Was wir nicht schreiben durften. Suzanne Speich

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Was wir nicht schreiben durften - Suzanne Speich

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und als stolzer Kapitän begrüsste uns Mobutu in goldbesetzter Uniform.

      Es gab Cocktails, Musik und einheimische Tänze. Ich lehnte mich immer wieder über die Reling und wusste selbst nicht, wovor ich mehr Angst hatte: die erbärmlich Ertrunkenen von letzter Nacht zu sehen oder ein Krokodil. Und dann kam der Höhepunkt des Abends: das Überbringen der Gastgeschenke. Eine Ländervertretung nach der anderen trat nach vorn und beschenkte den Gastgeber; meist waren es kleinere Schatullen mit irgendetwas Landestypischem.

      Mobuto grinste, als ich mit meinem Alphorn nach vorn trat und befahl, das Paket zu öffnen und das Instrument zusammenzusetzen. Als ich es ihm überreichen wollte, sagte er mit seiner herrischen, tiefen, lauten Stimme: «Jouez-en!» Ich erstarrte vor Angst, denn Alphornblasen kann ja niemand, der das nicht wirklich gelernt hat – und erst recht nicht ich, die ich als Asthmatikerin noch weniger Schnauf habe als andere. Doch gehorchen musste ich, das war klar und so setzte ich das Alphorn an meinen Mund. Heraus kam – natürlich nichts. Ich befürchtete das Schlimmste, doch Mobutu lachte laut und verächtlich und winkte mich weg.

      Natürlich hütete ich mich, in meiner Berichterstattung auch nur ein Wort von alledem zu erwähnen, dafür war mir mein Leben zu lieb. Und kurze Zeit später erfuhr die Welt, dass Mobuto tatsächlich keinerlei Skrupel kannte und an Grausamkeit nicht zu überbieten war. Kurz nach unserer Miss-Veranstaltung versprach er dem wichtigsten Oppositionellen, dessen er noch nicht habhaft geworden war, Pierre Mulele, die Amnestie und überredete ihn dazu, aus dem Exil zurückzukehren.

      Wenig später wurden alle Kongolesen, die Mulele seit seiner Rückkehr besucht hatten, verhaftet und anschliessend getötet. Mulele selbst wurde öffentlich gefoltert, indem man ihm die Augen und Genitalien herausriss und die Gliedmassen eines ums andere amputierte, während er noch lebte. Sein Rumpf wurde in den Kongo geworden – jenen Fluss, auf dem wir mit Mobutu unsere Vergnügungsfahrt unternommen hatten.

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      Miss-Schweiz-Wahl 1968: Die Autorin als Jurypräsidentin (Mitte), links und rechts aussen die Volksschauspieler Schaggi Streuli und Walter Roderer.

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       Charlotte bei ihren Büchern an der Resedastrasse

       Begegnung mit Nordkorea, Kuba und Burma – den grossen Bösen

       Charlotte Peter

      Dass die Volksrepublik Korea arm ist und dort ein diktatorischer Präsident an der Atomkraft bastelt, weiss jeder. Dass es in der Hauptstadt Pjongjang keine Slums und nur sehr wenig Kriminalität gibt, dass die Strassen blitzsauber sind, die Kinder zur Schule gehen, in den Feldern der feinste Ginseng gedeiht und auf der Bühne fröhlichste Unterhaltung geboten wird, weiss man kaum.

      So weigerte sich ein missmutiger Pensionist auf einer meiner Reisen ins Land des Bösen zur grossen Show zu kommen: Das sei doch alles nur Propaganda. Ärgerlich für den Skeptiker waren dann die begeisterten Berichte der anderen Reiseteilnehmer. Viel Musik, brillante Akrobatik, historische Zeremonien, Spass mit Clowns, klassisches Ballett beinahe auf der Höhe des Bolschoi, eine Show besser als jedes Olympia Opening. (Hätte Korea so viel Öl wie Saudi-Arabien, würden die antidemokratischen Sünden des etwas bizarren Mr. Kim diskret vergessen und man das Land im kühlen Norden vorurteilloser betrachten.)

      Irrtümer gibt es auch in Bezug auf Kuba, wo vor allem der Linksdrall bemängelt wird. Weniger geschrieben wird über eine ordentliche medizinische Versorgung, den lebhaften Export von Schulmedizinern in Entwicklungsländer, die Rechte der Frauen und den erfolgreichen Kampf gegen Analphabetismus. Kuba und die Volksrepublik Korea waren und sind für mich keine Reiche des Bösen und auch keine Schurkenstaaten. Ich bin gerne dort, mag die Menschen und akzeptiere andere Lösungen. Zudem jage ich nicht Skandalen nach, sondern berichte lieber von kleinen Freuden, was natürlich viel weniger einbringt.

      Gerne gebe ich gelegentlich auch Gegensteuer, so in Burma/ Myanmar. Hochgefeiert wurde Aung San Suu Kyi, Tochter des früh ermordeten Freiheitshelden Aung, Trägerin des Friedens-Nobelpreises und lange Zeit unter Hausarrest stehend. Ich sah die anmutige Dame mit der Blume im Haar einige Male in Yangon, wo sie sich gelegentlich am Gartentor ihres Parkes zeigte und ihren Bewunderern versicherte, sie stehe für Wahrheit und Gerechtigkeit, verdanke viel ihrer Mutter, vermisse ihre in England lebenden Söhne und glaube an eine bessere Zukunft. Das hat mich alles nur wenig beeindruckt. Suu Kyi lächelte liebenswürdig, wurde «Lady» genannt, was passte, denn sie pflegte auch unter Hausarrest den feinen Lebensstil einer noblen Britin. Ich selbst konnte nie mit ihr sprechen, doch ich las die vielen Interviews, die ein amerikanischer Journalist mit ihr führen durfte und erfuhr, dass Suu Kyi wie ihre Eltern für Demokratie und Menschenrechte eintritt und die Generäle nicht mag. Ihren ermordeten Vater hat sie nicht gekannt, aufgewachsen ist sie bei ihrer Mutter, die burmanesische Botschafterin war und mit der sie in Delhi lebte. Sie studierte in England, heiratete einen Engländer, bekam zwei Söhne und hoffte auf das Gute. Über die komplizierten ethnischen Verhältnisse in ihrem Land, das Verhältnis zu den Shan, zu den westlich orientierten Karen, den nach Unabhängigkeit strebenden Christen, den Naga, Chin, muslimischen Rohingya und den Opium produzierenden Bergvölkern sprach sie nie.

      Eigene Verdienste konnte sie keine vorweisen, sie profitierte vor allem vom Ruhm ihres Vaters. Dieser hatte erst mit den Japanern gegen die britische Kolonialmacht gekämpft, dann mit den Briten gegen die Japaner, danach wurde er noch vor der Unabhängigkeit ermordet und zum Märtyrer stilisiert. Ob er Burma zu einer modernen, friedlich geeinten Demokratie hätte machen können, bleibt dahingestellt, seine Tochter Suu Kyi kann das Wunder jedenfalls nicht vollbringen.

      Sie war nie eine wirkliche Politikerin, doch eine überaus nette und attraktive Symbolfigur. Kritik am Polit-Schätzchen? Nicht erlaubt.

      Ich habe erlebt, wie sich Burma unter den Generälen Schritt für Schritt öffnete. Ich durfte auf meiner ersten Reise in den fünfziger Jahren nur 24 Stunden in Rangun bleiben, erlebte bei jedem Besuch Neuland, weilte in buddhistischen Klöstern, bei einer fürstlichen Shan-Familie, am Badestrand von Ngapali, auf Mekong-Schiffen, beim goldenen Felsen, bei Elefanten im Westen, bei Goldsuchern im Norden, bei Animisten, Buddhisten und Muslimen, tanzte am Naga-Fest mit einem von Suu Kyis bösen Generälen und entdeckte ein zwiespältiges Land, über das ich mir kein Urteil erlauben will. Nur an Suu Kyis einfache Formel «Weg mit den Generälen und alles wird gut» habe ich nie geglaubt, was mir etliche böse Leserbriefe einbrachte. Suu Kyi galt als das gute Burma, das sie kaum kennt, thronte hoch oben in den Wolken. Schutz für die von Mord und Totschlag bedrohten Rohingyas war von ihr nicht zu erhoffen.

      Ungewiss blieb auch, was der umjubelte John F. Kennedy erreicht hätte. Als Chefredakteurin der Elle war ich daher sogleich interessiert, als ich von der USA-Korrespondentin Edith Gloor einen kritischen Report über den Kennedy-Clan erhielt, in dem auch von den Machenschaften des Präsidentenvaters zur Zeit der Prohibition (striktes Alkoholverbot) berichtet wurde sowie über die zweifelhaften Quellen seines Reichtums. Durften wir die Publikation wagen? Wir diskutierten lange und heiss: brisante Enthüllungen oder eine weitere Eloge über den Chic der Jacky? Die Brisanz siegte. Ich schickte die Reportage in die Druckerei, erfuhr wenige Stunden später, dass John F. Kennedy in Dallas ermordet worden war und konnte die Publikation der bösen Story gerade noch stoppen. Es wäre ein journalistisches Desaster gewesen.

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       In Nordkorea, an der Demarkationslinie mit nordkoreanischem Offizier, der gerne Witze über die Amerikaner erzählte

      

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