Leni Behrendt Classic 49 – Liebesroman. Leni Behrendt
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Er wies mit einladender Handbewegung auf einen der wuchtigen Lehnstühle, in dem ihre grazile Gestalt fast verschwand. Der Hausherr ließ sich ihr gegenüber nieder. Gleich darauf servierte Gottfried das ländliche Mahl, das Holda sich trefflich munden ließ. Sie zierte sich durchaus nicht, als der Diener ihr die Schüssel mit den Speckeiern zum zweitenmal reichte, langte zu, und die Hausherrin sagte freundlich:
»So ist es recht, Fräulein Rothe! Essen Sie nur tüchtig. Sie sind ja in dem glücklichen Alter, wo Sie auf schlanke Linie noch nicht zu achten brauchen.«
»Würde ich auch sonst nicht tun, Frau Gräfin«, kam es vergnügt zurück. »Meinen guten Appetit lasse ich mir durch niemand und nichts rauben.« Als sie sah, daß der Diener das Zimmer verließ, setzte sie lachend hinzu: »Außerdem hat Frau Auguste mir geraten, mein Körpergewicht um zwanzig Pfund zu vermehren, bevor ich mit dem Hungerleben einer Werkstudentin beginne. Sonst traut sie mir nämlich nicht die Kraft zu, einen Zahn ziehen zu können.«
Frau Feline lachte amüsiert, was den Sohn aufhorchen ließ. Demnach schien ein Lachen bei der Dame nur selten zu sein. Kein Wunder bei dem Schmerzenszug in dem vornehmen Antlitz, den Augen, die gewöhnlich so leidvoll blickten, und dem weißen Haar, wie es nur Kummer und Gram so frühzeitig bleichen kann.
»Also hat unsere Getreue Sie bereits unter strenges Verhör genommen?«
»O ja, Frau Gräfin. Ich kam mir beinahe wie im Examen vor. Fürchtete schon, daß sie mir das Lachen verbieten würde, aber ein striktes Verbot erfolgte gottlob nicht. Denn ich lache für mein Leben gern!«
Wie fragend sah sie in die finsterblickenden Augen des Grafen hinein. Nanu, sie hatte doch nichts Ungehöriges gesagt? Lachen war doch etwas Gutes, Schönes. Komischer Kauz! Nein, er gefiel ihr nicht.
Umso mehr tat es die Gräfin. Die hatte sie bereits in ihr Herz geschlossen. Sie nahm sich vor, recht lieb zu der Ärmsten zu sein, die so jammervoll dahinvegetieren mußte. Ein Mitgefühl bemächtigte sich ihrer, das sie bis in den Traum verfolgte.
Sie zerbrach sich darin den Kopf, wie der Frau mit dem schmerzlichen Lächeln wohl zu helfen wäre. Und da ein Traum ja Unmögliches möglich machen kann, fühlte sich Holda als hervorragende Ärztin. Als sie jedoch über die Heide schritt, um im Gefühl ihres Könnens der Gräfin Heilung von ihrem Leiden zu bringen, kam diese ihr leichtfüßig entgegen. Lachend schlug sie die Laute und sang dazu das Lied, das die jetzt Träumende am Abend gesungen hatte. Sie jubelte die Weise hinaus in die blühende Heide, und ihr Sohn, der glückstrahlend an ihrer Seite schritt, tat begeistert mit.
Allein der Anblick erfreute Holda keineswegs, sondern verursachte ihr einen brennenden Schmerz, der auch noch anhielt, als sie sich erschrocken im Bett hochrichtete. Unwillkürlich griff sie nach dem Kopf und stieß dort auf ein Etwas, das gewiß nicht traumhaft schön zu nennen war. Eine Biene hatte sich im Haar der Schläferin verfangen und in ihrer Bedrängnis zugestochen.
Bienen, nein, die liebte Holda durchaus nicht. Also tötete sie das Tierchen, das mit Verlust seines Stachels sowieso sein Leben einbüßen mußte, vollends und rieb dann wehleidig die schmerzende Stelle am Kopf. Der Tag fing ja gut an!
Sie sprang aus dem Bett, trat an das geöffnete Fenster, und was sich da ihren Augen bot, ließ ihr das Herz wieder einmal aufgehen vor Entzücken. Eine weite, gepflegte Rasenfläche, die wie smaragdgrüner Samt schimmerte. In der Mitte gleichfalls ein Springbrunnen, wie in den Anlagen vor dem Schloß. Den Rasen umsäumten Blumenrabatten und die Wege hoher Bäume.
Natürlich kannte Holda so manche Parkanlagen, aber diese schienen ihr besonders schön zu sein. Andächtig verharrte sie am Fenster, bis ein Geräusch sie aus ihrer Andacht riß. Sie beugte sich vor und erspähte unten eine Terrasse, wo Gottfried den Frühstückstisch deckte. Die Wirtschafterin stand daneben.
»Guten Morgen, Frau Auguste!« rief das Mädchen fröhlich, worauf die Angesprochene hochsah.
»Guten Morgen, Fräulein Rothe«, grüßte sie gnädig zurück. »Gut, daß Sie auch schon munter sind. Da kann Ihr Gepäck gleich nach oben gebracht werden.«
Fort war sie und erschien bald darauf bei Holda, in jeder Hand einen großen Koffer, die sie mit Nachdruck abstellte.
»Daß Gott erbarm, sind die Dinger schwer! Möchte nur wissen, was Sie da alles mitgeschleppt haben! Darüber wunderten sich schon die Männer, die das Gepäck von der Bahn holten.«
»Warum mühen Sie sich nun selbst damit ab?«
»Ach was!« wurde sie unwirsch unterbrochen. »Soll etwa so ein Mannsbild die Koffer hierherbringen, wo Sie im Spinnwebennachthemd herumlaufen? Und die Hausmädchen sollen sich durch Nebenarbeit nicht versäumen.«
»Ich hätte die Koffer ja holen können«, wagte Holda einzuwenden.
Die Gestrenge funkelte sie empört an. »Im Hemd vielleicht, was? Außerdem wären Sie Heimchen unter der Wucht zusammengeknickt.«
»Aber Frau Auguste, warum sind Sie den immer gleich so böse?« Holda lachte sie treuherzig an. »Es ist gewiß nicht meine Art, im Nachthemd herumzuspazieren. Ich besitze nämlich so ein Etwas, das sich Morgenrock nennt. Schauen Sie mal.«
Sie hielt der Frau das Kleidungsstück hin, worüber diese mißbilligend den Kopf schüttelte.
»Ein Nuschtwerk ist das. Haben Sie von der Sorte noch mehr in den Koffern?«
Aha, dachte Holda amüsiert, die liebe Neugierde! Dann sagte sie harmlos: »Darin sind nur die Kleidungsstücke, die jeder Mensch haben muß.«
»Und wovon sind die Dinger denn so schwer?«
»Das machen die Bücher.«
»Wozu brauchen Sie die?«
»Um mich zu bilden.«
»Lernen also. Na, dazu dürfte Ihnen wenig Zeit bleiben. Sie stehen hier nämlich in Lohn und Brot und haben daher Ihre Pflicht zu tun, verstanden?«
»Selbstverständlich, Frau Auguste. Aber in meiner Freizeit…«
»Haben Sie wenig.«
»Na schön«, entgegnete das Mädchen friedfertig, was Guste beschwichtigte.
Es klang schon freundlicher, als sie sagte: »Man muß eben erst abwarten, ob Sie taugen oder nicht. Nun ziehen Sie sich an, in einer halben Stunde ist Frühstück. Heute werde ich Ihnen noch das Bad richten, aber bilden Sie sich nur nicht ein, daß dieses zur Gewohnheit wird.«
»Wo werde ich denn so unbescheiden sein«, tat Holda scheinheilig. »Ich kann mich als einfache Angestellte doch unmöglich von Ihnen bedienen lassen, die Sie hier eine so einflußreiche Persönlichkeit sind.«
»Nun schwingen Sie bloß nicht so große Töne.« Ihre Ehrfurcht fand bei der anderen keine Würdigung. »Von Bedienen kann hier gar nicht die Rede sein. Das gibt’s hier nicht. Die Frau Gräfin hält sich noch nicht einmal eine Zofe, weil sowas nur für gesunde Menschen ist. Bei uns gibt’s überhaupt nur so viel Dienerschaft, wie es sich für Herrschaften schickt.«
Damit verschwand sie im Badezimmer, und Holda lachte in sich hinein. Sie schloß einen Koffer auf, blickte prüfend auf die Kleider, wählte ein buntgemustertes Seidenkleidchen, dazu ein samtnes, besticktes Bolerojäckchen,