Familie Dr. Norden Classic 41 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Das weiß ich.«
Er sprach noch kurz mit Sophia und Käthe, als sie mit dem Medikamentenwagen kam, dann ging er wieder.
Sophia sah den beiden Krankenschwestern zu, wie sie die Injektionen fertig machten und Astrid die feine Nadel in Elmo Ohlsens Armvene gleiten ließ. Sie meinte, ein leichtes Zusammenzucken bei ihm gesehen zu haben, aber seine Augen blieben fest geschlossen. Käthe ging zu Sven, um ihm seine Injektion zu geben. Gleich danach verließ sie aber wieder die Intensivstation.
»Wieviel hast du noch gelesen, Sophia?« fragte Astrid.
Sophia deutete auf den Schluß der Seite. Ihr Gesicht entspannte sich. »Das ist doch wenigstens ein Trost. Nun werde ich auch alles lesen«, erklärte sie. »Paps darf auf keinen Fall etwas davon erfahren, das ist doch versprochen?«
»Das ist selbstverständlich«, erwiderte Astrid. Aber für sich dachte sie, wie Sophia wohl damit fertigwerden würde. Sie war ja noch so jung, so unerfahren und so ganz auf Elmo Ohlsen fixiert. Warum mußte sie gerade jetzt in einen solchen Konflikt gebracht werden!
»Sie sollten sich jetzt auch ausruhen, Astrid«, meinte Sophia. »Wie lange haben Sie überhaupt noch Dienst?«
»Bis zweiundzwanzig Uhr.«
»Das sind noch fünf Stunden.«
»Ich bin es gewöhnt, mach dir keine Gedanken. Du solltest aber lieber heimfahren und dich richtig ausschlafen.«
»Der Doc hat gesagt, daß Paps bald aufwachen wird.«
»Aber bestimmt nur für kurze Zeit, dann schläft er wieder lange. Es wäre nicht gut für ihn, wenn er sich um dich auch noch sorgen muß.«
»Er wird mir schon sagen, was er von mir erwartet und was ich tun soll.« Da vernahm sie einen Seufzer und verstummte.
Sie griff nach der Hand des Kranken und streichelte sie.
»Ich bin bei dir, Paps, hörst du mich?« sagte sie.
Ein Zucken lief über Elmos Gesicht. Ganz langsam hoben sich die Lider, aber die Augen waren trübe und ohne Ausdruck.
»Bist du wirklich da, Poppi?«
Es war der Kosename, den sie sich selbst gegeben hatte, weil sie zuerst das S nicht hatte sprechen können. Elmo nannte sie immer so, wenn sie allein waren.
»Ich bin bei dir, Paps, es wird alles wieder gut werden.«
»Es ging so schnell, ich konnte nicht mehr tun«, murmelte er.
»Du lebst, nur das zählt, und du wirst wieder ganz gesund.«
»Mein Liebling.« Zärtlichkeit lag in diesen zwei Worten, obgleich ihm das Sprechen schwerfiel. »Wirst du dich um die Tiere kümmern? Muck darf nicht zuviel Futter geben.«
»Ich sorge dafür, Paps. Denk du nur daran, daß du bald gesund wirst.«
Er seufzte wieder und schlief auch gleich darauf ein. Sanft strich Sophia ihm über das dichte, nur leicht ergraute Haar. Zum ersten Mal wurde ihr richtig bewußt, daß er, ein attraktiver Mann und gerade erst vierundzwanzig Jahre jung, als sie geboren wurde, nie eine Freundin hatte oder ernsthaftes Interesse an einer Frau zeigte. Er war immer nur für sie dagewesen. Sarah hatte ihn in die Rolle des Vaters gezwungen, um dann so bald wieder ihr wildes Leben fortzuführen. Er war der liebevollste Vater geworden, den sich ein Kind wünschen konnte. Heiße Tränen drängten sich aus ihren Augen, flossen über ihre Wangen und fielen auf seine Hände.
Astrid legte den Arm um Sophia.
»Er liebt dich so sehr, was kann sich ein Kind sonst wünschen«, sagte sie weich.
»Wie konnte sie ihn so betrügen«, flüsterte Sophia.
»Du fährst jetzt heim und kümmerst dich um die Tiere. Dann schläfst du dich gründlich aus, Kleines. Wenn er wirklich vor morgen früh erwacht und dich sehen will, wirst du angerufen.«
»Darf ich auch du sagen, Astrid?« fragte Sophia leise.
»Sehr gern, wenn wir allein sind.«
»Ich bin so froh, daß ich mit dir sprechen kann.«
Sie fuhr nach Hause und wurde von den Hunden mit gedämpfter Freude begrüßt, denn sie merkten natürlich, daß etwas nicht so war wie sonst. Sie vermißten Elmo besonders. Schekko wich dann allerdings nicht mehr von ihrer Seite, und als sie ein Bad nahm, legte er sich vor die Badezimmertür und rührte sich auch nicht, als Muck noch einmal kam, um nach ihnen zu sehen.
Sophia rief ihm durch die Tür zu, daß er warten möge und beeilte sich mit dem Abtrocknen und Haare fönen.
Muck saß in der Küche, Franzi und Bobo, die beiden Terrier, lagen zu seinen Füßen, standen aber sofort auf, um sich schwanzwedelnd bei Sophia einzuschmeicheln, denn sie wollten Schekko das Terrain nicht ganz allein überlassen.
»Wie geht es unserem Doktor?« fragte Muck mit rauher Stimme.
»Ich konnte schon kurz mit ihm sprechen. Du sollst die Tiere nicht zu gut füttern, Muck. Er wird wieder gesund, er hat ein starkes Herz. Trinkst du einen Tee mit mir?«
»Nichts dagegen einzuwenden, auf mich wartet ja keiner.«
Sophia brühte den Tee auf und stellte die Gebäckdose auf den Tisch, sie wußte, daß Muck die Plätzchen sehr mochte.
»Du hast Paps ja schon als Buben gekannt, Muck. Es ist eine lange Freundschaft.«
»Freilich, seine Eltern waren liebe Leut’, nur schad, daß seine Mutter auch so früh sterben mußte. Der Elmo war schon ein arg lieber Bub. Uns hat’s gefreut, daß er uns treu geblieben ist. Als sein Vater herkam, ein Norddeutscher und ein Preuß’, da haben die Dorfleut schon a bisserl gemotzt, weil sich die Lieserl für ihn entschieden hatte, aber er hat sich auch schnell eingelebt und viele Freunde gemacht. Ein feiner Mensch war er halt, wie unser Doktor auch.«
»Meine Mutter hast du auch gekannt, Muck. Sie war wohl nicht beliebt.«
»Mei, Dirndl, man hat sie ja kaum gekannt. Wie ein Wirbelsturm war sie da und auch wieder fort. Verstanden hat es wohl niemand, aber der junge Doktor wußte doch gar nichts von den Frauen, und solche wie die Sarah gibt es hier ja nicht. Aber unfreundlich war sie nicht, das kann ihr keiner nachreden. Sie hat halt nur nicht hierher gepaßt, und es war schon recht, daß sie dich hiergelassen hat. Das hätt’ deinem Papa ja das Herz zerrissen, wenn er sein Popperle hätt’ hergeben müssen. Aber er hätt’ schon eine liebe Frau verdient.«
»Das meine ich auch«, sagte Sophia leise. »Ich habe mich übrigens mit seiner Pflegerin angefreundet. Astrid heißt sie und ist eine ganz liebe, wie ein Engel ist sie mir vorgekommen. Wenn ich solche Mutter gehabt hätte, Muck, das hätte meinem Paps gutgetan.«
»Es ist nun mal so, daß wir es uns nicht aussuchen können, was der Herrgott bestimmt hat«, murmelte er.
»Dann muß ich mich fragen, warum der Herrgott so ungerecht sein kann. Jetzt wieder.