Der Glöckner von Notre Dame. Victor Hugo

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Der Glöckner von Notre Dame - Victor Hugo Große verfilmte Geschichten

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Posse wäre, allerdings!«

      »Schade!« entgegnete Gisquette. »Damals gab es an der Fontaine von Ponceau wilde Männer und Frauen, welche mit einander kämpften, mehrere Gruppen aufführten und kleine Arien und Liebeslieder sangen.«

      »Was für einen päpstlichen Gesandten paßt,« sagte ziemlich trocken der Unbekannte, »paßt nicht für eine Prinzessin.«

      »Und neben ihnen,« fuhr Liénarde fort, »spielten mehrere dumpfe Instrumente prächtige Melodien.«

      »Und zur Erfrischung der Vorübergehenden,« fuhr Gisquette fort, »spie die Fontaine aus drei Mündungen Wein, Milch und Gewürzwein aus, wovon trank wer wollte.«

      »Und ein wenig unterhalb Ponceau, bei der Trinité,« sagte Liénarde, »gab es ein Stück aus der Leidensgeschichte Christi, von stummen Personen aufgeführt.«

      »Ja, ich erinnere mich!« rief Gisquette, »der Herr am Kreuze und die beiden Schächer links und rechts.«

      Jetzt begannen die beiden Schwätzerinnen, in der Erinnerung an den Einzug des Herrn Legaten sich ereifernd, beide auf einmal zu sprechen.

      »Und weiter vorwärts bei der Malerpforte waren andere sehr reich geschmückte Personen zu sehen.«

      »Und bei der Fontaine Saint-Innocent der Jäger, welcher eine Hindin unter lautem Hundegebell und Hörnerschall verfolgte.«

      »Und bei dem Schlachthause von Paris die Gerüste, welche die Burg von Dieppe vorstellten.«

      »Und weißt du, Gisquette, als der Legat vorüberkam, spielte man die Erstürmung und allen Engländern kostete es die Köpfe.«

      »Und nach dem Thore des Châtelet hin waren sehr schöne Figuren zu sehen!«

      »Und auf der Wechslerbrücke, die oben ganz mit Teppichen behangen war.«

      »Und als der Legat vorüberzog, ließ man auf der Brücke mehr als zweihundert Dutzend Vögel aller Art fliegen; das war herrlich, Liénarde.«

      »Heute wird's viel schöner sein,« fuhr endlich der Unbekannte fort, welcher ihnen anscheinend mit Ungeduld zuhörte.

      »Ihr versprecht uns, daß dies Schauspiel schön sein wird?« sagte Gisquette.

      »Ohne Zweifel,« antwortete er; dann fügte er mit einem gewissen Nachdrucke hinzu: »Meine Fräulein, der Verfasser desselben bin ich.«

      »Wahrhaftig?« riefen die jungen Mädchen ganz erstaunt.

      »Gewiß!« antwortete der Dichter, indem er sich vornehm in die Brust warf; »das heißt, wir sind zwei: Johann Marchand, der die Bretter zugeschnitten, das Gerüst des Theaters und das Holzwerk aufgebaut hat, und ich, der das Stück gemacht hat. Ich heiße Peter Gringoire.«

      Der Dichter des »Cid« hätte mit nicht mehr Stolz sagen können: »Peter Corneille.«

      Unsere Leser haben bemerken können, daß schon eine gewisse Zeit verflossen sein mußte seit dem Augenblicke, wo Jupiter hinter den Vorhang zurückgekehrt war, und der Verfasser des neuen Stückes sich so plötzlich der naiven Bewunderung Gisquettens und Liénardens offenbart hatte. Sonderbare Thatsache! Diese ganze, wenige Minuten zuvor so unbändige Menge wartete jetzt mit Sanftmuth auf das Wort des Schauspielers hin; was die ewige und in unsern Theatern noch alle Tage erprobte Wahrheit darthut, daß das beste Mittel, das Publikum geduldig warten zu machen, das ist, ihm zu erklären, daß man sofort beginnen werde.

      Jedoch der Student Johannes ließ sich nicht in Sicherheit einwiegen.

      »Holla, he!« schrie er auf einmal mitten in der ruhigen Erwartung, die dem Lärme gefolgt war: »Jupiter, heilige Jungfrau, Teufelsgaukler, wollt Ihr uns foppen? Das Stück, das Stück! Fangt an oder wir beginnen von neuem!«

      Mehr brauchte es nicht.

      Eine Musik von lauten und gedämpften Instrumenten ließ sich aus dem Innern des Gerüstes heraus vernehmen; der Vorhang hob sich; vier geputzte und geschminkte Personen traten hervor, kletterten die steile Theaterleiter hinauf und stellten sich, auf der obern Plattform angekommen, in einer Linie vor dem Publikum auf, welches sie mit tiefer Verbeugung begrüßten. Jetzt schwieg die Symphonie. Das Stück begann nun.

      Nachdem die vier Personen das Beifallsklatschen für ihre Verbeugungen reichlich eingeerntet hatten, begannen sie unter andächtigem Schweigen der Hörer einen Prolog, mit dem wir den Leser bereitwillig verschonen wollen. Uebrigens beschäftigte sich das Publikum, wie heutzutage noch geschieht, mehr mit den Costümen, welche sie trugen, als mit der Rolle, die sie vortrugen; und in Wahrheit, es war in der Ordnung. Sie waren alle vier in halb gelbe und halb weiße Gewänder gekleidet, die sich von einander nur durch die Beschaffenheit des Stoffes unterschieden; die eine war in Gold- und Silberbrokat, die andere in Seide, die dritte in Wolle, die vierte in Leinwand gekleidet. Die erste Person trug ein Schwert in der Rechten, die zweite zwei goldne Schlüssel, die dritte eine Wage, die vierte einen Spaten; und um den beschränkteren Köpfen, welche die Bedeutung dieser Attribute nicht vollkommen klar hätten begreifen können, zu Hilfe zu kommen, konnte man unten auf der brokatenen Robe in großen, schwarzgestickten Buchstaben lesen: »Ich bin der Adel«; unten auf der seidenen: »Ich bin die Geistlichkeit«, auf der wollenen: »Ich bin der Handel« und auf der leinenen: »Ich bin die Arbeit«. Das Geschlecht der beiden männlichen Figuren war für jeden urtheilsfähigen Zuschauer an den weniger langen Gewändern und an der Mütze angedeutet, welche sie auf dem Kopfe trugen, während die beiden weiblichen Erscheinungen nicht so kurz gekleidet und mit einer Haube geschmückt waren.

      Es hätte viel böser Wille dazu gehört, um aus dem Inhalte des Prologs nicht zu begreifen, daß die Arbeit mit dem Handel, die Geistlichkeit mit dem Adel vermählt war, und daß die zwei glücklichen Paare gemeinsam einen prächtigen Golddelphin hatten, den sie nur mit der Schönsten zu verbinden beabsichtigten. Sie zogen also durch die Welt, auf der Suche nach dieser Schönheit, und nachdem sie nach und nach die Königin von Golkonda, die Prinzessin von Trapezunt, die Tochter des Groß-Kans von der Tartarei u.s.w. u.s.w. verworfen hatten, waren Arbeit und Geistlichkeit, Adel und Handel nach dem Justizpalaste gekommen, um sich auf der Marmorplatte niederzulassen, und vor einem verehrungswürdigen Publikum so viele Sittensprüche und Maximen auszukramen, wie man damals bei der Facultät der freien Künste, in den Prüfungen, wo die Meister ihre Doctorhüte erlangten, Trugschlüsse, Determinationen, Redefiguren und Disputationen an den Mann bringen konnte.

      Alles das war wahrhaftig sehr schön.

      In dieser ganzen Menschenmenge jedoch, über welche die vier Erscheinungen um die Wette Fluten von Gleichnisreden ausschütteten, gab es kein aufmerksameres Ohr, kein klopfenderes Herz, kein unstäteres Auge, keinen gereckteren Hals, als Auge, Ohr, Hals und Herz des Autors, des Dichters, dieses braven Peter Gringoire, welcher kurz zuvor dem Entzücken nicht hatte widerstehen können, den beiden hübschen Mädchen seinen Namen zu nennen. Er war nicht weit von ihnen entfernt hinter seinen Pfeiler zurückgekehrt, und dort hörte, sah und verschlang er. Der wohlwollende Beifall, mit welchem der Vortrag seines Prologs aufgenommen worden war, tönte noch in seinem Innern nach, und er war ganz von jener Art verzückter Betrachtung hingerissen, mit welcher ein Autor seine Gedanken, einen nach dem andern, von den Lippen des Schauspielers in die Stille eines ungeheueren Auditoriums fallen hört. Würdiger Peter Gringoire!

      Es thut uns leid, es zu sagen, aber diese erste Verzückung wurde sehr bald gestört. Kaum hatte Gringoire seine Lippen an den berauschenden Becher der Freude und des Triumphes gelegt, als ein Wermuthstropfen hineinfiel.

      Ein zerlumpter Bettler,

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