Leni Behrendt Classic 49 – Liebesroman. Leni Behrendt
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Außerdem machte die Wirtschafterin der armen Holda das Leben nicht leicht, beehrte sie mit ihrem Mißtrauen, bespitzelte sie an allen Ecken und Enden. Holda nahm das aber nicht tragisch, sondern freute sich spitzbübisch, wenn es ihr gelang, der Wachsamen ein Schnippchen zu schlagen.
Denn trotz aller Bewachung gelang es ihr immer wieder, der Gräfin bei ihren heimlichen Gehversuchen behilflich zu sein, die streng nach Doktor Schliereits Verordnung vor sich gingen. Viel Erfolg war allerdings noch nicht zu verzeichnen, was Holda mehr entmutigte als Frau Feline.
»Lassen Sie nur, mit einem Streiche fällt eben keine Eiche«, bemerkte die Gräfin einmal humorvoll. »Was meinen Sie wohl, wie herrlich das sein wird, wenn wir beiden Verschwörer eines Tages vergnügt über die Heide wandern werden!«
»Das werde ich nicht mehr erleben, Frau Gräfin.«
»Warum denn nicht? Gedenken Sie etwa zu sterben?«
»Das habe ich durchaus nicht vor«, war die lachende Erwiderung. »Aber bis die Wanderung sich verwirklichen läßt, bin ich schon längst nicht mehr hier. Denn im Frühjahr gedenke ich mit dem Studium zu beginnen.«
»Und solange noch sollte ich mich mit meiner mühsamen Spaziererei ohne Erfolg abplagen? Das ist gerade keine Ermutigung, die Sie mir da geben, mein Kind! Sehen Sie mich nicht so erschrocken an, ich resigniere nicht so leicht, sondern beherzige das Sprichwort, daß Hoffnung nicht zuschanden werden läßt. Jetzt haben wir erst einmal Frühsommer, es folgen Herbst und Winter, und dann sollen sie mal sehen, wie leichtfüßig ich dahinschreite!«
»Wie ich mich darüber freuen würde! Leider kann ich für Frau Gräfin so wenig tun.«
»Sie tun schon gerade genug für mich.« Sie sah lächelnd in die treuherzigen Augen des Mädchens hinein. »Und zwar durch Ihren goldnen Frohsinn. Der ist nämlich meine beste Medizin.«
»Wirklich, Frau Gräfin?«
»Wirklich. Ich werde Sie nach Ihrem Fortgang hier sehr vermissen, meine kleine Holde.«
»O wie schön«, lachte das Mädchen glückselig. »Das ist wie ein kostbares Geschenk, das ich soeben erhielt. Nun weiß ich doch, daß Frau Gräfin zufrieden mit mir sind, und alle anderen können mir gestohlen bleiben!«
Frau Feline stimmte in das herzfrohe Lachen ein und sah so dem Sohn entgegen, der den Rosengang betrat, in dem der Rollstuhl stand.
»So fröhlich, Muttchen?« fragte er fast vorwurfsvoll, und sie antwortete vergnügt:
»Na, was denn! Soll ich etwa grämlich sein, wo die Sonne so golden scheint, die Rosen duften und die Vögel jubilieren? Du verlangst wahrlich viel von mir, mein Sohn.«
»Nicht so, meine kleine Mama. Ich freue mich über deine Fröhlichkeit.«
»So siehst du gerade aus«, bemerkte sie trocken mit einem Blick in sein finsteres Gesicht. »Hast du etwas auf dem Herzen, weil du zu so ungewohnter Stunde bei mir erscheinst?«
»Ja. Ich möchte dir sagen, daß sich der Professor für heute nachmittag angemeldet hat. Er will wieder einmal nach dir sehen.«
»Nett von dem alten Herrn, die beschwerliche Reise zu machen. Seine Anhänglichkeit ist anerkennenswert.«
»Wie du manchmal sprichst, Mutter! Nimmst du den Arzt etwa nicht ernst, der eine Kapazität auf seinem Gebiet ist?«
»Gott bewahre, mein Junge. Die erkenne ich gewiß an.«
»Will ich meinen. Rege dich vor seinem Kommen bitte nicht zu sehr auf.«
»Sollte mir einfallen! Was er sagen wird, weiß ich nämlich schon vorher.«
»Mutter!«
»Egbrecht! Nun friß mich bloß nicht«, lachte sie vergnügt. »Ich freue mich direkt auf den Besuch des Professors.«
Den lernte Holda dann auch am Nachmittag kennen. Ein verknöcherter Herr, sehr von seiner Weisheit durchdrungen. Er untersuchte die Gräfin flüchtig und meinte danach wichtig:
»Meine Verordnungen haben zu einem winzigen Schritt der Besserung geführt. Die Lähmung ist natürlich nicht zurückgegangen, wie ich sofort bemerken konnte. Aber Herz und Nerven haben sich gebessert. Demnach ist sie recht brav gewesen, unsere verehrte Kranke.«
»Sehr brav.«
»Muß man auch sein, wenn man sein Leben erhalten will. Also immer weiter folgsam bleiben, Frau Gräfin. Hübsch ruhig dasitzen, sich niemals anstrengen. Das kann zum Herzschlag führen.«
Holda, die auf Wunsch der Gräfin der Unterredung beiwohnte, hätte dem salbadrigen Herrn am liebsten in sein verkniffenes Gesicht gelacht. Wenn er nur wüßte, der Wichtigtuer, der die Besuche nach Elchheiden gewiß nur unternahm, weil sie gut bezahlt wurden! Wie konnte der Graf nur so großes Vertrauen zu dem Mann mit seinen überalterten Ansichten haben? Da hatte Doktor Schliereit schon recht, wenn er ihn verbohrt nannte.
»Wie gefällt Ihnen denn der kluge Herr Professor?« fragte Frau Feline, als sie wieder mit Holda allein war.
»Gar nicht, Frau Gräfin. Wenn ich später einmal einen solchen Chef bekommen sollte, das wäre, um mit Gustchen zu sprechen, daß Gott erbarm.«
»Ja, Holdakind, wer sich in Gefahr begibt, kommt oft darin um. Aber wiederum ist eine Gefahr, die man erkennt, eigentlich keine mehr, weil man sich vor ihr schützen kann.«
»Aha, ich verstehe. Gefahr: Der Professor. Die sich davor Schützende: Frau Gräfin. Gehorchen ist nichts, gehorsam tun alles.«
Beim Anblick des lachenden Mädchengesichts wurde es der Frau warm ums Herz. Wie ein wärmender Sonnenstrahl wirkte die fröhliche Art des jungen Menschenkindes auf die Leidende, die jahrelang durch das Leben so gelitten und so im Schatten gestanden hatte.
*
Es war nun schon das dritte Mal, daß Holda über die Heide dem Dorf zuschritt, um ihren freien Sonntagnachmittag im Doktorhaus zu verleben. Heute bereute sie es, nicht den Weg durch den Wald gewählt zu haben; denn die Sonne meinte es gar zu gut. Sie brannte unbarmherzig vom wolkenlosen Himmel, kein Lüftchen regte sich.
Nun, schön war anders, doch Holda ließ sich nicht verdrießen. Tapfer schritt sie drauflos, aber sie war doch froh, als sie die Doktorfamilie begrüßen konnte, die wie gewöhnlich um diese Zeit auf der Veranda beim Nachmittagskaffee saß.
Auf allgemeinen Wunsch hatte sie ihre geliebte Laute mitgebracht, die ihr in bunter Pracht über die Schulter hing. Mit Wohlgefallen ruhten aller Augen auf dem lachenden Mädchengesicht, die des jungen Arztes am wohlgefälligsten.
Donner noch eins, so eine süße Krabbe konnte einem Mann schon das Herz heiß machen! Wenn es nach ihm ginge, sollte sie gar nicht erst mit dem Studium beginnen, das sie sich so eigensinnig in ihr reizendes Köpfchen gesetzt hatte! Eifrig schob er einen Korbsessel neben den seinen, in den sie sich fallen ließ.
»Was macht die Heimlichkeit?« erkundigte sich der Senior der Familie.
»Es geht langsam voran, Herr Doktor«, berichtete Holda. »Gestern machte Frau Gräfin ganz selbständig drei Schritte. Ist das nicht ganz herrlich?«
»Kann