China am Ziel! Europa am Ende?. Christoph Leitl
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Gleichzeitig ist oft das Überhandnehmen der spekulativen gegenüber der realen Wirtschaft festzustellen – wer gebietet dem Einhalt?
Aufgelegte Betrügereien – Stichwort »Dieselgate« – unterminieren das Vertrauen in die Demokratie, weil sie dagegen machtlos ist, und in die soziale Marktwirtschaft, weil sie dem nicht entschieden genug entgegentritt. Wir höhlen damit unser Wertefundament aus. Und unsere Gesellschaft kippt aus dem Gleichgewicht.
Doch wer definiert, was wünschenswert ist? Wer definiert den Rahmen für internationale Konzerne und eine grenzenlose Finanzwirtschaft?
Die soziale Marktwirtschaft war ein perfektes Konzept, solange nationale Wirtschaft und nationale Politik in Verbindung waren. Freier Wettbewerb in einem sozialen Ordnungsrahmen war die Erfolgsformel in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts.
Heute steht eine mehr oder minder national verbliebene Politik einer mehr oder minder global organisierten Wirtschaft gegenüber. Die Ohnmacht der Politik wird immer deutlicher sichtbar, das Vertrauen der Menschen in sie immer geringer.
Eine begrenzte Politik sieht sich mit einer entgrenzten Wirtschaft konfrontiert. Internationale Finanzhaie bedrohen Demokratie und soziale Marktwirtschaft.
Wir brauchen daher übernationale Agreements. Nicht nur bei uns in Europa, wir brauchen Lösungsplattformen weltweit. Aber die G 20, die zwanzig größten Volkswirtschaften der Welt und damit auch die politisch bedeutendsten, können sich einfach nicht dazu entschließen, Probleme gemeinsam zu lösen, die ein einzelnes Land allein nicht lösen kann. Das Klimaabkommen von Paris war ein gutes Beispiel internationaler Zusammenarbeit, bis es von einem Teilnehmer, den USA, mutwillig zerstört wurde. Einrichtungen wie die Internationale Arbeitsorganisation ILO oder die UNO können ebenfalls nicht wirklich konstruktive Beiträge leisten.
Wer steuert unseren Globus?
Ein Hoffnungsschimmer immerhin: Die G 7, die sieben größten Volkswirtschaften der Welt, haben sich auf ein gemeinsames weltweites faires Besteuerungssystem verständigt. Was daraus wird, bleibt jedoch abzuwarten. Realisten hegen keine allzu großen Hoffnungen.
Die Klimakrise, die Digitalisierung, Artificial Intelligence und dringend notwendige Rahmenbedingungen für neue Technologiefelder sowie die Abwehr finanzwirtschaftlicher Bedrohungen – diese Themen und andere Fragen sollten in internationalen Abkommen behandelt werden. Wie sehr zeigt uns die Coronakrise, dass internationale Kooperation, Information und gemeinsames Handeln missachtet und sträflich vernachlässigt worden sind. Eine vernetzte Welt ohne politische Netzsteuerung wirft sich selbst aus der Bahn.
Niemand soll sagen, das alles sei überraschend gekommen. Schon im Jahr 2015 hat Bill Gates gemeint, dass die wahrscheinlichsten Zukunftskrisen nicht von Raketen und Nuklearwaffen ausgehen, sondern von einem sich rasant über die Welt verbreitenden Virus. Er war damit nicht nur weitsichtig, sondern hat auch konkrete Vorschläge gemacht, wie dem durch Vorsorge entgegenzuwirken sei. »Bereitet euch vor auf die weltweite Epidemie!« Seine Worte verhallten. Hätten sie nicht durch die G20 aufgegriffen werden sollen?
Wir haben es in der Hand, auf die drängenden Probleme der Gegenwart eine Antwort zu geben. Wenn Europa im Kleinen zeigt, wie man mit Gemeinsamkeit erfolgreich ist, könnte dies ein Vorbild für die Welt sein und vielen Menschen Ängste nehmen. Das gilt auch für den Sicherheitsbereich. Denn religiöser Fundamentalismus, Terrorismus, atomare Bedrohung, Kündigung von Mittelstreckenraketenabkommen, Brandnester politischer Natur im Nahen Osten und vieles andere sind akute Gefahren für uns alle.
Und denken wir weiter – hinaus in den Weltraum: Wäre nicht auch hier eine globale Koordination notwendig? Mit Rahmenbedingungen, die das Weltall nicht nur zu einer Müllansammlung ausgedienter Satelliten oder zum neuen Rüstungsschauplatz machen? Die von reinen Wettläufen zu gemeinsamen Zielsetzungen führen könnten?
Noch einmal: Wer steuert unseren Globus? Wir schauen zu, während die Welt aus den Fugen gerät.
DER STRATEGIE-BRUCH
Das Strategiemodell (West-)Europas nach 1945 war einfach: Wir empfangen amerikanische Wiederaufbauhilfe (Marshallplan) und erschließen dafür den Amerikanern unsere Märkte. Die USA beschützen uns militärisch vor der Bedrohung durch den Kommunismus, dafür begeben wir uns in ein politisches Abhängigkeitsverhältnis.
Das ging so lange gut, wie beide Seiten durch gemeinsame Werte und Interessen miteinander verbunden waren. Aber auch das hat sich dramatisch verändert. Aus einer nach dem Fall des Kommunismus bestehenden weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Dominanz des »Westens« ist eine Multipolarität geworden. Aufstrebende Kontinente fordern heraus, neue Technologien unterstützen sie dabei.
Europa sieht mit sieben Prozent Anteil an der Weltbevölkerung sehr klein aus, sogar zusammen mit den USA erreichen wir nur knapp über zehn Prozent. Deutschland und Frankreich haben miteinander ein Zehntel der Einwohner Chinas. Wir geben über 50 Prozent der weltweiten Sozial- und Umweltleistungen aus, doch dieser Anteil ist bedroht.
Noch erbringen wir Europäer über 20 Prozent der Weltwirtschaftsleistungen, aber auch diese Zahl sinkt.
Vor zehn Jahren hatten die USA und Europa gemeinsam einen Welthandelsanteil von zwei Dritteln. Heute liegt er bei 50 Prozent, in zehn Jahren bei einem Drittel. Asien, besonders China, holt mit dramatischer Rasanz auf.
Die USA haben nicht erst seit Trump ihren Interessenschwerpunkt auf sich selbst verlegt. Dem setzen die Europäer nichts entgegen. Sie erleben ohnmächtig, wie sie weiter am amerikanischen Nasenring durch die Weltarena gezogen werden. Ob es der Nahe Osten ist, der Iran oder Russland: Wir hängen im Schlepptau der Amerikaner. Wer nicht pariert, wird von ihnen sanktioniert. Europa spürt Trumps Faust im Nacken.
Die USA werden oft als Weltpolizist bezeichnet. Das sind sie nicht, denn ein Polizist sorgt für Ordnung unter Einhaltung gewisser Spielregeln. Trump hingegen bevorzugt Politik via Twitter, er ist unberechenbar. Die einzige Berechenbarkeit liegt im Unverständnis weltpolitischer und weltwirtschaftlicher Zusammenhänge. Die Werte, für welche die USA einst standen, wurden von Trump über Bord geworfen. Er zerstört, was Amerika groß gemacht hat. Der dadurch verursachte Schaden wird Europa noch teuer zu stehen kommen. Das Beispiel North Stream zeigt, wie aus früherer Partnerschaft heute eine Erpressung auf offener Weltbühne wurde.
Der trumpsche Egoismus, seine Sprunghaftigkeit und Überheblichkeit, verstellen die Gesamtsicht auf die Welt, ihre Entwicklungen und Veränderungen. Gerade die USA haben als Bannerträger für Freiheit und Demokratie auch bei wesentlicher Beachtung eigener Interessen immer auch eine Art Gesamtverantwortung für die Welt praktiziert. Gesamtsicht und Gesamtverantwortung sind weitgehend abhandengekommen. Damit verlieren die USA an Respekt in der Welt, und dieser Respektverlust betrifft den gesamten »Westen«. Frühere Bewunderung schlägt immer öfter in Verachtung um.
Europa ist nicht fähig, seine eigene Sicherheit zu gewährleisten. Seit vielen Jahren wird über eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik diskutiert, aber es geschieht nichts. Europa verharrt in seiner Zersplitterung und wird so zur leichten Beute seiner Herausforderer.
Eine Selbstständigkeit Europas auf diesem Gebiet würde eine politische Vertiefung Europas voraussetzen. Dafür gibt es derzeit jedoch weit und breit keinen Ansatz und auch keinen übereinstimmenden Willen.
Im Gegenteil: Nationale Interessen werden über europäische Interessen gestellt, in völliger Verkennung und Unterschätzung der von anderen Kontinenten, insbesondere von Asien, ausgehenden Dynamik. Die Welt hat mobilisiert und Europa kommt unter die Räder. Die Nummer