Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa Frank
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Das Reiten war ihr von ihrer Mutter untersagt worden, als zu gefährlich. So blieb ihr an körperlicher Ertüchtigung nur das Schwimmen im Pool, der sich im rückwärtigen Teil des Parks befand – vorausgesetzt, das Wetter war schön und niemand sonst hatte Interesse.
Manchmal glaubte Angelina, sie träume, denn es konnte doch einfach nicht wahr sein, daß es niemanden auf der ganzen Welt gab, der sie liebhatte oder wenigstens akzeptierte – Herrn Buchner ausgenommen.
Aber so gern sie den alten Mann mochte, er war kein Ersatz für Vater und Mutter. Sie hatte auch immer irgendwie das Empfinden, ihm nicht alles anvertrauen zu können. Nicht, weil er darüber reden würde, sondern weil sie nicht wollte, daß auf ihren geliebten toten Vater auch nur der leiseste Schatten fiel. Und vielleicht auch, weil sie Angst hatte, er könnte ihr etwas sagen, was sie lieber gar nicht wußte.
So sprach sie mit ihm nur über seine Blumen und lernte begierig alles, was man für ihre Pflege wissen mußte. Besonders interessierte sie sich natürlich für die Rosen, die Buchner so sehr liebte.
*
Kurz vor ihrem achtzehnten Geburtstag riefen Roswitha und Rüdiger Herrenberg Angelina zu sich in das ehemalige Arbeitszimmer ihres Vaters, in welchem nun der Baron thronte. Es tat Angelina weh zu sehen, wie er in dem Sessel ihres Vaters saß, und sie senkte den Blick, um die aufsteigenden Tränen zu verbergen.
»Mein liebes Kind«, begann ihre Mutter, und Angelina sah erschrocken auf. So hatte sie sie noch nie genannt. Die Baronin lächelte verkrampft. »Du bist nun bald volljährig, und deshalb wollen wir dich in alles Geschäftliche einweihen.«
»Ich verstehe nichts davon«, murmelte Angelina.
»Nun, was du nicht verstehst, werden wir dir gerne erklären«, sagte Herrenberg mit falscher Freundlichkeit. »Ich habe hier alle Unterlagen vorbereitet.«
Angelina nickte nur.
»Dein armer Vater hat in seinem Testament festgelegt, daß, wenn du eine landwirtschaftliche Ausbildung abgeschlossen hast, du hier alles übernehmen sollst. Er wollte nicht wahrhaben, daß du leider – verhindert bist, ein körperlich so anstrengendes Studium zu absolvieren.« Angelina wollte etwas sagen, doch Herrenberg bat sie, ihm zuzuhören, dann könne sie sich gerne dazu äußern. »Leider hat dein Vater auch nicht übersehen, wie schlecht die Landwirtschaft dasteht. Wahrscheinlich wollte er es einfach nicht wahrhaben.« Herrenberg seufzte, um sein Verständnis für die Lage des verstorbenen Grafen auszudrücken. Er schob Angelina einige Unterlagen zu. »Bitte, schau es dir selbst an. Die Einkünfte aus der Landwirtschaft decken bei weitem nicht die Unkosten des Betriebes: Löhne, Anschaffung neuer Maschinen und die Erhaltung des Schlosses deiner Vorfahren.«
»Mein Gott, ich ahnte nichts davon«, stieß Angelina entsetzt hervor. »Was kann man denn nur tun?«
Ihre Mutter und ihr Stiefvater wechselten einen zufriedenen Blick.
Ausgezeichnet! Sie wußte offensichtlich nichts von dem großen Waldbesitz und den lukrativen Industriebeteiligungen, die das aufwendige Leben trotz der negativen Lage der Land- und Forstwirtschaft leicht ermöglichten.
»Tja, es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder, du entschließt dich zu verkaufen…«
»O nein! Nein! Das könnte ich nie! Papa würde das nicht wollen!« rief Angelina erschrocken.
»Das denke ich auch«, pflichtete ihre Mutter ihr lächelnd bei.
»Oder«, fuhr Herrenberg fort, »du verzichtest darauf, alles selbst zu leiten, und gibst es in die Hände eines erfahrenen Mannes, der zudem gewillt ist, eine Menge Geld zu investieren, um alles zu erhalten.«
»Ja, natürlich, das ist eine gute Idee. Nur wer wäre dazu bereit?«
»Zum Beispiel ich!« erwiderte Herrenberg mit falschem Lächeln.
Angelina sah ihre Mutter an. Die nickte ihr aufmunternd zu, so freundlich wie noch nie.
»Und was muß ich tun?«
»Oh, das ist ganz einfach. Wir werden dich großzügig abfinden, und du verzichtest auf dein Erbe zugunsten deiner Mutter, meiner Frau. Dann werde ich mein Vermögen und meinen nicht unerheblichen Verdienst dahingehend verwenden, daß alles hier erhalten wird und so bleibt, wie du es jetzt siehst.«
»Das wäre schön«, meinte Angelina ahnungslos, »aber was soll ich mit der Abfindung machen?«
Wieder wechselten die beiden Herrenbergs einen zufriedenen Blick.
»Wir haben dein Interesse für Blumen entdeckt«, sagte ihre Mutter nun wieder sehr freundlich. »Wir kaufen für dich ein nettes, kleines Geschäft in der Stadt. Vielleicht findet sich etwas mit einer kleinen Wohnung darüber. Würde dir das nicht Spaß machen?«
»O ja, doch, sehr«, sagte Angelina schnell. »Und ich kann ja doch immer wieder herauskommen und euch besuchen.«
Roswithas Gesicht verzog sich, doch bevor sie ungeduldig reagieren konnte, warf der Baron ein: »Das ist doch selbstverständlich. Du bekommst auch die Möbel mit, die die erste Frau deines Vaters mit in die Ehe gebracht hat.«
»O danke«, sagte Angelina wieder, beeindruckt von der vermeintlichen Großzügigkeit. Sie hatte keine Ahnung, daß ihr die gesamte Mitgift der ersten Gräfin Sternheim bereits zu Lebzeiten ihres Vaters überschrieben worden war – lange, bevor er den Kopf über der schönen Roswitha verlor.
»Dann sind wir uns ja alle einig«, stellte Herrenberg fest. »Ich werde dann mit dem Notar einen Termin ausmachen, in dem alles ordnungsgemäß festgelegt wird, und jetzt fahren wir zusammen in die Stadt, und wir zeigen dir das Geschäft, das wir uns für dich dachten. Wenn es dir gefällt, wird es sofort gekauft.«
»Ich danke euch so sehr«, sagte Angelina wieder, reichte Herrenberg die Hand und küßte die ihrer Mutter.
»Zieh dir etwas Hübsches an«, sagte die nur, mühsam ihr Lachen verkneifend.
Angelina nickte strahlend. Sobald sie den Raum verlassen hatte, lachte Roswitha schallend los.
»Ich glaube, sie ist wirklich nicht normal.«
Herrenberg stimmte in ihr Gelächter mit ein. »Stimmt! Ihre Gutgläubigkeit ist eigentlich nur mit Dummheit zu bezeichnen.«
*
Anfangs hatte Angelina geglaubt, die Gefühle ihrer Mutter ihr gegenüber hätten sich verändert, nun, da sie einverstanden war zu verzichten, um Schloß und Gutsbetrieb zu retten. Doch kaum hatte sie die notariell beglaubigte Unterschrift geleistet, war ihre Mutter wieder kalt und abweisend wie eh und je. Selbst einem gutgläubigen Menschen wie Angelina wurde es klar, daß man sie nur loswerden wollte. Wie weit die betrügerischen Machenschaften allerdings gingen, war einem aufrichtigen Menschen wie ihr einfach nicht vorstellbar – was keineswegs mit Dummheit zu tun hatte, wie die Herrenbergs meinten.
Angelina erzählte Josef Buchner, daß sie demnächst in die Stadt ziehen würde.
»Man hat mich abgefunden«, sagte sie. »Um den Betrieb zu erhalten, habe ich eingewilligt. Sicher ist es besser, wenn ich weggehe, wo mich ohnehin niemand liebt.«
»Aber Komteß«, protestierte er,