Der Landdoktor Classic 35 – Arztroman. Christine von Bergen

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Landdoktor Classic 35 – Arztroman - Christine von Bergen страница 3

Der Landdoktor Classic 35 – Arztroman - Christine von Bergen Der Landdoktor Classic

Скачать книгу

kleinen See, in dem sie früher oft mit ihrer Schwester und ihren Freundinnen geschwommen war. Einem unwiderstehlichen Drang folgend bog sie in den unbefestigten Weg ein, parkte vor der Baumgruppe und stieg aus.

      Für ein paar Augenblicke sog sie die vom Duft der Gräser und Wiesenblumen erfüllte samtweiche Luft tief ein. Insekten summten um ihre nackten Beine herum auf der Suche nach Nektar. Inzwischen stand die Sonne hoch am Himmel, der sich in einem tiefen Blau über ihr spannte. Zirruswolken zogen ihre Strähnen nach Süden. Über der Senke lag eine brütende Hitze. Die Luft stand still, als würde sie auf etwas warten. Da entdeckte sie den Mann. Im Delfinschwimmstil durchschnitt er den See. Auf seinem gebräunten Oberkörper perlte das Wasser, wenn dieser bei seinen rhythmischen Stößen immer wieder an der Oberfläche sichtbar wurde.

      Wie gebannt blieb sie stehen. Sie konnte den Blick nicht von dem sportlichen Schwimmer losreißen. Jetzt hatte er das Ufer erreicht, richtete sich auf und strich sich mit beiden Händen das Wasser aus den blonden Locken. Er schien sich völlig unbeobachtet zu fühlen, allein mit sich und der idyllischen Umgebung. Unbehagen bemächtigte sich ihrer. Sie kam sich vor wie eine Spannerin. In dem Moment, als sie sich umdrehen und den Rückzug antreten wollte, entdeckte er sie. Über das schimmernde Wasser hinweg fanden sich ihre Blicke. Sie konnte seine Augenfarbe nicht erkennen, aber sie war sich sicher, dass sie blau waren. So blau wie der Sommerhimmel an diesem Mittag.

      Und während sie den Blick des Fremden erwiderte, tauchte ihr Leben plötzlich in eine andere Dimension ein, eine andere Farbe. Von jetzt an würde nie wieder etwas so sein, wie es gewesen war. Das wusste sie. Einfach so, tief im Herzen. Der Mann, den sie um die Dreißig schätzte, trat jetzt aus dem Wasser und kam auf sie zu. Sie fühlte sich unfähig sich zu bewegen. Wie angenagelt blieb sie stehen, konnte sich seiner Anziehungskraft, die sie selbst auf diese Entfernung spürte, nicht entziehen. Er war groß und schlank und ging mit langen federnden Schritten am Ufer vorbei. Er machte den Eindruck, als würde er genau wissen, wohin er wollte. Sie schluckte. Ihr Herz schlug schneller.

      Kam er wirklich auf sie zu? Sie hatte den Eindruck. Was mochte er von ihr wollen? Oder lagen seine trockenen Sachen nur irgendwo in ihrer Nähe?

      Diese Gedanken schossen ihr durch den Kopf, während sie dem Fremden entgegen sah. Nur noch wenige Meter, dann hatte er sie erreicht. Ihr Herzschlag beschleunigte sich noch einmal. Sie erwartete, dass er an ihr vorbeigehen würde, im Abstand von zwei, drei Metern, vielleicht ein freundliches »Hallo« dabei murmelnd. Aber er blieb stehen, drei Schritte von ihr entfernt, und schenkte ihr ein Lächeln, das ihr weiche Knie machte.

      »Hey«, sagte er mit einer Stimme, die sehr dunkel, sehr weich klang.

      Jetzt erkannte sie, dass um seine tatsächlich tiefblauen Augen ein Kranz von Fältchen lag. Auch zu beiden Seiten seines sensibel geschnittenen Mundes zogen sich zwei scharfe Linien hinunter, die von einem ereignisreichen Leben erzählten.

      »Hey«, antwortete sie und lächelte zurück. Sie konnte gar nicht anders. Ihr Mund lächelte ganz von selbst, und sie war sich sicher, dass sich dieses Lächeln auch in ihren Augen widerspiegelte.

      Er gefiel ihr. Nein, es war viel mehr. Er faszinierte sie.

      »Ein schöner Tag«, sagte er leichthin. Dabei schien er es als ganz natürlich zu empfinden, dass er nur Badeshorts trug. Er verhielt sich so natürlich, als wäre er ein Stück dieser Natur.

      »Und so warm«, erwiderte sie mit belegter Stimme.

      Ihre Antwort hörte sich in ihren Ohren dümmlich an, aber ihr war nichts anderes, nichts Sinnvolleres eingefallen, obwohl sie sonst nicht auf den Mund gefallen war.

      »Das Bad war erfrischend«, führte er das Geplänkel fort, wieder mit diesem Lächeln, das sie gänzlich gefangen nahm. Dann schüttelte er den Kopf und warf sein Haar zurück. Schließlich ließ er sich ganz unbekümmert im Gras nieder, neben seinem Kleiderbündel, das sie übersehen hatte.

      »Erst mal abtrocknen«, sagte er wie zu sich selbst. Er schaute zu ihr hoch. »Setz dich doch. Der See ist für alle da.«

      Wie hypnotisiert folgte sie seiner Einladung, mit zwei Meter Abstand zwischen ihnen. Er blickte über die Wasserfläche, auf die die Mittagssonne funkelnde Reflexe warf.

      Mit hämmerndem Herzen folgte sie seinem Blick. Unbehagen machte sich in ihr breit, eine Gefühl von Beklemmung. Sie schwiegen, und dieses Schweigen mit einem ihr völlig unbekannten Menschen machte sie nervös.

      »Die kleinen Wellen zu beobachten ist faszinierend, gell?«, sagte der Fremde nun.

      Sie räusperte sich, um ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.

      »Ja. Es hat so etwas Beruhigendes an sich«, antwortete sie, ohne ihn anzusehen. »Etwas Elementares. Das Wasser wird sich auch noch in Jahrhunderten bewegen.«

      Was rede ich denn da für einen Schwachsinn, schalt sie sich den Bruchteil einer Sekunde später. Sie spürte, wie ihr vor Peinlichkeit über diesen verbalen Müll die Röte in die Wangen stieg. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass er sie von der Seite ansah.

      »Das hast du gut ausgedrückt«, sagte er zu ihrer großen Überraschung ernst.

      Wieder schauten sie auf die Wasserfläche und wieder schwiegen sie. Sie bemerkte, wie er in die Tasche seiner zusammengelegten, abgewetzten Jeans griff und eine zerdrückte Zigarettenpackung sowie Streichhölzer herausnahm. Die Streichholzpackung trug die Aufschrift eines der teuersten Hotels im Tal, was sie verwunderte. Die verfärbten Turnschuhe neben der Hose wie auch das lappige schwarze T-Shirt sahen nicht gerade danach aus, als könnte er sich eine Übernachtung in dieser Nobelherberge leisten.

      Er bot ihr eine Zigarette an. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«

      »Stört es dich, wenn ich …?« Unsicher sah er sie an.

      Sie lächelte. »In dieser Weite schadet der Rauch niemandem.«

      Beim Anzünden der Zigarette fielen ihr seine schön geformten Hände auf. Sie waren groß, schlank, mit flachen gepflegten Nägeln. Sensible Hände. Am Handgelenk trug er eine Sportuhr. Er steckte Zigaretten und Streichhölzer zurück in die Jeans und rauchte mit entspannter Miene.

      »Wohnst du im Wiesler?« Sie konnte sich diese Frage nicht verkneifen.

      In seinem Blick lag Erstaunen. »Wie hast du das denn erraten?«

      Sie musste lachen. »Die Streichholzpackung …«

      Da schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und lachte auch. »Klar. Wäre ich ein international gesuchter Verbrecher, hättest du mich jetzt schon dingfest gemacht.«

      »Wahrscheinlich wärst du nicht so dumm, um mit deinem richtigen Namen dort einzuchecken, oder?« Sie warf ihm einen belustigten Blick zu.

      »Was ich in diesem Fall aber getan habe«, antwortete er augenzwinkernd.

      »Dann bist du auch kein international gesuchter Verbrecher. Zumindest kein besonders cleverer.«

      »Wer weiß?« Er sah sie intensiv an. »Womöglich bin ich so clever, dass ich dich jetzt hier gleich aus dem Weg räume, weil du mich verraten könntest.« Der Ausdruck in seinen blauen Augen wechselte plötzlich. Der gerade noch belustigte machte einem ernsten Platz, einem Blick voller Intensität.

      Sie schluckte, sah sich instinktiv um.

      Weit und breit war niemand zu sehen. War das

Скачать книгу