Leni Behrendt Classic 54 – Liebesroman. Leni Behrendt
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»Sie haben sich in den sechs Jahren, in denen Sie der Heimat fern waren, sehr verändert, Herr Uhde«, plauderte die alte Dame in ihrer liebenswürdigen, herzgewinnenden Art.
»Das ist ja auch kein Wunder, da Sie Schweres durchgemacht haben; einen lieben Menschen hergeben zu müssen, schneidet immer ins Lebensmark.«
»Das war es nicht allein, gnädige Frau«, entgegnete er höflich. »In den ersten Jahren wurde es mir nicht leicht gemacht, mich durchzusetzen. Ich kam wohl in das Haus meines Onkels, mußte jedoch genauso arbeiten wie ein Fremder – vielleicht noch mehr. Später wurde ich allerdings für die schwere Zeit entschädigt, da ging es mir beneidenswert gut.«
»Und doch zog die Heimat, Herr Uhde?«
»Ja! Besonders stark, nachdem ich meine Frau nicht mehr an meiner Seite hatte.«
»Wird das Töchterchen unser rauhes Klima vertragen?«
»Ich hoffe doch, gnädige Frau. Sonst müßte ich mich von dem Kinde trennen, was mir natürlich bitter schwerfallen würde. Aber darüber darf ich nicht einmal sprechen. Dann wird mein Mädel traurig. Stimmt’s, Kleines?«
»Ja«, bestätigte sie. »Ich gehe nicht mehr von meinem Papi fort. Auch nicht, wenn es hier so kalt ist, daß man schrecklich friert.«
»Es ist vereinbart, daß Graziella den Frühling und Sommer bei mir in Deutschland, die andere Zeit des Jahres in Brasilien verbringen soll«, erklärte Uhde. »Dagegen beginnt sie aber jetzt schon Einspruch zu erheben, jeden Tag aufs neue.«
»Das kann man dem Kind ja auch nicht verdenken, Herr Uhde; Sie sind ihm ja ein zärtlicher Vater, wie Fräulein Mienchen erzählte. Wenn es irgend geht, behalten Sie nur das Mädelchen bei sich. Kinder können den Eltern zum Segen werden; das habe ich an den meinen so recht erfahren. Es hat sich nämlich in den sechs Jahren Ihrer Abwesenheit viel Trauriges für uns ereignet«, setzte sie leise hinzu, während ihre Augen sich mit Tränen füllten. »Die ersten Jahre glaubte ich nicht überleben zu können – aber der Mensch gibt sich mit der Zeit eben zufrieden. Allein eines weiß ich: Hätte ich meine Kinder nicht gehabt, wäre ich zugrunde gegangen.«
Uhde sah die alte Dame teilnahmsvoll an. Er glaubte schon, daß es für diese Frau bittere Kämpfe gegeben hatte. Davon zeugten das schneeweiße Haar und das feine Antlitz, in dem Leid und Gram deutlich ihre Runen hinterlassen hatten.
»Aber jetzt habe ich mich mit allem abgefunden«, erzählte sie weiter. »Ich werde mit viel Liebe umgeben, und das ist für einen Menschen in meiner Lage die Hauptsache. Wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, dann will ich gewiß nicht klagen.«
»Haben Sie denn alles versucht, um Ihr Leiden zu beheben, gnädige Frau?«
»Es ist alles getan worden, was nur getan werden konnte, Herr Uhde. Das ganze Geld, das wir nach dem Zusammenbruch durch Verkauf von Wertgegenständen erhielten, hat meine Tochter für mich geopfert. Aber was einmal tot ist, das kann nicht mehr zum Leben erweckt werden. Das wußte ich von Anfang an. Ich habe daher nicht zulassen wollen, daß die Kinder das Geld, das sie so nötig für sich gebraucht hätten, immer nur für mich ausgaben. Aber sie hörten ja nicht; sie wollten eben nichts unversucht lassen.«
»Ist es Ihrem Fräulein Tochter nicht schwergefallen, sich in den veränderten Verhältnissen zurechtzufinden, Frau Grall?«
»Das habe ich nie zu spüren bekommen, Herr Uhde. Mein Mädel hat nie geklagt. Der Junge allerdings, der hat noch oft und lange gemurrt. Dann aber hat auch er sich allmählich zufriedengegeben. Er wäre nämlich so gern Landwirt geworden. Allein Herr Korsel, sein Vormund, hält den Kaufmannsberuf als geeigneter für ihn. Da muß man sich schon seiner besseren Erfahrung beugen. – Mein Sohn hat jetzt gerade Urlaub«, erzählte sie weiter. »Schade, daß das Wetter bisher so wenig schön war. Heute ist es ja besser, da haben die Kinder gleich einen langen Spaziergang unternommen.«
Uhde hörte dem Geplauder schweigend zu. Demnach schien die Dame ahnungslos von dem zu sein, was sich zwischen ihrem Sohn und Mollgeit zugetragen hatte. Wahrscheinlich erzählten ihre Kinder ihr nur das, was sie nicht erregen konnte. Und das ließ sich ja auch sehr leicht durchführen, weil die Kranke abgeschieden lebte.
»Da kommen die Kinder ja schon –«, sie zeigte mit einer Kopfbewegung aus dem Fenster, an dem sie saß und von dem aus sie einen Teil des Gutshofes übersehen konnte. Die Geschwister kamen Arm in Arm. Sie schienen sich gut zu unterhalten, denn sie lachten vergnügt.
Nun hatten sie die Mutter an dem Fenster entdeckt und winkten mit den Schneeglöckchen, die sie in der Hand hielten, fröhlich grüßend zu ihr hinüber.
Als sie das Zimmer betraten und die unerwarteten Gäste erblickten, wurden die frohen Mienen sofort auffallend abweisend. Iris begrüßte ihren Chef mit dem hochmütigen Kopfneigen, das ihn stets so reizte; Heino verbeugte sich stumm, während er das Kind, das ihm mit großen Augen entgegensah, feindselig musterte.
»Schau nur, Papi, ist das nicht der Junge, den wir damals auf der Landstraße sahen?«
Augenblicklich herrschte eine solche beklemmende Stille im Zimmer, daß die Atemzüge der Menschen hörbar wurden.
Bis dann Uhde sprach, ganz ruhig und sicher: »Du irrst dich, Graziella. Dieser junge Herr ist Fräulein Gralls Bruder. Ich wüßte nicht, daß er auf der Landstraße gewesen ist, als wir kamen.«
Graziella schien jedoch anderer Ansicht zu sein, denn in ihren Augen, die groß und verwundert in dem unbeweglichen Antlitz des Vaters forschte, las man deutlich: Du lügst ja!
Frau Grall, die nicht ahnen konnte, welche Erregung ihr Uhdes Geistesgegenwart erspart hatte, lachte harmlos auf.
»Da hast du dich wohl getäuscht, kleine Graziella? – Ich danke dir, mein Kind«, wandte sie sich dann an Iris, die ihr mit einer hastigen Gebärde die Schneeglöckchen hinhielt. »Es sind die ersten in diesem Jahr. Nun wird auch endlich der Frühling kommen. Zeit dazu ist es ja längst.«
»Was für Blumen sind das?« fragte Graziella neugierig. »Die habe ich noch nie gesehen.«
»Das glaube ich dir gern, mein Kind«, lächelte Frau Grall. »Die wachsen nicht in deiner Heimat. Gefallen sie dir?«
»Sehr!«
»Dann mag der Heino dir die seinen geben, mein Mädelchen. Hörst du, Junge?«
Heino hörte es wohl; er schien aber nicht gewillt zu sein, dem Wunsch der Mutter nachzukommen, und hielt die Blüten sogar fest umfaßt, als das kleine Mädchen bereits die Hand danach ausstreckte.
»Magst du mir die Blumen nicht geben?« fragte es verwundert.
»Graziella, du darfst Herrn Grall nicht duzen«, mahnte der Vater.
Doch da lachte sie hellauf. »Warum denn nicht, Papi? Er ist doch noch ein Junge!«
»Du hast ganz recht«, bestätigte Frau Grall erheitert; allein Heino schien anderer Meinung zu sein. Der Blick war nicht freundlich, mit dem er die Kleine musterte. Und noch weniger freundlich war die Gebärde, mit der er ihr die Schneeglöckchen reichte.
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