Tante Lisbeth. Оноре де Бальзак
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Читать онлайн книгу Tante Lisbeth - Оноре де Бальзак страница 23
Sie hängte sich bei ihrem Vater ein. Er wiederholte:
»Zwölfhundert Francs!«
»Sogar dreizehnhundert! Das Fehlende wirst du mir doch leihen!«
»Und wofür hast du diese Summe ausgegeben? In dem Laden da?«
»Ja, ja, dort«, entgegnete sie glücklich. »Wenn ich dabei einen Mann gefunden habe, so ist das doch nicht zuviel, nicht?«
»Einen Mann, Hortense? In dem Laden da?«
»Höre zu, Väterchen! Würdest du mir verbieten, einen großen Künstler zu heiraten?«
»Gewiss nicht, Kindchen«, erwiderte er. »Große Künstler sind heutzutage ungekrönte Fürsten. Ruhm und Geld, das sind die beiden sozialen Angelpunkte ... das heißt, nach der Ehre«, fügte er mit ein wenig Heuchelei hinzu.
»Nun ja«, meinte Hortense, »und wie denkst du über die plastische Kunst?«
»Die Bildhauerei ist so eine Sache!« gab er kopfschüttelnd zur Antwort. »Man braucht da große Protektion, ganz abgesehen von einem großen Können, denn die Regierung ist die alleinige Abnehmerin. Das ist eine Kunst ohne Absatzmöglichkeit, in unserer Zeit, wo es keine Monumentalität mehr gibt. Man kauft nur kleine Gemälde, kleine Skulpturen. Es gibt dementsprechend nur Kleinkünste.«
»Sollte das ein großer Künstler nicht überwinden?« warf Hortense ein.
»Das wäre des Rätsels Lösung, gewiss!«
»Ein Künstler, der unterstützt würde?«
»Desto besser!«
»Ein Edelmann?«
»Ist er das?«
»Er ist Graf!«
»Dabei Bildhauer?«
»Ja. Er hat kein Vermögen.«
»Rechnet er etwa auf das von Fräulein Hulot?« fragte der Baron scherzend, wobei er einen forschenden Blick in die Augen seiner Tochter warf.
»Dieser große Künstler, Graf und Bildhauer hat Ihre Tochter, Herr Baron, soeben zum ersten Male in seinem Leben gesehen, und zwar ganze fünf Minuten lang!« erwiderte Hortense mit ruhigster Miene. »Weißt du, Väterchen, während du gestern im Abgeordnetenhause warst, hatte Mutter einen Ohnmachtsanfall. Dieser Anfall, den sie auf ihre schwachen Nerven schiebt, hatte seine Ursache in ihrer Sorge darüber, dass ich noch nicht verheiratet bin. Sie hat mir nämlich gesagt: um mich an den Mann zu bringen.«
»Diesen Ausdruck hat sie in ihrer Liebe zu dir unmöglich gebraucht!« unterbrach sie ihr Vater.
»Ein bisschen parlamentarischer hat sie sich schon ausgedrückt, gewiss!« entgegnete Hortense vergnügt. »Das Wort hat sie nicht angewandt, nein, nein! Aber ich weiß sehr wohl, dass eine heiratsfähige Tochter, die sich nicht verheiratet, ein schweres Kreuz für brave Eltern ist. Mutter glaubt: wenn ein Mann mit Energie und Talent käme, dem dreißigtausend Francs Mitgift genügten, dass wir dann alle miteinander glücklich wären. Kurzum, sie hat es für angebracht gehalten, mich mit meinen bescheidenen Zukunftsaussichten vertraut zu machen, damit ich mich nicht zu sehr in goldenen Träumen wiege.«
»Deine Mutter ist eine gute, edle und ausgezeichnete Frau!« sagte der Baron tieftraurig und doch recht glücklich über das Vertrauen seines Kindes.
»Mutter hat mir gestern erzählt«, fuhr Hortense fort, »dass sie dich beauftragt habe, ihre Brillanten zu verkaufen, um mir eine Mitgift zu verschaffen; aber ich möchte lieber, sie behielte ihren Schmuck. Ich werde schon einen Mann finden. Ich glaube, ich habe ihn bereits gefunden, den Bräutigam, der dem Wunsche Mamas entspricht ...«
»Hier? In den paar Minuten?«
»Gewiss, Vater. Sieh, das Gute liegt so nah!« sagte sie schelmisch.
»Gut, mein Kindchen, wir werden ja sehen. Verheimliche mir nur nichts!« Unter einem scherzhaften Tone verbarg er seine innere Unruhe.
Unter dem Siegel der Verschwiegenheit berichtete ihm nun Hortense das Ergebnis gewisser Gespräche mit Tante Lisbeth. Zu Hause angekommen, zeigte sie ihrem Vater das berühmte Petschaft als Beweis von der Richtigkeit ihrer Vermutungen. Der Vater bewunderte insgeheim die große instinktive Mädchenklugheit, indem er sich die Einfachheit des Planes vergegenwärtigte, den die Liebe diesem unschuldigen Mädchen eingegeben hatte.
»Du wirst das Meisterwerk, das ich erworben habe, sogleich sehen. Man wird es jeden Augenblick bringen, und mein lieber Stanislaus wird in Begleitung des Händlers mitkommen. Der Schöpfer eines solchen Werkes muss sein Glück machen! Verschaffe ihm durch deinen Einfluss den Auftrag zu einem Denkmal und dann eine Wohnung in der Akademie!«
»Was du nicht alles willst!« scherzte der Baron. »Wenn du so machen könntest, was du wolltest, wärt ihr nach den gesetzlich vorgeschriebenen elf Tagen miteinander verheiratet.«
»Elf Tage muss man warten?« Hortense lachte. »Wo ich ihn nach fünf Minuten geliebt habe, so wie du Mutter geliebt hast, als du sie zum ersten Male sahst! Und er liebt mich, als ob wir uns schon zwei Jahre lang kennten. Jawohl!« setzte sie mit einer Gebärde der Beteuerung hinzu. »Seine Augen sagen mir mehr als zehn Bände. Er wird euch schon recht sein, dir und Mutter, wenn er bewiesen haben wird, dass er ein Genie ist! Die Plastik ist die höchste von allen Künsten!« Sie klatschte vor Freude in die Hände. »Halt!« sagte sie auf einmal. »Was ich noch sagen wollte ...«
»Du hast also noch etwas auf dem Herzen?« fragte der Baron lächelnd. Ihre unschuldsvolle Beichte beruhigte ihn.
»Ein letztes wichtiges Geständnis!« sagte sie. »Ich liebte ihn, ehe ich ihn persönlich kannte, aber seit einer Stunde, da ich ihn nun kenne, bin ich vernarrt in ihn!«
»Und nicht zu knapp!« meinte der Baron, den die naive Liebesgeschichte belustigte.
»Tadle meine Vertrauensseligkeit nicht!« bat sie. »Gibt es etwas Herrlicheres als einem Vaterherzen zu gestehen: ›Ich liebe! Ich bin in meiner Liebe glücklich!‹ Du wirst meinen Stanislaus sehen. Seinen melancholischen Kopf! Seine grauen Augen mit dem Sonnenschein des Genies! Und wie vornehm er aussieht! Weißt du auch, woher er stammt? Ist Livland ein schönes Land? – Tante Lisbeth wollte den jungen Mann heiraten! Sie könnte seine Mutter sein. Das wäre ein Verbrechen! Ich bin riesig eifersüchtig auf sie, weil sie für ihn etwas hat tun können. Ich bilde mir ein, sie wird meine Heirat scheel ansehen.«
»Wir wollen Mutter nur nichts verheimlichen, mein Engel.«
»Ich müsste ihr dieses Petschaft zeigen; aber ich habe versprochen, Tante Lisbeth nicht zu verraten. Sie hat Angst vor Mutters Spott.«
»Du hast Bedenken hinsichtlich eines Petschafts, aber du stiehlst der Tante Lisbeth den Geliebten!«
»Hinsichtlich des Petschafts habe ich etwas versprochen; hinsichtlich des Künstlers habe ich nichts versprochen!«
Diese altmodische Romantik passte ausgezeichnet in die geheime Geschichte dieser Familie. Deshalb fügte der Baron dem Lobe ihrer Klugheit hinzu, sie solle sich wenigstens weiterhin auf die Umsicht ihrer Eltern verlassen.
»Du