Kati Küppers und der gefallene Kaplan. Barbara Steuten
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Читать онлайн книгу Kati Küppers und der gefallene Kaplan - Barbara Steuten страница 2
»Ich suche Ihnen ein anderes Untergewand raus. Vielleicht hat das keinen Fleck.«
»Schon gut.« Kaplan Overath winkte ab. »Nicht nötig.« Wieder fuhr er sich mit den Händen übers Gesicht. »Sie übernehmen Lesung und Fürbitten, Frau Küppers?«
»Darüber wollte ich gerade mit Ihnen sprechen. Mit Pater Remigius hatte ich bereits vereinbart, dass ich nicht zur Messe bleibe. Es ist noch einiges vorzubereiten für das Taizé-Gebet und heute Nachmittag muss ich meinen Enkel von der Bahn abholen.«
Der Kaplan musterte die ältere Mitarbeiterin, die so oft jünger wirkte als er selbst, mit einem Blick, der sie dazu brachte, ihre Softshell-Jacke zu schließen und die Schultern hochzuziehen.
»Ja«, polterte er, »man muss Prioritäten setzen im Leben. Aber dass Sie den Segen der Messe so geringschätzen, hätte ich von Ihnen nicht erwartet.« Wenigstens einen Messdiener hätte sie ihm doch organisieren können.
Kati Küppers öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann schüttelte sie den Kopf, straffte den Rücken und wandte sich zum Gehen. Doch so billig kam sie ihm nicht davon.
»Ach, Frau Küppers, eh ich es vergesse. Ich brauche nächsten Dienstag das komplette Pfarrheim.«
Die Küsterin hielt kurz inne, dann wirbelte sie herum.
»Am Dienstag findet unser Jugendclub statt«, antwortete sie mit rauer Stimme.
»Ihr Jugendclub, Frau Küppers, nicht unser. Ihr Club. Ich habe für diesen Tag ein Messdiener-Training anberaumt. Das ist wichtiger.«
Katis Brust hob und senkte sich, während sie sich auf die Lippen biss.
»Halten Sie Ihr Trainingslager nicht in der Kirche ab?«
Kaplan Overath lächelte dünn. Er war der Hausherr und niemandem Rechenschaft schuldig. Sein Kopf dröhnte, als hätte er einen Bienenstock gefrühstückt. Dennoch würde er der Küsterin erklären, was erforderlich war und was nicht.
»Die Kirche brauchen wir auch. Doch darüber hinaus benötige ich jeden verfügbaren Raum.«
»Sie scheinen ja Großes vorzuhaben. Der Termin für den Jugendclub steht seit zwei Monaten fest, aber wir könnten ihn vielleicht eine Stunde nach hinten verschieben.«
»Wir üben von fünf bis acht«, fiel er ihr ins Wort. Dabei wischte er mit dem Arm durch die Luft, als ob er einen Schlussstrich unter die Diskussion setzen wollte. »Und danach lade ich alle zum Pizzaessen ein.«
»Was ist mit den Messdienern, die zum Jugendclub wollen?«
»Haben Sie mir eben nicht zugehört? Wie ich schon sagte, man muss immer wieder Prioritäten setzen im Leben. Meine Prioritäten sind eindeutig. An erster Stelle kommen unsere Messdiener. Die sind mir nun einmal wichtiger als irgendwelche dahergelaufenen Heidenkinder.«
Die Küsterin vergrub ruckartig die Hände in den Jackentaschen. Deutlich spannten sich die Muskeln ihres Unterkiefers an.
»Bei Tobsucht und Raserei, heiliger Ulrich, steh mir bei«, flüsterte sie.
»Ich verstehe eh nicht«, fuhr unterdessen der Kaplan mit erhobener Stimme fort, »wieso Sie so viel Zeit und Engagement in dieses verrückte Projekt investieren. Dabei könnten Sie so viel Gutes tun. Uns fehlen doch an allen Ecken und Enden Mitarbeiter. Aber nein! Es muss eine Disco für die Dorfjugend sein. Letztendlich werfen Sie doch nur Perlen vor die Säue.«
»Was erlauben Sie sich eigentlich?«, schnauzte ihn die Küsterin an. Dem Kaplan war klar, dass sie sich nicht darum scherte, ob die Tür zur Kapelle offenstand. Jedes Wort würde man dort laut und deutlich hören. Aber es war weiß Gott nicht das erste Mal, dass es ihr an Taktgefühl mangelte.
»Sie sind in dieser Gemeinde Kaplan, quasi noch in der Ausbildung, und spielen sich hier auf, als wären Sie der Erzbischof von Köln. Dieser Jugendclub führt junge Menschen zusammen, egal, ob Christen, Muslime oder Gar-nichts-Gläubige, und leistet einen wichtigen Beitrag zur Befriedung unseres Landes und in der Welt. Wenn man sich kennt, bringt man sich nicht gegenseitig um.«
Dem Geistlichen verschlug es kurzzeitig die Sprache. »Mir ist nicht bekannt«, stammelte er verwirrt, »dass Christen Muslime umbringen.«
Kati Küppers senkte die Stimme, in der ein scharfer, lauernder Unterton mitschwang.
»Herr Kaplan, hier geht es nicht um Korinthenkackerei. Hier geht es um Respekt und Vertrauen. Und bei allem Respekt, Ihren Satz mit den Perlen und den Säuen will ich in diesem Zusammenhang nie wieder hören. Sonst läuten es ganz schnell die Glocken vom Dom. Ich hoffe, Sie verstehen.«
Hatte sie ihn gerade Korinthenkacker genannt? Ihren eingebildeten Einfluss beim Erzbischof in die Waagschale geworfen? Bloß weil er ihr bei der letzten Audienz die Hand zum Kuss gereicht hatte? Sie hatte sich schon so manche Unverschämtheit herausgenommen und durfte sich jedes Mal der Rückendeckung von Pater Remigius sicher sein. Doch das war der Gipfel des für ihn Erträglichen. Kaplan Overath spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, wie es in den Ohren rauschte und seine Halsschlagader pochen ließ.
»Das ist eine offene Drohung!«, donnerte er los und schnappte nach Luft. »Frau Küppers! Eine unverfrorene! Bodenlose! Unverschämte! Drohung!«
Die Küsterin winkte ab und verließ ohne ein weiteres Wort die Sakristei.
»Wir sprechen uns noch!«, brüllte Kaplan Overath hinter ihr her und ballte die Fäuste. Das Gefühl unbändiger Wut war neu für ihn. Und leider nicht mit der Küsterin verschwunden. In dieser aufgewühlten Stimmung konnte er nicht an den Tisch des Herrn treten und die heilige Messe feiern. Er brauchte Nachschub. Dringend! Sein Blick jagte durch die Sakristei und blieb schließlich am Messwein hängen. Er griff nach der Flasche, die bereits angebrochen war, aber mehr beinhaltete, als er für die Feier der Messe brauchte. Er drehte den Verschluss ab, schluckte das noch nicht vollständig aufgelutschte Pfefferminzbonbon hinunter und setzte die Flasche an. Er konnte es noch. Den Alkohol direkt in die Kehle schütten. Nicht mit kleinen Schlückchen … Der Wein schmeckte abscheulich. Kam das durch das Pfefferminz? Bitter und süß zugleich. Er schüttelte sich. Die Flasche war erheblich leerer. Die beruhigende Wirkung, die er sich erhofft hatte, ließ auf sich warten. Dafür kämpfte der wütende Bienenschwarm in seinem Kopf gerade mit mindestens drei Bären. Er zog das Handy aus seinem Jackett, suchte die Toilette auf und wählte Christophers Nummer. Der erste Versuch ging fehl. Overath ließ sich auf dem Klodeckel nieder, der unter seinem Gewicht ächzte. Wieder und wieder wählte er die Nummer des Freundes. Endlich meldete sich dieser.
»Hast du Nachschub für mich?«, raunte Markus Overath ohne eine Begrüßung ins Mobilteil. »Wir müssen uns sehen. Dringend!«
»Du hast Glück. Ich bin gerade bei dir um die Ecke und hab was bei mir. In einer Viertelstunde kann ich in Niederbroich sein.«
»Gut. Sehr gut.« Markus Overath atmete auf. Er schloss die Augen und lächelte. »Wir treffen uns in der Kirche.«
Christopher lachte. »Übergabe im Beichtstuhl? Wie im Film? Wie hieß der noch gleich?«
»Schon länger nicht mehr dein schwarzes Herz erleichtert, was?«, unterbrach ihn der Kaplan. »Die Beichtstühle bei uns sind alle umgebaut worden. Gläserner als Facebook-User. Und um jeglichen Missbrauch zu unterbinden, soll der arme Sünder demnächst noch durch eine Glasscheibe vom