Der Tod in der Salzwiese. Sibyl Quinke
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Tod in der Salzwiese - Sibyl Quinke страница 10
»Das überzeugt mich, und ehrlich, mir hat sich dieser Arm zwischen meine Gehirnwindungen festgesetzt. Solch einen Fall hatte ich noch nicht. Hast du schon Informationen aus der Rechtsmedizin?«
»Wir sind zwar schnell, aber so fix nun doch nicht. Außerdem, unser Rechtsmediziner ist zurzeit in der Reha … mehr brauche ich dir nicht zu sagen.«
»Wäre das nichts für euren Mortes?«, brachte sich Lilli ein. Sie hatte die ganze Zeit schweigend zugehört.
»Lilli, du hast recht«, und an Puschkin gewandt: »Wir haben in Wuppertal einen sehr ehrgeizigen und informierten Rechtsmediziner, der findet alles! Und wenn er es nicht weiß, ist er so wissbegierig, dass er erst aufhört, wenn er es gefunden hat. Er geht bis in die kleinsten Details.«
»Warum höre ich bei deiner Rede so eine merkwürdige Schwingung? Welchen Haken hat die Sache?«
»Du bist ein guter Polizist, du hörst und siehst Dinge, die nicht gesprochen oder gezeigt werden. Also, der Kollege ist fachlich wirklich spitze; meine Bedingung wäre: Er darf nicht auf die Insel kommen!«
»Wieso das?«
»Er hat ein großes Mitteilungsbedürfnis, und er meint, er müsse alle an seinem Wissen teilhaben lassen, und das nervt manchmal. Er hat immer noch nicht begriffen, dass zumindest in der zwischenmenschlichen Kommunikation weniger mehr ist. Deshalb laufen die Kollegen regelmäßig vor ihm weg. Doch im Grunde ist der Kerl in Ordnung, arbeitswillig und fachlich echt gut. Frag doch mal in Wuppertal an, vielleicht fährt der auch gerne mal gen Norden.«
Puschkin machte sich Notizen. »Das klingt doch alles recht gut. Was machen wir mit dem angebrochenen Tag? Heute bringt mich kein Flugzeug mehr zurück und die Polizeistation hier auf der Insel wird auch nicht mehr besetzt sein. Der werde ich morgen einen Besuch abstatten.«
»Lass uns auf einen Absacker in die Bar vom Hotel Atlantic gehen. Die ist schön ansprechend, und leckere Cocktails gibt es dort auch. Polizeikontrollen, die deinen Alkoholkonsum überprüfen, brauchst du hier nicht zu fürchten, wir fahren heute nicht mehr.«
Sie verließen die Villa Charlotte, und Inka Extra winkte ihnen noch nach.
Kapitel 8
Im Gegensatz zum Wittmunder Kollegen hatten Lilli und Bresniak ausschlafen können, und den Restalkohol hatte ihnen der gute Ostfriesentee aus dem Kopf geblasen. Dieser merkwürdige Fund von gestern hielt sie immer noch gefangen. Bresniak war im Ermittlungsmodus. Er konnte nicht anders. Eine Leiche, besser ein Leichenteil – das war aufzuklären!
»Hallo, Charly«, dabei schnippte Lilli vor seinen Augen, »wo bist du? Wenn ich dir helfen darf: Wir sind in Urlaub – auf Töwerland. Du darfst dich hier verzaubern lassen, am besten von meiner Person. Kannst du wieder zurückkommen?«
»Dieser Arm. Was steckt dahinter? Bisher nahm ich an, dass solche Grausamkeiten nur in Killerspielen am Computer zu finden sind.«
»Herr Karl-Friedrich Bresniak. Hier bin ich. ICH! Deine Lilli. Haben Sie vergessen, dass Sie mit MIR in Urlaub sind?«
Bresniaks Blick blieb in die Ferne gerichtet. Seine Augen zeigten eindeutig, dass er in eine andere Welt abgedriftet war. Selbst die Ansage seiner Freundin hatte ihn nicht zurückgeholt. Da hatte Lilli ein Urlaubsziel ausgesucht, das Entspannung pur gewährleisten sollte, ohne Ablenkung, ohne Leichen, zu denen er plötzlich wieder an einen Tatort, besser einen Fundort gerufen würde. Hatte fast geklappt. Bis auf die Insel hatten sie es ohne Störungen geschafft, wenn man von dem Düsseldorfer Junggesellenabschied einmal absah, der sie gen Norden begleitet hatte. Was musste so ein Sturm auch einen Arm an Land spülen. Eigentlich war es Puschkins Aufgabe, zu ermitteln – schließlich war die Mordkommission aus Wittmund dafür zuständig. Warum hatte sich Bresniak einwickeln lassen, zwar nicht zu ermitteln, doch sich ein wenig umhören? Aber was sollte das heißen? Puschkin fuhr wieder auf das Festland zurück und verließ sich auf den Wuppertaler Kollegen, und Lilli war ihren Urlauber los. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie stupste ihn in die Seite:
»Charly, hast du mich vergessen?« Sie musste ihn erneut anstoßen, bis er endlich reagierte.
»Ja, was ist?«
»Das frage ich dich. Seit heute Morgen siehst du ständig an mir vorbei. Unter einem gemeinsamen Urlaub verstehe ich etwas anderes.«
»Liebes«, dabei wandte er sich ihr zu und strich mit dem Handrücken über ihre Wange. »Du bist das Beste, was mir in meinem Leben noch passieren konnte!« Seine Aussage unterstrich er, indem er ihr dabei einen Kuss auf die Wange hauchte und sie verliebt ansah.
»Warum bist du dann so weit weg?«
»Ich bin doch nicht weg. Ich sitze hier neben dir.«
»Ich habe dich mehrfach angesprochen, und deine Augen sind wo? Bitte, komm zurück, ich meine deine Seele. Mit deinem Körper alleine kann ich nicht so viel anfangen.«
»Du hast mich erwischt. Ich bin bei dem Fall, aber daran bist du schuld!«, dabei feixte er sie an. »Wer hat dieses Teil denn gefunden?«
Lilli grinste. »Na gut. Dann lass uns mal überlegen, was wir heute tun wollen.«
Sie beendeten ihr Frühstück. Mund mit der Serviette abgewischt, aufgestanden, Jacke und Mütze angezogen – so verließen sie die Villa Charlotte und schlenderten ins Zentrum. Lilli dachte daran, den Hauptweg am Kurmittelhaus zum Strand einzuschlagen, während Bresniak ohne nachzudenken nach rechts zum Naturkundehaus abbog. So folgte ihm Lilli zunächst zu Jens. Einerseits wollten sie sich nach dem Befinden von Jens, ihrem Führer in die Salzwiese, erkundigen, andererseits wäre das ein Anfang, um eventuell Informationen zu erhalten.
Die Sache mit dem außergewöhnlichen Fund hatte sich im Ort herumgesprochen. Wenn es auch keine Inselzeitung mehr gab, zumindest nicht auf Papier, so hatte sich diese Neuigkeit rasch verbreitet, und online konnte man lesen: Der Arm aus der Salzwiese, eine griffige Headline. Nur wenige Urlauber der Insel brachten mit dem Begriff Internet irgendetwas mit »Nettigkeit« in Verbindung. Inzwischen wussten auch 80-Jährige, wie sie ihre Informationen aus dem Netz holten.
»Manche Urlauber haben ihren Aufenthalt schon abgebrochen und laufen Sturm auf die Fähre und fragen nach Taxifahrten nach Deutschland, sogar hier im Naturhaus!«, begann Jens zu erzählen. Er hatte das gestrige Ereignis gut verkraftet.
»Erzählen Sie doch mal. Der Ort ist nicht groß. Gibt es eine Person, die hier vermisst wird?«
Jens rieb sich das Kinn, verschob dabei erst den Mund etwas schräg. Das tat er immer, bevor er ansetzte, irgendetwas zu sagen. »Ich komme viel herum, hier auf der Insel jedenfalls, aber ich weiß von keinem Abgang …, außer der Krista vielleicht … Krista, die habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Die saß häufiger hier in der Sonne und trank gerne einen Wein, wenn sie auf die Fähre wartete, aber ihr Fehlen hat Gründe, die männlicher