Karin Bucha Classic 42 – Liebesroman. Karin Bucha
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Ihre Stimme wird weich, wie eine mütterliche Liebkosung. »Herr Karsten«, spricht sie hastig weiter, und sie schiebt ihm einen Sessel zu, da sie bemerkt, daß er sich kaum auf den Beinen halten kann. »Bitte, setzen Sie sich. Ist Ihnen nicht gut? Warten Sie, ich hole Ihnen eine Stärkung.«
Sie wirbelt zur Tür hinaus und kehrt mit der Flasche und einem Glas zurück.
Sie gießt die goldgelbe Flüssigkeit ein und reicht es ihm. Wie im Traum greift er zu. »Trinken Sie«, ermuntert sie ihn.
»Sehen Sie, Herr Karsten. Ich brauche den Kontakt mit dem Leben, mit der Jugend. Aber ich habe in Menschengesichtern lesen gelernt. Sie haben einen Teufel in Engelshülle geliebt. Das muß ich Ihnen einmal sa-gen –«
»Frau Bothe!« stöhnt Karsten auf. Ihm ist, als würde der Boden unter seinen Füßen hinweggerissen und er stürze in eine grundlose Tiefe.
»Lassen Sie mich aussprechen«, bittet sie leise. »Nehmen Sie meinen Rat an, er kommt aus einem selbstlosen Herzen. Lassen Sie diese Person laufen. Beginnen Sie ein neues Leben. Sie haben das Zeug dazu. Sie dürfen nicht an dieser Frau zugrunde gehen, denn sie ist schlecht, abgrundschlecht. Ich weiß, daß es für Sie eine große Enttäuschung ist. Aber ich habe mir vorgenommen, Ihnen die Augen zu öffnen, und das tue ich hiermit. Wenngleich ich Ihnen weh tun muß. Marion Wendland hatte noch mehr Liebhaber – außer Ihnen!«
Ulrich Karsten ist wie zerbrochen. Er spürt die tiefe Wahrheit aus Milli Bothes Worten. Wie ein Blatt im Winde, hin und her geweht kommt er sich vor, ohne Halt, ohne die Sicherheit, die die Liebe, die treue, opferbereite Liebe einer Frau zu geben vermag.
»Mein Gott!« Wieder dieses aus dem Herzen kommende, qualvolle Stöhnen. Jetzt weiß er es mit Bestimmtheit. Er hat es während seiner Haft geahnt. Aber jetzt hat er Gewißheit. Sie ist grausam, vernichtend, zu Boden drückend.
Marion! ruft sein Herz, Marion, warum hast du mich verraten?
Er erhebt sich, taumelt, und sofort steht Milli Bothe neben ihm. »Bleiben Sie heute hier, Herr Karsten, bitte. Gehen Sie nicht in dieser Verfassung fort.«
»Danke, vielen Dank.« Sein Mund verzieht sich schmerzlich. Sie weiß nicht, meint er es ehrlich oder ist es Ironie. Sie weiß nur, daß er ihr unendlich leid tut. Er nimmt ihre Hand, drückt sie und geht zur Tür. »Ich muß mich um mein Zimmer kümmern.«
Wieder steht sie neben ihm. »Ihr Zimmer ist längst weitervergeben, Herr Karsten. Ihre Sachen liegen bei mir –«
»Ach so«, sagt er und macht eine mutlose Handbewegung. Trotzdem muß er hinaus. Die Decke will ihm auf den Kopf fallen. Die Wände erdrücken ihn. Er braucht Luft, frische Luft.
*
Karsten betritt den Kassenraum der Deutschen Bank. Mit unsicheren Schritten steuert er hinüber zu dem bekannten Schalter. Der Beamte sieht von seinen gebündelten Scheinen auf, erkennt ihn, und auch hier hört Karsten ein erschrecktes:
»Sie, Herr Karsten?«
»Ich wollte mich nur einmal über den Stand meines Kontos erkundigen«, sagt er, sich zur Ruhe zwingend.
»Natürlich, selbstverständlich«, ereifert der Mann sich und holt die Unterlagen herbei. Eifrig erklärt er. »Hundert Mark ist der augenblickliche Stand Ihres Kontos –«
»Was sagen Sie?« Karsten beugt die hohe Gestalt und lehnt die Hände gegen die Glasverschalung. »Das kann doch wohl nicht möglich sein.«
Der Mann lächelt unverbindlich. »Es ist aber so. Das Konto wurde bis auf hundert Mark abgehoben. Hier bitte, wie Sie sehen, ist die Ausbuchung ordnungsgemäß vorgenommen worden.«
»Die Unterschrift«, murmelt Karsten.
»Marion Wendland!«
»Danke!«
Karsten dreht sich auf dem Absatz um und verläßt die Bank. Hundert Mark! Hundert Mark! Er lacht auf, grell, unnatürlich. Die Fußgänger sehen sich nach dem lachenden Mann um. Da flüchtet er. Er läuft sinnlos durch die Straßen. Kreuz und quer läuft er.
Alles ist wahr! Marion ist schlecht, abgrundschlecht! Diese Gedanken beherrschen ihn, halten ihn umklammert und schalten alle Vernunft in ihm aus.
Vernünftig wäre es, jetzt zu Milli Bothe zu flüchten und dort unterzukriechen. Aber gerade Mitleid kann er nicht vertragen.
Ich Narr. Ich blödsinniger Narr! Weiter denkt er nichts. Er denkt an die Stunde, da er seinen Rechtsanwalt gebeten hat, sein Büro aufzulösen und die Gelder auf sein Konto zu überweisen. Er hat es gewissenhaft erledigt, und Marion hat ihn um die Früchte harter Arbeit betrogen. Mehr noch. Sie hat ihm den Glauben an die Menschheit zerstört.
Wem kann er noch vertrauen? Und diese Frau hat er selbstlos, bis zur Selbstaufgabe, geliebt.
Vielleicht hat sie, während sie an seinem Herzen ruhte, an einen anderen gedacht. Vielleicht an den schwarzhaarigen John Unger?
Hat er sie überhaupt belästigt? Oder hat sie, Marion, ihm eine erbärmliche Komödie vorgespielt? Ist er das Opfer einer Täuschung geworden?
Mein Gott! Wer gibt ihm Antwort auf die vielen, vielen Fragen?
Auf einer Bank läßt er sich nieder. Todmüde, wie ausgepumpt! Er blickt über die blanke Wasserfläche, die vor seinen Füßen liegt. Er sieht die Lieblichkeit der Landschaft und sieht sie auch nicht. Er spürt nur die grenzenlose Einsamkeit, die Verlassenheit und die Verzweiflung.
Man müßte auf dem Grund dieses stillen Wassers liegen und schlafen, schlafen.
*
»Er ist frei!«
Mit dieser alarmierenden Nachricht holt Doktor Rauh Eva-Maria Harris aus dem Bett. Sie ist im Nu hellwach.
»Nein, Doktor, das kann doch nicht möglich sein«, stammelt sie und fühlt dabei den erhöhten Pulsschlag.
»Doch, soeben erfuhr ich es, und verzeihen Sie mir, daß ich zu so früher Stunde bei Ihnen anrufe.«
»Ich bin Ihnen dankbar.« Eva-Maria Harris nimmt den Hörer von der rechten in die linke Hand. »Und wo – wo ist er jetzt?« Atemlose Spannung liegt in dieser Frage.
»Ich vermute dort, wo seine Sachen sind, bei Frau Bothe. Sie glauben nicht, wie ratlos ich im Augenblick bin. Gehe ich zu ihm – oder warte ich, bis er mich aufsucht? Man muß sehr behutsam mit ihm umgehen.«
Eva-Maria nagt verzagt an der Unterlippe. Sie überlegt krampfhaft. Schließlich sagt sie: »Ich hätte die größte Lust, mich in der Pension Bothe einzuquartieren, um unauffällig unsere Bekanntschaft zu erneuern.«
»Meinen Sie nicht, er würde stutzig werden?« gibt er zu bedenken.
»Ach, es gibt so viele Gründe, die man