Das Medaillon. Gina Mayer

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Das Medaillon - Gina Mayer

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nahe Namur stammt. Ich habe mir den betreffenden Artikel angesehen, in der Tat ein aufschlussreicher Bericht. Sagt Ihnen die Sache etwas?« Er hatte die Frage an Minter gerichtet, der inzwischen wieder auf dem Sofa Platz genommen hatte. Rosalie saß neben ihm, wegen des Verbandes nähte sie nicht, sondern hielt ihre Hände im Schoß gefaltet.

      Der Apotheker zuckte mit den Schultern. »Ich verbinde weder mit dem Namen noch mit dem Fundort etwas.«

      »In der Höhle von Engis wurden die Überreste diluvialer Tiere zusammen mit einem Menschenschädel und anderen Knochenresten gefunden, außerdem behauene Steine, bei denen es sich um vorsintflutliches Werkzeug handeln könnte ...«

      »Und dieser Spring ordnet den Schädel einem diluvialen Menschen zu?«, fragte Minter.

      »Er schließt zumindest die Möglichkeit nicht aus, dass es sich um einen solchen handeln könnte. Immerhin lässt die Einbettung der menschlichen Überreste in nächster Nähe der Tierknochen auf eine zeitliche Verwandtschaft schließen.«

      »Ich glaube, ich habe damals von der Sache gehört«, meinte Kuhn. »Und ich meine mich auch an die Veröffentlichung von Spring zu erinnern. Hat Buckland ihm nicht aufs Schärfste widersprochen und Cuvier ebenfalls?«

      »Buckland«, sagte Fuhlrott, seine Stimme sank dabei um zwei oder drei Töne. »Er ist Geologe und Theologe, und ich habe mitunter den Eindruck, dass in seinem Falle die eine Wissenschaft die andere eher behindert als weiterbringt.«

      »Oho«, machte Kuhn. »Das ist ein hartes Urteil. Er scheint doch durchaus aufgeschlossen neuen Thesen und Ideen gegenüber. Immerhin nimmt er wie Cuvier von der Bibelaussage Abstand, dass die Welt in sechs Tagen von Gott erschaffen wurde.«

      »Nun, in jedem Fall habe ich mich dazu entschlossen, ihm einen Besuch abzustatten.« Fuhlrott verschränkte seine Hände, so dass sich die einzelnen Finger überkreuzten, dann schob er die Handgelenke nach oben. Die Fingerknochen knackten, als wären sie im Begriff durchzubrechen.

      »Wem? Buckland oder Cuvier?«

      Fuhlrott schnaubte verächtlich. »Spring. In Lüttich. Es ist nicht weit von hier und die Funde können im dortigen Museum in Augenschein genommen werden ...«

      »Wäre es nicht viel wichtiger, zuerst einmal ins Neandertal zu fahren?«, unterbrach ihn Rosalie. Die Frage war ihr die ganze Zeit schon durch den Kopf gegangen, seit Fuhlrott von den Relikten von Engis erzählt hatte. Vielleicht ließen sich in der Feldhofer Grotte, in der die Gebeine damals entdeckt worden waren, wichtige Erkenntnisse gewinnen. Unter Umständen verbargen sich auch dort Überreste von diluvialen Tieren im Lehmboden oder andere Relikte. In jedem Fall musste man schnell handeln, wenn man etwas erreichen wollte, die Knochen waren schon im Sommer gefunden worden und jetzt war es Dezember.

      »Ins Neandertal?«, meinte Fuhlrott verständnislos. »Was sollten wir dort erwarten? Die Feldhofer Grotte ist längst gesprengt, zumindest der größte Teil.«

      »Aber vielleicht ließe sich herausfinden, wohin die Lehmreste aus der Höhle gebracht worden sind. Unter Umständen verbirgt sich noch mehr Entdeckenswertes in dem Abraum.«

      »Nun, die genaue Stelle lässt sich sicherlich nicht mehr ausmachen«, sagte Fuhlrott. »Im gesamten Tal werden Tag für Tag immense Mengen Gestein und Kalk abgebaut, die landschaftlichen Umwälzungen sind beträchtlich und in unserem Falle geht es um einige Handvoll Lehm. Nach einer so langen Zeitspanne wird sich niemand mehr daran erinnern, wohin man diese Sedimente gebracht hat.«

      Sein Ton war herablassend, als ob er mit einem unverständigen Schüler redete, aber Rosalie nahm es gar nicht richtig zur Kenntnis.

      Auch wenn der Abraum verschwunden war, dachte sie, vielleicht würden sich die Arbeiter wenigstens an die Verhältnisse in der Höhle, die ungefähren Fundumstände, erinnern. In welcher Tiefe die Relikte gelegen hatten und wie der Boden beschaffen war. Aber als sie den Gedanken aussprechen wollte, waren die Herren schon beim nächsten Thema, sie befanden sich bereits in Lüttich und bei der Frage, ob Fuhlrott noch vor oder lieber nach Weihnachten dorthin reisen sollte.

      Es war spät in der Nacht, als sich Fuhlrott von ihrem Vater verabschiedete und Minter Rosalie die Hand reichte. Er nahm ihre Rechte, die immer noch in ihrem Verband steckte, und betrachtete sie nachdenklich. »Ihre Überlegung von vorhin war recht vernünftig«, sagte er leise.

      »Wie bitte?«, fragte Rosalie überrascht. Machte der Apotheker sich über sie lustig?

      »Nicht dumm«, sagte er. »Gar nicht dumm.«

      »Finden Sie?« Nun klang ihre Stimme schärfer. »Warum haben Sie mich dann nicht unterstützt?«

      Sie wollte sich abwenden, aber auch jetzt ließ er ihre Hand nicht los. »Ich dachte, Sie könnten für sich selbst reden. Aber offensichtlich habe ich mich getäuscht, da Sie Ihre Überlegungen beim ersten Widerspruch kampflos der allgemein vorherrschenden Überzeugung geopfert haben.«

      Sie öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, ich bin ja bloß eine Frau, wollte sie sagen, wer sollte mich ernst nehmen, aber unter seinem ernsten Blick zerfiel ihre Antwort, bevor sie sie ausgesprochen hatte. Stattdessen sagte sie: »Wenn Sie also der Meinung sind, dass meine Idee gut war und richtig, warum kommen Sie dann nicht mit? Begleiten Sie mich ins Neandertal und lassen Sie uns die Arbeiter befragen, vielleicht finden wir etwas heraus, das die Wissenschaft weiterbringt.«

      Diesmal schien er sich zu fragen, ob er richtig gehört hatte, und wenn ja, ob sie das, was sie ihm vorgeschlagen hatte, wirklich ernst meinte. Sie kämpfte gegen den fast unwiderstehlichen Drang, die Augen niederzuschlagen.

      »Nächsten Freitag«, sagte er. »Passt Ihnen das?«

      »Was habt ihr jungen Leute da zu tuscheln?«, dröhnte die laute Stimme ihres Vaters neben Rosalie. Sie fuhr zusammen und spürte, dass sie rot wurde, und wandte sich rasch ab, damit Minter es nicht bemerkte. Aber als sie zu Fuhlrott trat, um sich von ihm zu verabschieden, sah sie aus dem Augenwinkel, dass der Apotheker lächelte, und das ärgerte sie, aber gleichzeitig freute es sie auch.

      Am Freitagmorgen holte Minter sie ab. Sie gingen über die Döppersbergbrücke zum Bahnhof und wie immer, wenn sie durch das stolze Eingangsportal des neuen Gebäudes ging mit seinem griechisch anmutenden Säulenaufbau, berührte sie das auf eine feierliche Weise, als betrete sie einen Tempel.

      In der Eingangshalle verlor sich das Gefühl in der Hektik, im Gewirr der Leute, in den Schreien der Zeitungsburschen. Minter besorgte die Billetts am Schalter, dann bot er ihr seinen Arm an, aber sie übersah die Geste und starrte stattdessen auf die Uhr unter der Decke. »Zwanzig nach neun«, sagte sie. »Wann geht unser Zug?«

      »In zehn Minuten«, erklärte Minter. »Bahnsteig drei.«

      Sie gingen durch die Sperre zu den Gleisen und warteten schweigend zwischen Familien mit lärmenden Kindern, trauernden Liebespaaren, Geschäftsreisenden, Koffern, Hutschachteln und einem Vogelkäfig. Die Gleisanlagen wurden von bogenförmigen Stahlstreben überspannt, die ein Glasdach trugen, durch das man in einen wolkenlosen Himmel schaute. Als die Lokomotive in den Bahnhof einfuhr, sammelte sich der graue Dampf unter dem Dach und vernebelte ihren Blick.

      Sie hatten ein Abteil ganz für sich allein. »Am Hochdahler Bahnhof nehmen wir eine Droschke«, erklärte Minter. »Bis zum Tal sind es vielleicht zehn Minuten.«

      »Hoffentlich sind die betreffenden Arbeiter im Steinbruch, dass wir die Reise nicht umsonst gemacht haben«, sagte Rosalie.

      Er lächelte und

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