Der Landdoktor Classic 37 – Arztroman. Christine von Bergen
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»So ähnlich«, musste er zugeben. »Aber ich habe Sie doch richtig verstanden, dass Sie hier sind, um Ihre Beine zu heilen. Oder?«
Die ältere Frau sank in sich zusammen und nickte nur stumm.
»Unsere homöopathische Therapie wird begleitet durch Wechselwaschungen und kalte Aufgüsse bei der Physiotherapeutin in Ruhweiler«, fuhr er sachlich fort. »Weiterhin verordne ich Ihnen tägliche Spaziergänge, bei denen Ihre Nichte Sie anfänglich begleiten sollte.«
Mathilda hob den Kopf.
»Apropos meine Nichte«, wechselte sie nun das Thema. »Ich hätte sie wirklich gern hier bei mir.« Ihre Worte klangen jetzt schon eher nach einer Bitte.
Mit bedauernder Miene hob er die Schultern. »Wie schon gesagt, es tut mir leid, aber wir können die Angehörigen unserer Patienten nicht unterbringen. Aus Platzmangel«, fügte er geduldig hinzu.
Mathilda rückte auf die Sesselkante vor. »Meine Nichte ist krank. Labil«, begann sie zu erzählen.
»Labil?« Er horchte auf.
»Nun ja, sie war immer schon ein Problemkind. Sie ist jetzt zweiundzwanzig und hat mir in der letzten Zeit viel Kummer bereitet.«
»Wie drückt sich denn die Labilität Ihrer Nichte aus?«
Mathilda straffte sich in dem Sessel, während sich ihre Miene verschloss. »Das ist eine Familienangelegenheit. Sozusagen ein dunkles Geheimnis.«
Matthias runzelte die Stirn.
Dunkles Geheimnis?, wiederholte er in Gedanken. Wie dramatisch das klang. Ob Mathilda Ruben in diesem Fall wieder einmal übertrieb oder ob Liane Sauter tatsächlich etwas Schlimmes erlebt hatte?
»Ich kann nicht darüber reden«, fuhr seine Patientin mit tragischer Miene fort. »Ich dachte daran, dass Liane sich in meiner Nähe sicherer fühlt als in einer fremden Pension. Vielleicht könnten Sie nervenstärkende Bäder, Massagen oder so etwas verschreiben. Dafür braucht sie ein Zimmer hier.«
Matthias glaubte, nicht richtig gehört zu haben.
»Frau Ruben …«, begann er mit erzwungener Ruhe unvermindert freundlich, »wir sind kein Wellness-Tempel, sondern eine Klinik. Sollte Ihre Nichte tatsächlich ein Leiden haben, ein Nervenleiden, ist ein solches übrigens nicht durch Bäder zu beheben. Sie sollte sich dann erst einmal untersuchen lassen. Natürlich muss dieser Wunsch von Ihrer Nichte ausgehen. Ich bin gern bereit, ein Gespräch mit ihr zu führen.«
Mathilda Ruben schüttelte so energisch den Kopf, dass ihre Wangen hin und her wackelten.
»Ich werde mit Liane reden«, entschied sie dann mit abweisender Miene. »Und ich möchte Sie bitten, über dieses Gespräch Stillschweigen zu bewahren.«
»Als Arzt stehe ich unter Schweigepflicht, Frau Ruben. Ganz gleich, über wen ich rede. Und mit wem.«
*
»Überlege es dir, Kind«, sagte Mathilda in strengem Ton. »Ein Checkup schadet nicht. Kürzlich noch hast du über Kopfschmerzen geklagt. Außerdem tut dir manchmal der Nacken weh, wenn du zu lange vor dem Computer sitzt. Wenn du Patientin hier bist, bekommst du vielleicht ein Zimmer hier auf dem Gang. Dann musst du nicht jeden Tag hin und her fahren.«
»Bitte, Tante …« Liane konnte es nicht mehr hören. Schon seit zwei Tagen hing Mathilda ihr nun schon mit diesem Vorschlag in den Ohren. Sie wusste nur zu gut, warum. Dabei war sie glücklich, wenigstens in den Nächten in dem einfachen, aber gemütlichen Pensionszimmer ihre Ruhe zu haben.
»Ich brauche keine Untersuchung«, fuhr sie energischer fort. »Ich bin nicht krank. Wenn du nicht ständig auf mich einreden würdest, hätte ich auch keine Kopfschmerzen. Und zum Ausgleich zu meiner Computerarbeit mache ich Sport.«
Ihre Lippen bebten vor Verzweiflung und Wut. Das waren immer die Momente, in denen sie am liebsten weggelaufen wäre. Doch konnte sie ihre Tante allein lassen? Mathilda hatte nur sie. Keine Kinder, keine anderen Verwandten. Sie fühlte sich für ihre Tante verantwortlich. Schließlich hatte sie sie nach dem Unfalltod ihrer Eltern bei sich aufgenommen und ihr ein schönes Zuhause geboten. Ohne die Schwester ihrer Mutter wäre sie im Waisenhaus gelandet.
Diese Gedanken jagten einander in Lianes Kopf, während die junge Frau mit den Tränen kämpfte.
»Denk noch einmal darüber nach«, hörte sie ihre Tante nun in weicherem Ton sagen. »Und jetzt könntest du ins Dorf fahren und mir eine Tageszeitung kaufen.«
Liane wandte sich zur Tür, wurde dann aber wieder zurückgerufen. »Ja, Tante?«
»Bring mir noch eine Tafel Schokolade mit. Und beeil dich bitte, ich habe heute Nachmittag einen Termin bei Dr. Brunner.«
Die junge Frau seufzte leise und verließ das Zimmer.
*
Als Liane aus dem Zeitungskiosk trat, kündigten die Glocken der kleinen Kirche gerade mit dreizehn Schlägen die Uhrzeit an. Sie blieb auf dem schmalen Bürgersteig stehen und sah sich um.
Wie idyllisch es hier war. Der goldene Wetterhahn auf dem Kirchturm blitzte in der Sonne. Die schmale gepflasterte Hauptstraße wurde zu beiden Seiten von kleinen Geschäften gesäumt. Unter dem großen Lindenbaum im Biergarten des Gasthauses saßen ein paar Dörfler beim Glas Wein, und die Leute standen am Gartenzaun zusammen und plauderten mit dem Nachbarn. In Ruhweiler herrschte eine beschauliche Ruhe, die allein schon von großem Erholungswert war, ganz abgesehen von der schönen Landschaft und der guten Luft.
Liane konnte nicht anders, sie schlenderte die Straße hinunter, betrachteten die Auslagen in dem Souvenirladen, in der kleinen Boutique und dem Geschäft, das deftige Schwarzwälder Schmankerln anbot.
»Hunger?«, fragte da eine Stimme hinter ihr.
Sie erkannte die sympathische tiefe Männerstimme auf Anhieb, und ihr Herz machte den sprichwörtlichen Sprung. Als sie sich umdrehte, blickte sie in zwei Augen, die die Farbe des Sommerhimmels besaßen.
»Sie?«, fragte sie erfreut und erstaunt zugleich.
»Ja, ich.« Vor ihr stand der Mann, der vor zwei Tagen den Reifen gewechselt hatte. Er lächelte sie so an, als würde er sich ebenfalls über dieses Wiedersehen freuen.
»Das ist ja …« Plötzlich fühlte sie sich ganz verlegen, was bestimmt an seinem tiefen Blick lag, der ihren viel zu lange festhielt.
»Das ist wirklich ein Zufall«, sprach er ihren begonnenen Satz zu Ende. »Ich habe dich von hinten zuerst gar nicht erkannt.«
Sie räusperte. »Was machst du denn hier?«, fragte sie, wobei sie das Du gern annahm.
»Ich arbeite hier in Ruhweiler.« Er zögerte kurz, streckte ihr dann mit einem jungenhaften Lächeln die Hand entgegen und stellte sich vor: »Daniel. Daniel Hoffmann.«
Gern schlug sie in seine Hand ein. Sie fühlte sich warm und angenehm trocken an.
»Liane Sauter.«
Sein Händedruck war fest und kräftig. Er vermittelte ihr ein Gefühl von Zuverlässigkeit und Stärke.
Daniel