Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Jaroslav Hašek
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Читать онлайн книгу Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk - Jaroslav Hašek страница 32
Er wollte in die Höhe springen und fiel auf Schwejk, der zu boxen anfing und ihn dann auf den Sitz legte.
»Ich will etwas!« schrie der Feldkurat, »aber ich weiß nicht was. Wissen Sie nicht, was ich will?« Er ließ den Kopf in völliger Resignation hängen.
»Was gehts mich an, was ich will«, sagte er ernst, »und Sie, Herr, gehts auch nichts an. Ich kenne Sie nicht. Was unterstehn Sie sich, mich zu fixieren? Können Sie fechten?«
Er wurde für eine Minute kampflustig und machte den Versuch, Schwejk vom Sitz zu werfen.
Dann, als Schwejk ihn beruhigt hatte, wobei er ihn ohne Scheu sein physisches Übergewicht fühlen ließ, fragte der Feldkurat: »Haben wir heut Montag oder Freitag?«
Er war auch neugierig, ob gerade Dezember oder Juni sei, und bezeugte eine große Fähigkeit, die verschiedensten Fragen zu stellen: »Sind Sie verheiratet? Essen Sie gern Gorgonzola6? Habt ihr zu Haus Wanzen gehabt? Hatte euer Hund die Hundeseuche?«
Er wurde mitteilsam. Er erzählte, daß er für die Reitstiefel die Peitsche und den Sattel schuldig sei, daß er vor Jahren Tripper gehabt und ihn mit Hypermangan kuriert habe.
»Zu etwas anderem war weder Zeit noch Rat«, sagte er rülpsend, »kann sein, daß es Ihnen bitter scheint. Aber sagen Sie, eah, eah, was soll ich machen, eah? Sie müssen mirs schon verzeihn.
Autotherm«, fuhr er fort, indem er vergaß, wovon er vor einer Weile gesprochen haue, »heißen Gefäße, die Getränke und Speisen in ihrer ursprünglichen Wärme erhalten. Was halten Sie davon, Herr Kollege, welches Spiel ist gerechter: Färbl oder Einundzwanzig?
Wirklich, ich hab dich schon irgendwo gesehn!« rief er, indem er versuchte, Schwejk zu umarmen und mit den Lippen voller Speichel zu küssen, »wir sind zusammen in die Schule gegangen.
Du guter Kerl, du«, sagte er sanft, während er seinen eigenen Fuß streichelte, »wie du gewachsen bist, seit ich dich nicht gesehn hab. Die Freude, daß ich dich seh, wiegt alle Leiden auf.«
Er geriet in Dichterlaune und hub an, von der Rückkehr glücklicher Gesichter und heißer Herzen zum Sonnenglanz zu sprechen.
Dann kniete er nieder und begann zu beten: »Gegrüßt seist du, Maria«, wobei er aus vollem Halse lachte.
Als sie vor seiner Wohnung hielten, war es sehr schwer, ihn aus der Droschke zu bekommen.
»Wir sind noch nicht an Ort und Stelle!« schrie er, »helft mir! Man entführt mich! Ich will weiterfahren!« Er wurde im wahren Sinne des Wortes aus der Droschke gezogen wie eine gekochte Schnecke aus dem Gehäuse.
Einen Augenblick lang schien es, als würde er in Stücke gerissen, denn er verfing sich mit den Füßen hinter dem Sitz.
Er lachte laut, weil er sie angeschmiert hatte. »Ihr zerreißt mich, meine Herren.«
Dann wurde er durch den Hausflur über die Treppe zu seiner Wohnung geschleppt und in der Wohnung wie ein Sack aufs Kanapee geworfen. Er erklärte, daß er das Automobil nicht zahlen werde, weil er es nicht bestellt habe, und es dauerte über eine Viertelstunde, bevor man ihm erklärte, daß es sich um eine Droschke handle.
Auch dann gab er nicht seine Zustimmung und wandte ein, daß er nur im Fiaker fahre.
»Ihr wollt mich anschmieren«, erklärte der Feldkurat, indem er Schwejk und dem Droschkenkutscher bedeutungsvoll zuzwinkerte, »wir sind zu Fuß gegangen.«
Und plötzlich, in einer Anwandlung von Großmut, warf er dem Droschkenkutscher seine Börse zu: »Nimm dir alles, ich kann zahlen. Mir kommts nicht auf einen Kreuzer an.«
Er hätte sagen sollen, daß es ihm auf sechsunddreißig Kreuzer nicht ankomme, denn mehr gabs in der Börse nicht. Zum Glück unterzog ihn der Droschkenkutscher einer gründlichen Untersuchung, wobei er von Watschen sprach.
»Also hau mir eine herunter«, sagte der Feldkurat, »glaubst du, daß ichs nicht aushalte? Fünf Watschen von dir halt ich aus.«
In der Weste des Feldkuraten fand der Droschkenkutscher ein Fünfkronenstück. Er ging, sein Schicksal und den Feldkuraten verfluchend, der ihn aufgehalten und ihm das Geschäft verdorben habe.
Der Feldkurat schlief nur langsam ein, weil er ununterbrochen Pläne schmiedete. Er wollte alles mögliche unternehmen, Klavier spielen, Tanzstunden besuchen und Fische backen.
Dann versprach er Schwejk seine Schwester, die er nicht hatte. Auch wünschte er, man solle ihn ins Bett tragen, und zu guter Letzt schlief er ein, indem er erklärte, er fordere, ihn als einen Menschen anzusehen, der den gleichen Wert besitze wie ein Schwein.
III
Als Schwejk am Morgen zum Feldkuraten ins Zimmer trat, fand er ihn auf dem Diwan liegend und angestrengt darüber nachdenkend, wieso ihn jemand auf so sonderbare Art begossen hatte, daß er mit der Hose an dem ledernen Kanapee klebe.
»Melde gehorsamst, Herr Feldkurat«, sagte Schwejk, »daß Sie sich in der Nacht…«
Einige Worte klärten ihn auf, wie entsetzlich er sich irre, wenn er glaube, begossen worden zu sein. Der Feldkurat, der einen ungewöhnlich schweren Kopf hatte, war in bedrückter Stimmung.
»Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er, »wie ich aus dem Bett aufs Kanapee gekommen bin.«
»Im Bett waren Sie überhaupt nicht, gleich, wie wir gekommen sind, hab ich Sie aufs Kanapee gelegt, weiter is es nicht mehr gegangen.«
»Und was hab ich aufgeführt? Hab ich überhaupt was aufgeführt? War ich nicht vielleicht betrunken?«
»Nicht zum Sagen!« entgegnete Schwejk, »vollkommen, Herr Feldkurat, ein kleines Delirium is auf Sie gekommen. Ich glaube, es wird Ihnen guttun, wenn Sie sich überziehn und abwaschen wern.«
»Mir ist, wie wenn mich jemand verprügelt hätt«, klagte der Feldkurat, »und dann hab ich Durst. Hab ich mich nicht gestern herumgeschlagen?«
»Es war nicht so arg, Herr Feldkurat. Der Durst ist die Folge von dem gestrigen Durst. Draus kommt man nicht so bald heraus. Ich hab einen Tischler gekannt, der hat sich zum erstenmal am Silvester im Jahre 1910 besoffen und am ersten Jänner früh hat er solchen Durst gehabt, und es war ihm so schlecht, daß er sich einen Hering gekauft hat und von neuem getrunken hat, und so macht ers täglich schon über vier Jahre, und niemand kann ihm helfen, weil er sich immer schon Samstag Heringe auf die ganze Woche kauft. Das is halt so ein Ringelspiel, wie ein alter Feldwebel beim 91. Regiment gesagt hat.«
Der Feldkurat war von einem vollendeten Kater und einer vollständigen Depression befallen. Wer ihn in diesem Augenblick gehört hätte, wäre überzeugt gewesen, daß er die Vorträge des Doktors Alexander Batĕk »Erklären wir dem Dämon Alkohol, der uns unsere besten Männer mordet, Krieg auf Tod und Leben« besuche und seine »Hundert ethischen Funken« lese.
Er legte sichs allerdings auf seine Art aus. »Wenn man noch«, sagte er, »edle Getränke trinken möcht wie Arrak, Maraschino, Kognak, aber ich hab gestern Wacholderbranntwein getrunken. Ich wundre mich, daß ich das saufen kann. Schmecken tuts widerlich. Wenns wenigstens Griotte wär. Die Leute