Der Landdoktor Classic 35 – Arztroman. Christine von Bergen
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Ganz vorsichtig bog er Patricias Kopf nach hinten und öffnete ihren Mund. Patricias bereits apathischer Zustand kam ihm zu Hilfe, ganz behutsam den Endotrachealtubus durch die verengten Atemwege schieben zu können. Er arbeitete hoch konzentriert. Er durfte keinen Fehler machen. Eine Fehlintubation in die Speiseröhre hätte den Tod für das Mädchen bedeutet. Nachdem der Endotrachealtubus die engste Stelle passiert hatte, seufzte er erleichtert auf. Nun konnte Patricia ausreichend beatmet werden. Schon nach ein paar Atemzügen verbesserte sich ihr Zustand.
Elisabeth sah ihn mit feuchten Augen an. Ein dankbares Lächeln zitterte um ihre Lippen. Beide beobachteten, wie sich der Anfall abschwächte. Endlich konnte Matthias seine Patientin von dem Tubus befreien.
»Ich möchte sie mit in die Miniklinik nehmen«, sagte er zu ihrer Großmutter. »Zur Beobachtung.«
Elisabeth nickte. »Ich packe ein paar Sachen ein.«
*
Michaela hatte ein ganz schlechtes Gewissen. Das Kälbchen war geboren worden, während sie zur Entbindung in der Kreisstadt gewesen war. Als sie am Spätnachmittag nach Hause gekommen war, hatte ihr Onkel stolz von dem neuen Familienzuwachs berichtet.
Schade, dachte Michaela voller Bedauern. Sie war sich sicher, dass Patricia auf ihren Anruf wartete, und nun musste sie das Mädchen enttäuschen. Da war sie wohl zu voreilig bezüglich ihrer Versprechungen gewesen. Einige Zeit überlegte sie hin und her. Schließlich rief sie Elisabeth Söntker an und erklärte ihr die Situation.
»Machen Sie sich keinen Kopf«, beruhigte Patricias Großmutter sie. »Wir haben zurzeit andere Sorgen. Patricia liegt seit heute Vormittag in der Miniklinik. Drei Tage soll sie dort zur Beobachtung bleiben. Sie hatte einen schweren Asthmaanfall.«
»Das tut mir leid«, kam es Michaela aus vollem Herzen über die Lippen. Und plötzlich kam ihr eine Idee. »Wissen Sie was, Frau Söntker? Ich werde Patricia dort besuchen und ihr persönlich sagen, dass das Kälbchen inzwischen geboren ist.«
»Da wird sie sich bestimmt freuen. Jetzt, da es ihr besser geht, ist ihr natürlich langweilig. Ich bin zwar bis eben bei ihr gewesen und wir haben Spiele gemacht, aber ein bisschen Abwechslung wird ihr gut tun. Zumal sie heute auch noch Geburtstag hat.«
Nach dem Telefonat blickte Michaela auf die Uhr. Nein, jetzt war es schon zu spät für einen Krankenbesuch. Sie würde sofort am nächsten Morgen in die Miniklinik fahren. Vorher jedoch wollte sie noch eine Kleinigkeit kaufen. Kinder freuen sich immer über Geschenke.
*
Die Überraschung stand Patricia auf dem Gesicht geschrieben, als Michaela das gemütlich eingerichtete Krankenzimmer der Miniklinik betrat.
»Wird das Kälbchen heute geboren?«, lautete die erste Frage des Mädchens.
Michaela lächelte es an. »Tut mir leid, aber das ist gestern schon zur Welt gekommen. Ich wusste nichts davon. Es ist viel zu früh gekommen.«
Das blasse Kindergesicht verzog sich zur bedauernden Miene.
»Sei nicht traurig«, sagte sie rasch. »Auf dem Hof werden immer wieder Tierkinder geboren.« Sie ging auf Patricia zu, deren zierliche Gestalt in dem tiefen Sessel ganz verloren schien. »Du hattest gestern Geburtstag. Ich wollte dir gratulieren. Schau mal, ich habe dir auch ein kleines Geschenk mitgebracht.«
Mit großen Augen nahm die Kleine das Päckchen entgegen und packte es vorsichtig aus. Als das kleine weiche Plüschkälbchen zum Vorschein kam, begann Patricia zu strahlen.
»Wie süß!«, rief sie aus und drückte das Tier zärtlich an sich. »Ich habe ganz viele Stofftiere«, verriet sie Michaela. »Aber ein Kälbchen ist nicht noch nicht dabei.«
»Da bin ich aber erleichtert«, erwiderte diese. »Ich freue mich, dass es dir gefällt.«
»Und wie.«
Michaela setzte sich an den niedrigen Tisch, auf dem noch andere Geschenke lagen, und fragte: »Geht es dir wieder besser?«
Die Kleine nickte, während sie mit versonnenem Lächeln ihr neues Stofftier streichelte.
»Du hast ja viele schöne Geschenke bekommen«, fuhr sie fort.
Sie entdeckte ein paar Rollschuhe, ein hübsches T-Shirt, ein Buch und Malsachen. Neben dem Tisch auf dem Boden stand ein übergroßes Paket in Geschenkpapier, auf dem sich weiße Eisbären tummelten. Unter der riesigen rosa Schleife lugte ein Geldschein hervor.
»Warum hast du das noch nicht ausgepackt?«, fragte sie erstaunt.
Patricia sah sie ernst an. »Ich weiß nicht.«
»Mach es doch mal auf.«
»Nö.« Die Kleine schüttelte den Kopf.
»Ich an deiner Stelle wäre neugierig, was da drin sein könnte«, sagte sie in aufmunterndem Ton.
»Ich nicht. Es ist von meinem Vater. Er hat es gestern vorbei gebracht und ist dann wieder gefahren. Er hatte keine Zeit.« Der traurige Ton in der Kinderstimme schnitt Michaela ins Herz.
Sie ahnte, aus welchem Grund Patricia das Geschenk ablehnte. Sie wollte weder Spielsachen noch Geld von ihrem Vater. Sie wollte seine Liebe.
Sie räusperte sich.
»Malsachen?«, fragte sie dann und zeigte auf die bunten Kreidestifte und den Zeichenblock.
»Die sind von Dr. Brunner und seiner Frau.«
»Dann malst du also gern?«
»Und wie.« Die braunen Kinderaugen begannen zu leuchten. »Meine Lehrerin sagt, dass ich im Zeichenunterricht die Beste bin.«
»Super. Kannst du mir ein paar deiner Bilder zeigen?«
»Die sind alle zu Hause, aber du kannst mich ja zu Hause besuchen.«
Michaela lächelte das Mädchen an, zu dem sie sich auf eine ganz besondere Weise, die sie sich selbst nicht erklären konnte, hingezogen fühlte.
»Da ist eine gute Idee«, stimmte sie Patricias Vorschlag zu.
Da bemerkte sie, wie sich die Miene des Kindes verdunkelte.
»Mein Vater hatte mir versprochen, mit mir in den Zirkus zu gehen. Das hatte ich mir zum Geburtstag gewünscht. Jetzt ist er wieder weg, und der Zirkus ist nur noch ein paar Tage hier.«
»Wollen wir beide zusammen dorthin gehen?«, kam es ihr da ganz spontan über die Lippen.
Sie hielt den Atem an, erschrocken über diesen Vorschlag. Wie kam sie dazu? Sie kannte Patricia doch kaum.
Als sie jedoch das Strahlen auf dem Kindergesicht sah, warf sie alle Bedenken über Bord. Patricia freute sich. Und darüber wiederum freute sie sich. Also, warum sollte sie nicht mit ihr in den Zirkus gehen? Patricia war die Tochter einer guten Bekannten ihrer Schwester. Demnach bestand