, von dem Polen gehörig hineingelegt worden war, suchte nun Rivet die reichen Fabrikbesitzer auf, bei denen der Künstler gearbeitet hatte. Bekanntlich hat Stidmann unter der Beihilfe hervorragender Pariser Goldschmiede die französische Kleinkunst zu der hohen Vollendung gebracht, in der sie jetzt steht und die es ihr erlaubt, mit den Florentinern und den Künstlern der Renaissance zu wetteifern. Stidmann befand sich gerade in Chanors Privatkontor, als Rivet eintrat, um sich nach einem polnischen Flüchtling, einen »gewissen Steinbock«, zu erkundigen.

      »Einen gewissen Steinbock? Wen meinen Sie damit?« spottete Stidmann. »Vielleicht den jungen Polen, der bei mir gelernt hat? Wissen Sie, das ist ein großer Künstler! Man sagt von mir, ich sei ein Teufelskerl. Aber dieser arme Junge weiß noch gar nicht, dass Götterkraft in ihm steckt!«

      »So!« meinte Rivet befriedigt und sagte dann: »Obwohl Sie nicht besonders höflich zu einem Manne sprechen, der die Ehre hat, Handelsrichter zu sein, so ...«

      »Verzeihen Sie gütigst, Herr Handelsrichter!« unterbrach ihn Stidmann, indem er militärisch grüßte.

      »... so bin ich doch sehr erfreut über das, was Sie mir da sagen«, fuhr der Richter fort. »Sie meinen also, der junge Mann könnte Geld verdienen?«

      »Na und ob«, meinte der alte Chanor, »aber arbeiten muss er. Wäre er bei uns geblieben, so hätte er schon einen ganzen Haufen verdient. Aber, wie Sie wissen, verabscheuen die Künstler das Gebundensein.«

      »Sie sind sich ihres Wertes und ihrer Würde bewusst«, meinte Stidmann. »Ich kann es dem jungen Steinbock nicht verdenken, dass er versucht, sich auf eigene Faust einen Namen zu machen und ein berühmter Mann zu werden. Das ist sein gutes Recht! Allerdings habe ich durch seinen Weggang viel Schaden.«

      »Da haben wir den Dünkel der jungen Leute!« rief Rivet. »Sie können nichts erwarten! Sie sollten sich erst ein Vermögen erwerben und dann dem Ruhme nachstreben.«

      »Man verdirbt sich beim Zusammenscharren der Taler die Hände«, bemerkte Stidmann. »Der Ruhm ist des Künstlers Glück!«

      »Ja, ja«, meinte Chanor zu Rivet, »man kann sie nicht anbinden ...«

      »Sie

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