Die Geheimnisse von Paris. Эжен Сю

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Die Geheimnisse von Paris - Эжен Сю Große verfilmte Geschichten

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die Kaschemme mit Blut getränkt, wäre die Eule nicht Bakel in den Arm gefallen ...

      »Eine Sekunde, Mörderchen! Eine Sekunde! Die bei ihm sitzt, ist, weiß der Teufel! mein Balg, meine Jöhre, die mir Gerstenzucker mauste, statt ihn zu verkaufen! ... Luderchen! Wo hast du denn gesteckt die lange Zeit über? Na, siehst, du kommst mir doch immer unter die Finger, Kröte! Aber ängstige dich weiter nicht. Einen Zahn werde ich dir ja nicht wieder ausreißen, aber Tränen will ich dir aus deinen schönen Augen locken, daß sie grün und blau werden sollen. Und schwarz ärgern sollst du dich über mich! Denk dir, Jöhre, jetzt weiß ich, wer dich in die Welt gesetzt hat. Im Bagno hat Bakel den Kerl getroffen, der dich zu mir brachte, als du noch ein ganz klein Püppchen warst. Denk dir nur, Jöhre, Vater und Mutter von Dir sind reiche Leute.« – »Was? Ihr kennt meine Eltern?« rief das Mädchen. – »Ja, mein Mann weiß, wer deine Mutter ist. Aber ehe ich leide, daß ers dir sagt, reiß ich ihm die Zunge aus. Er ist erst gestern noch mit dem zusammen gewesen, der dich zu mir brachte. Erst warst du bei seiner Frau, aber sie bekam kein Geld mehr für dich. Deine Mama hat sich nämlich nicht viel aus dir gemacht. Die hätts am liebsten gesehen, du wärest schnell gestorben. Aber der Mann, der dich zu mir gebracht hat, hat alle Ausweise über dich, sogar Briefe von deiner Mutter, und wenn er davon keinen Gebrauch macht, na, so hat er seine guten Gründe dazu. Aber flenne, soviel du willst, wer deine Mutter ist, erfährst du ganz sicher nicht.«

      »Besser auch«, sagte das Mädchen, eine Träne aus den Augen wischend, »meine Mutter hält mich für tot.«

      Rudolf hatte Bakel ganz vergessen über den Reden der Frau, und Bakel, als er sich nicht mehr unter der faszinierenden Gewalt von Rudolfs Blicken befand, war der Schwäche, die ihn befallen hatte, wieder Herr geworden. Daß der schmächtige Mensch daran denken könnte, sich mit ihm im Kampfe zu messen, wollte ihm nicht in den Sinn kommen, und im Vertrauen auf seine Riesenkraft trat er wieder zu dem Mädchen und rief der Eule grob zu: »Genug nun mit den Reden! Wenn du nicht herkommst, Mädel, dann zerfetze ich deinem jungen Laffen seine Fratze, damit ich dir noch schöner vorkomme, als er.«

      Mit einem einzigen Satze war Rudolf über den Tisch hinüber. Bakel stellte sich in Fechtpositur, den Oberkörper zurückgeneigt und die beiden Arme vor sich hinstreckend, während er sich auf das eine seiner wuchtigen Beine wie auf einen Pfeiler stützte. Eben als Rudolf sich über ihn herstürzen wollte, ging die Tür der Kaschemme auf, und der Kohlenträger, ein Mann von fast sechs Fuß Höhe, trat rasch herein, schob den Meister Bakel beiseite, trat zu Rudolf heran und sagte diesem auf englisch ins Ohr: »Gnädiger Herr! Tom und Sarah warten am Ende der Straße.« – Rudolf machte, als er die Worte hörte, eine zornige Bewegung und warf einen Louisdor auf den Tisch. Dann rannte er zur Tür hin. Bakel wollte sich Rudolf in den Weg stellen. Rudolf aber versetzte ihm ein paar Faustschläge ins Gesicht, daß ihm Hören und Sehen verging. Wie betäubt wankte er zurück und stürzte mit halbem Leibe über den Tisch hin. Minuten vergingen, bis er sich wieder fassen konnte. Als er aber Rudolf hinter her rannte, war derselbe mit dem Kohlenträger schon im Straßengewirr verschwunden. Von der anderen Straßenseite her traten zwei Männer in die Kaschemme, fast außer Atem, wie von langem und schnellem Laufe. Als Bakel zurückkehrte, sah er noch, wie sich die beiden Männer in der Kaschemme verblüfft umsahen. Dann sagte der eine: »Gräßlich! Gräßlich! Abermals ist er uns entgangen« – »Geduld, Geduld!« sagte der andere, »jeder Tag ist vierundzwanzig Stunden lang, und ein Menschenleben währet, wenn auch nicht ewiglich, doch lange genug, um eine gestellte Aufgabe zu erfüllen.« Die beiden Männer redeten in englischer Zunge.

      Sechstes Kapitel. Tom und Sarah

      Der eine der beiden Männer, die einer weit höheren Klasse angehörten, als die in der Kaschemme verkehrten, war groß und lang, hatte fast weißes Haar, aber schwarze Brauen und schwarzen Backenbart, dazu ein knochiges Gesicht und ein strenges, hartes Aussehen. An dem runden Hute, den er in der Hand hielt, war ein schwarzer Flor befestigt. Sein langer, schwarzer Rock war bis unter das Kinn zugeknöpft. Ueber engen braunen Tuchhosen trug er lange Stiefel. An Haltung, Wuchs und zartem Körperbau erkannte man leicht eine Dame in Männertracht.

      »Tom,« sagte Sarah auf englisch, »fordern Sie etwas zu trinken und erkundigen Sie sich bei den Leuten nach ihm!« – »Jawohl, Sarah«, versetzte der Mann mit dem weißen Haar und den schwarzen Brauen. In fast reinem Französisch ersuchte er sodann die Wirtin um einen guten Trunk.

      Der Eintritt der beiden Personen hatte in der Gaststube großes Aufsehen erregt, ließen doch ihre Kleidung und ihr Auftreten sofort erkennen, daß sie gemeinhin nicht an solchen Orten verkehrten, während anderseits ihre unruhigen, besorgten Mienen mutmaßen liehen, daß sie durch wichtige Gründe hierher geführt worden waren. Schürt, Bakel und Eule ließen keinen Blick von ihnen. Das unter dem Namen Schalldirne dem Leser bekannte Mädchen, erschreckt durch die Begegnung mit der Eule, wie durch die Drohungen Bakels, sie mit sich zu nehmen, hatte die Zeit wahrgenommen, um unbemerkt durch die halboffene Tür zu verschwinden. – Die Wirtin stellte eine Flasche auf den Tisch. Tom warf ein Hundertsousstück auf den Tisch, weigerte sich, das Geld zu nehmen, das ihm die Wirtin darauf herausgeben wollte und forderte statt dessen Mutter Ponisse auf, sich zu ihnen zu setzen. – »Sehr freundlich, mein Herr, sehr freundlich«, antwortete die Wirtin, einen verwunderten Blick auf Tom heftend. – »Geben Sie mir, bitte, Bescheid, liebe Frau«, erwiderte Tom, »auf eine Frage: wir wollten hier einen Bekannten treffen, einen großen, schmächtigen Herrn, der einen Schnurrbart trägt wie ich.« – »Ach, das ist doch der Herr, der eben noch hier gesessen hat«, sagte die Wirtin; »ein Kohlenträger rief ihn eben heraus, und mit ihm ist er fortgegangen.« – »Gewiß, die beiden sind es«, sagte Tom. – »Waren sie allein hier?« fragte Sarah. – »Der Kohlenträger war nicht mit in der Stube. Der Mann, den Sie mir beschrieben haben, saß hier mit einem Mann und einem Mädel, die bei uns die Namen Schalldirne und Schürmann führen.« Dabei zeigte die Wirtin auf den letzteren, während sie sich nach dem Mädchen vergeblich umsah. Tom und Sarah sahen sich nach Schuri um.

      »Kennen Sie den Mann?« fragte Sarah ihren Begleiter, als sie ihn ein paar Minuten lang aufmerksam gemustert hatten. – »Nein. Karl hatte Rudolfs Spur am Eingange zu diesem Gassenlabyrinth verloren; als er aber Murph um diese Spelunke in seiner Kohlenträger-Maske schleichen und in einemfort durch die Fenster lugen sah, merkte er, daß wir wieder die Fährte gefunden hätten, und stattete sofort Bericht ab.«

      Während zwischen diesen beiden Personen in dieser Weise leise gesprochen wurde, gab es zwischen Bakel und der Eule eine andere Zwiesprach. »Der große, magere Musje hat der Wirtin hundert Sous hingeworfen. Es ist bald Mitternacht. Draußen regnets und stürmts. Wenn sie Weggehen, schleichen wir ihnen nach. Ich packe den Wicht von hinten und nehm ihm sein Geld ab. Er hat ein Weibsbild bei sich. Da wird er keinen Lärm schlagen.« – »Und sollte sie welchen schlagen wollen«, fügte die Einäugige bei, »dann zieh ich mein Vitriolfläschchen aus der Tasche und zerschlag ihr auf ihrer Fratze.« Dann verzog sie ihr Gesicht in schreckliche Falten. »Du, Mörderchen«, fuhr sie fort, »das aber versprichst du mir, hörst du? Wenn uns der Balg noch einmal vor die Augen kommt, dann packen wir sie und schleifen sie mit.« Auch ihre Fratze will ich ölen, damit sie sich nichts mehr drauf einbilden kann.« – »Du, Eule«, erwiderte Bakel, »soviel sage ich dir, du wirst noch meine Kalle vor Gott und dem Pfaffen, denn deine Ideen und deine Courage suchen ihresgleichen. Du arbeitest geschickter als alle Männer, die ich kenne.«

      Da wandte Tom sich an Schuri. »Sagt mal, Freund, wir wollten uns hier mit einem guten Bekannten treffen. Mit Euch hat er hier zu Nacht gegessen. Ihr müßt ihn doch also kennen. Sagt uns doch, wohin er sich von hier begeben hat.« – »Ich kenne den, nach dem Ihr fragt, bloß von den Prügeln her, die er mir vor etwa zwei Stunden verabfolgt hat, als ich einem Mädel ein paar verabfolgen wollte.« – »Und vorher hattet Ihr ihn nicht gesehen?« – »Mit keinem Blicke. Wir trafen uns in dem Hausflur von Rotarms Bude.« – »Frau Wirtin«, rief Tom, »noch eine Flasche von Ihrem Besten!« Dann stand er auf und setzte sich mit Sarah neben

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