Pepi, lass mi eine ...!. Peter Elstner
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Diese sonderbare Szene ist vielen Fernsehzuschauern im Gedächtnis geblieben, weil sie zeigt, dass es gar nicht so einfach ist »hinter die Kulissen« zu blicken, und so können Sie sich vorstellen, warum das Buch diesen Titel erhielt.
Seltsam: Hätte man uns, wie geplant, in die Kabine gelassen, kein Mensch könnte sich heute an diesen Teil der TV-Übertragung erinnern …
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Erste Bilder
Meine Lieblingsplätze
Ich hab einen Steirerhut von der Mama auf, hüpfe wie Rumpelstilzchen vor einer Wiege auf und ab und staube mir aus einer Kinderpuderdose weißen Puder auf den Hut, auf den Kopf, und singe ein selbst erfundenes Lied … drinnen in der Wiege quietscht meine fünf Wochen alte Schwester, glucksend vor Vergnügen, lacht … und ich freu mich, dass ich sie zum Lachen gebracht habe. Irgendetwas hatte Vilma kurz zuvor gequält, sie hatte andauernd geweint, und meine Mutti sagte mir, sie habe Fieber …
Das sind meine ersten Erinnerungen, wenn ich so zurückdenke – ich muss da dreidreiviertel Jahre alt gewesen sein. Ich seh alles noch genau vor mir, wie in einem Film.
Ich weiß auch noch, dass ich oft in Mamas Bett schlafen durfte, an sie gekuschelt einschlief.
In dieser Zeit habe ich an meinen Vater keine Erinnerungen – er ist an der Front, im Krieg, hat mir Mama erklärt, und dass ich daran denken solle, dass Papa gesund nach Hause kommt. Dabei zeigte sie mir ein kleines Schwarzweiß-Foto, auf dem mein Vater vor der Insel Mont St. Michel in Frankreich, in stolzer, aufrechter Haltung, mit einer Schiffer-Militärmütze auf dem Kopf, zu sehen war. Dieses Foto hab ich heute noch, aber es ist in irgendeinem Koffer, irgendwo im Abstellraum des Kellers, irgendwann abgestellt in meiner Erinnerung, und einmal in meinem Leben möchte ich an diesen Platz, möchte ihn finden – um zu verstehen, was damals geschehen ist und warum mein Vater dasteht – so stolz … und warum er schlussendlich nicht aus diesem verdammten Krieg heimgekehrt ist …
Letzte Nachricht von ihm 1945 aus Lapanc bei Brünn … also vor der Haustür Wien. Er hatte dem Brief an meine Mutter noch eine Kinokarte beigefügt, so als würde er sagen wollen: »Reg dich nicht auf – es ist ohnehin alles normal!«
Aber nichts war in den Schlusstagen des Zweiten Weltkrieges »normal«. Wie wir später erfuhren – da war Mama einige Male mit einem Foto von Papa zu Heimkehrerzügen auf den Südbahnhof gefahren, doch niemand erkannte ihn –, hatten böhmische Partisanen alles, was deutsche Uniform trug, niedergemetzelt. Mama hat immer vermutet, dass Papa auch unter diesen Soldaten war … so kurz vor Wien …
Was ich auch noch vor mir sehe – zwei meiner Lieblingsplätze in unserer Zimmer-Küche-Wohnung, Wasser nicht am Gang, Klo innen, Lavoir zum Waschen auf einem Wasch-Stockerl in der Küche neben der Wasserleitung:
Lieblingsplatz 1:
Unter dem Esstisch mitten im Zimmer. Links davon eine Bettbank, gleich neben der Tür ein breites Bett, zwei Kleiderkasten rechts, eine Psyche (so was wie ein Schminktischerl) mit rechteckigem, geschliffenem Spiegel, ein kleiner Schreibtisch vor dem Fenster, das hinaus auf die Siebenbrunnenfeldgasse führt; eine mit Brettern vernagelte Verbindungstür zur danebenliegenden Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung meiner Großmutter mütterlicherseits.
Zurück zum Esstisch: Der hatte eine kreuzartige Verstrebung, knapp über dem Boden – da saß ich drauf und spielte mit meiner geliebten bunten Holz-Lilliputbahn, die mir Mama geschenkt hatte, oder blätterte in Bilderbüchern. Da, unter der Tischplatte, war in meinem Kopf alles vorhanden, da konnte ich, verborgen von den Blicken der Erwachsenen, meinen Fantasien freien Lauf lassen: Einmal war dieser Platz auf dem Kreuzbein eine Höhle, ein Indianerzelt, der Triebwagen der Straßenbahn … tsch...tsch...tsch..., natürlich die Eisenbahn und »brumm-brumm« das dumpfe, drohende Geräusch der Bombenflugzeuge über Wien – das war ebenso in meinem Kopf.
Lieblingsplatz 2:
Auf dem Fensterbrett. Das ist sehr breit, weil da drunter ein Rollbalken ist, den das Fensterbrett abschirmt – darunter ein Fahrrad-Souterraingeschäft – der Besitzer heißt Füssl.
Meine Aussichtsterrasse auf die Siebenbrunnenfeldgasse. Ich kann stundenlang da liegen und das karge Leben während des Krieges beobachten. Die Nachbarn, die einkaufen gehen, einige Radfahrer, einmal vielleicht in drei, vier Stunden ein Auto. Gegenüber unserer Wohnung ein Pferdemarkt und die freie Fläche des Heumarktes am Matzleinsdorfer Platz.
Rechts neben unserem Häuserblock, das frühere Arbeitsamt. (Später einmal die Kaserne der englischen Besatzungsarmee. Wenn die exerzierten und die Sergeants ihre Kommandos brüllten, hing die ganze Gasse an den Fenstern …)
Und dann ein Bild, das ich nie vergessen kann – es ist abends, Dämmerung, die Siebenbrunnenfeldgasse graue Einsamkeit.
Mama kommt langsam die Gasse runter, ganz langsam, Kopf tief gesenkt (in diesen hängenden, mit kleinem Blumenmuster versehenen Hemdkragen-Kleidern der Kriegszeit). Sie blickt hinauf zu mir, der ich da auf dem Fensterbrett liege und auf meine Mutti warte.
»Vilma ist gestorben«, stöhnt sie zu mir ins Parterre hinauf. Ich kann das nicht fassen, versteh auch nicht den Schmerz, den eine Mutter haben muss, aber ich spüre die Verzweiflung von Mama: Meine Schwester lebt nicht mehr!
Nur sechs Monate gelebt – gestorben an Diphterie – es gibt kein Penicillin … Vilma erstickt, trotz eines Schnittes im Hals … (das erste weibliche Wesen, das aus meinem engeren Umfeld stirbt).
»Scheiß-Krieg«, sagt meine Mutti.
Auf dem Topf
A propos … a propos
Ich hab doch noch einen Lieblingsplatz … den Topf …
Wenn meine Mutter Ruhe haben wollte, weil sie irgendeine Arbeit hatte, gab sie mir immer einen Bilder-Duden zum – vorerst Anschaun, ich konnte ja noch nicht lesen.
Diesen Bilder-Duden nahm ich überall mit, egal wo ich gerade in der Wohnung war – und schließlich kam ich drauf, dass ich am meisten Ruhe auf dem Abort hatte – auf dem Topf …
Und so hat Mama eigentlich dafür gesorgt, dass ich mir mit dem Bilder-Duden einen großen Teil meiner sogenannten Allgemeinbildung auf dem Topf erworben habe – mit des Dudens Hilfe hab ich sogar noch vor der Schule lesen gelernt.
Da sage man noch etwas gegen solche Improvisationen.
Die Gewürzhändler
Die Geschichte der Familie liest sich eigentlich wie ein Gesellschaftsroman um die Jahrhundertwende:
Mamas Eltern: Gewürzhändler-Familie Milik (wie der Name schon sagt, aus Böhmen, gleiches Entstehen, gleiches Wachsen wie die Firma Maggi, begütert), Oma Karoline wird Witwe, weil der alte Milik stirbt. Oma heiratet noch einmal, einen Kaufmann namens Gross – der verwirtschaftet alles. Oma schauderte, wenn sie erzählte, wie Gross mit dem von Milik erwirtschafteten Geld herumschmiss: »Er hat Hunderterscheine zu Weihnachten rund ums Brot gelegt, er wollt zeigen, wie gut