Sprechen über Sex. Karina Kehlet Lins

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Sprechen über Sex - Karina Kehlet Lins

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haben (Johansen, Thyness og Holm 2001).

      In den Medien wird nahezu ununterbrochen über Sex gesprochen. Paradoxerweise tragen die vielen gut gemeinten Ratschläge, die beispielsweise in Zeitschriften verbreitet werden, in weiten Teilen der Bevölkerung noch zusätzlich zur Unsicherheit bei (Tiefer a. Hall 2010). Sexuelle Herausforderungen sind ganz normal – alle Menschen haben irgendwann im Laufe ihres Lebens Probleme mit ihrer Sexualität. Viele Untersuchungen aus den vergangenen Jahrzehnten verdeutlichen den Widerspruch zwischen den saftigen Beschreibungen in den Medien, wie Sex sein sollte, und dem spartanischen sexuellen Alltag, den viele Menschen erleben (Schmidt 1996).

      Das Ziel dieses Buches ist es, professionellen Helfern im Gesundheitswesen Unterstützung zu bieten, um besser auf Gespräche über Sex vorbereitet zu sein. In diesem Bereich kommen alle Fachkräfte auf die eine oder andere Weise mit der Sexualität von Klienten in Berührung. Und es wäre schön, wenn wir auch hier eine Fachkompetenz einbringen könnten, wie wir sie uns während der Ausbildung angeeignet haben. Dieses Buch stellt daher eine Ergänzung zu dem bereits vorhandenen Wissen dar. Es besteht aus einer Mischung aus Theorie, Praxis und Übungen. Zusammen mit Einführungen in die verschiedenen Aspekte, die zu einem guten Gespräch über Sex dazugehören, geben sie dem Leser das Rüstzeug für die weitere Arbeit mit. Die Lektüre ersetzt jedoch keinesfalls die Erfahrung – Übung kann man nur dann erlangen, wenn man den Anstoß für die entsprechenden Gespräche gibt. Ist man offen für das Thema, werden sie sich schnell von selbst ergeben.

      Ich benutze den Begriff »Sprechzimmer« nicht nur, um die Arbeitsräume des Therapeuten zu bezeichnen; das Wort wird hier in einem weiteren Sinne verwendet und bezieht auch solche Gesprächssituationen und -räume mit ein, die sich bei passender Gelegenheit ergeben, z. B. in einem Krankenzimmer oder Behandlungsraum.

      Auch wenn das Thema Verhütung für manche Leser in Gesprächen über Sexualität die größte Rolle spielen mag, werde ich dieses Thema hier nicht behandeln. Ich bin eine begeisterte Anhängerin von »Safer Sex« und hoffe, dass ich niemanden daran erinnern muss, dass dieser sowohl Schwangerschaften als auch vielen geschlechtlich übertragenen Krankheiten vorbeugen kann.

      Wenn ich in diesem Buch das Wort »Paar« benutze, dann fasse ich den Begriff so inklusiv wie möglich und meine damit sowohl verheiratete Paare als auch Paare, die »ohne Trauschein« zusammenleben, Paare in offenen Beziehungen, Paare, die nicht zusammenwohnen, und polyamouröse Beziehungen.

      Da ich Psychologin bin und niemanden unnötig als krank bezeichnen möchte, ziehe ich meistens den Begriff »Klient« dem des Patienten vor und schließe Menschen aller sexuellen Orientierungen und Geschlechteridentitäten ein.

      Das Buch enthält keine erschöpfende Darstellung sexueller Problemstellungen und Therapien, da es dazu bereits viele gute Bücher und Artikel gibt. Wer sich in das eine oder andere Gebiet vertiefen möchte, sei auf das Literaturverzeichnis am Ende des Buches verwiesen.

      Das Buch enthält kleine Übungen, und ich empfehle Ihnen, die Antworten aufzuschreiben, statt sie nur zu denken. Durch das Aufschreiben zwingen Sie sich selbst dazu, Gefühle und Erlebnisse in Worte zu fassen, und können sich viel besser in die Details vertiefen. Dadurch können neue und wichtige Einsichten entstehen. Außerdem lassen sich auf diese Weise Themen zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgreifen. Sie können die Fragen selbstverständlich auch in Gedanken für sich bearbeiten oder mit Freunden und Kollegen besprechen.

      Wie sich im Verlaufe des Buches zeigen wird, gibt es keine bestimmten Regeln dafür, wie Gespräche über Sex geführt werden sollten. Daher enthalten die folgenden Kapitel kein geradliniges Rezept. Stattdessen versuche ich, mit meinen Ratschlägen eine Richtung vorzugeben, und verstehe sie als Katalysatoren, die das Gespräch in Gang bringen können. Ich wünsche mir, dass Sie auf der Grundlage Ihrer eigenen Erfahrungen Ihren ganz persönlichen Stil entwickeln.

      Wer mit seinen Klienten bereits über sexuelle Themen spricht, kann mithilfe dieses Buchs sein Wissen auf den neuesten Stand bringen. Der eine oder andere neugierige Leser möchte vielleicht auch einfach in seinem Privatleben bessere Gespräche über Sexualität führen. Ich hoffe, dass dieses Buch dazu beiträgt. Wie die folgenden Kapitel zeigen werden, ist der Bedarf danach groß.

      Viel Spaß beim Lesen!

       Karina Kehlet Lins

       Kopenhagen, im Januar 2020

      This ain’t about the body, it’s about the mind.

      PRINCE – SEXY M.F.

      1Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/413487/umfrage/umfrage-in-deutschlandzur-wichtigkeit-von-sex-nach-alter/.

      1DIE SEXOLOGIE – EINE WELT FÜR SICH?

      Die Sexologie oder Sexualwissenschaft befasst sich mit der Lehre vom Geschlechtsleben und einem breiten Spektrum sexueller Themen, von denen ein großer Teil die Welt der Psychiatrie und Psychologie berührt.

      Die WHO definiert Sexualität als:

      »… einen zentralen Aspekt des Menschseins über die gesamte Lebensspanne hinweg, der das biologische Geschlecht, die Geschlechtsidentität, die Geschlechterrolle, sexuelle Orientierung, Lust, Erotik, Intimität und Fortpflanzung einschließt. Sie wird erfahren und drückt sich aus in Gedanken, Fantasien, Wünschen und Überzeugungen, Einstellungen, Werten, Verhaltensmustern, Praktiken, Rollen und Beziehungen. Während Sexualität all diese Aspekte beinhaltet, werden nicht alle ihre Dimensionen jederzeit erfahren oder ausgedrückt. Sexualität wird beeinflusst durch das Zusammenwirken biologischer, psychologischer, sozialer, wirtschaftlicher, politischer, ethischer, rechtlicher, religiöser und spiritueller Faktoren (WHO 2006, S. 10).«

      Forschungsergebnisse stellen konsequent eine kausale Verbindung zwischen sexueller Gesundheit und messbaren Faktoren wie der Lebenszeit, dem Schlaf, der physischen Verfassung und Depressionen her. Es ist also bekannt, dass es zwischen dem sexuellen Wohlbefinden und dem allgemeinen Gesundheitszustand einen engen Zusammenhang gibt (Veldman 2014). Besonders auffällig ist die enge Verbindung zwischen sexuellen Problemen und psychischen Schwierigkeiten. Die Forschung zeigt auch, dass Problemstellungen sexueller Art sich markant negativ auf das allgemeine psychische Wohlbefinden auswirken können (Leiblum 2007). Die Sexualwissenschaft ist demnach ein Fachgebiet, das in hohem Maße zum Bereich der Psychologie gehört. Obwohl sexuelle Probleme auch andere Spezialgebiete wie beispielsweise die Gynäkologie betreffen, benötigen die Klientinnen in der Regel auch eine psychologische Beratung (Kristensen 2007). Ist eine Person von einer vorrangig physischen Dysfunktion betroffen, zeigt die Forschung, dass die psychischen Folgen, wie beispielsweise der Verlust von Identität und Intimität, den größten Anlass zur Sorge darstellen (Graugaard, Pedersen og Frisch 2015). Klienten mit einer sexuellen Dysfunktion haben ein etwa doppelt so großes Risiko, an Depressionen zu erkranken, wie Klienten mit einer gelingenden Sexualität (Møhl 2017b), und für ein Paar kann eine sexuelle Dysfunktion zum Verlust von Nähe und Intimität führen, was allein schon von schwerwiegender Bedeutung ist. Fehlen die nötige Ruhe und das gegenseitige Vertrauen, um die mit sexuellen Problemen einhergehenden Schwierigkeiten zu besprechen, besteht das Risiko, dass sich das Paar auseinanderlebt.

      Wir werden oft mit Zahlen und Fakten konfrontiert, wissen jedoch relativ wenig darüber, was die Sexualität für die Betroffenen jeweils bedeutet. In der Psychotherapie – und insbesondere in der Paartherapie – ist es daher wichtig, offene Fragen über das Sexualleben zu stellen, und es ist ebenso wichtig, dass der Therapeut

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