In dunklen Gegenden. Thomas Ballhausen
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Dann gehst Du einfach weiter, passierst andere Attraktionen und schnappst weitere Gesprächsfetzen auf. Du gehst nun in einem größeren Bogen den Jahrmarkt ab, und abseits der Menge, im äußersten Bereich, findest Du zu Deiner großen Überraschung neben all den gefälschten Attraktionen einen echten Bären ausgestellt. Das Tier liegt ruhig in dem schmutzigen Käfig, dessen Boden mit Stroh ausgelegt ist. Du kannst immer noch deutlich die Anschlüsse und technischen Applikationen sehen, die an ihm angebracht wurden. Dieser Bär ist wirklich eine Besonderheit, eine Rarität. Du weißt, was das für ein Tier ist. Kurz bevor die Eisenmänner im Krieg gegen das Kombinat endgültig die Oberhand gewannen, hatte man versucht, aus den umfangreichen Menagerien wilder Tiere Teile der regulären Truppe zu machen. Mit Abscheu denkst Du daran, wie die Technikerkaste die Zoos in Labore verwandelt hat. Aus den Massenunterhaltungen und Schaukämpfen, bei denen Bären wie dieser häufig zu sehen waren, wurde der Ernst eines immer sinnloser werdenden, nicht enden wollenden Konflikts. Du hast den Einsatz dieser Tiere miterlebt, warst, so wie alle anderen auch, erst skeptisch und dann doch sehr erstaunt über ihre Durchschlagskraft und Leistungsfähigkeit. Diese entfremdeten, programmierten Wesen schienen in ihrer erschreckenden Kombination aus Natürlichkeit und Künstlichkeit in der Lage zu sein, das Blatt zugunsten des Kombinats zu wenden. Doch dann begannen die Ausfälle, das Fehlverhalten und die unvorhergesehene Raserei. Du hast aus unmittelbarer Nähe erlebt, wie Bären oder Löwen plötzlich die eigenen Soldaten und Tierführerinnen anfielen, mitten im Kampf erstarrten oder ohne auf den ersten Blick ersichtlichen Grund leblos zu Boden sanken. Nach einer kurzen Phase der unberechtigten Hoffnung kostete dieses erbärmliche Experiment, dem Du niemals zugestimmt hättest, mehr Verluste eigener Einheiten, als zu erwarten gewesen waren. Ganze Armeeteile verschwanden in den sich ausdehnenden Schlachtfeldern, Gerüchte und Schauergeschichten ersetzten Fakten und Aufstellungen. Als die Fertigung tierischer Soldaten schließlich auf direkte Weisung der Tyranninnen eingestellt und die Kliniken abgebaut wurden, war es schon längst zu spät. In einer offiziellen Verlautbarung, die eigentlich von Stärke hätte zeugen sollen und doch nur die Hilflosigkeit des Oberkommandos unterstrich, wurden die verbliebenen modifizierten Tiere, die man zuvor dem Gesetz unterstellt hatte, geächtet. Mit dem Gesetz und dem Verbrechen beginnt die Menschlichkeit, hier haben die Gesellschaft und ihre Spiele ihren Ursprung. Mit den Gesetzen, die man nun wirksam werden ließ, sollte eine Grenze zu den Tieren gezogen werden, aber eben nicht zu den Bestien, derer man sich bedient hatte. In der Folge wurden manche der Tiere, die noch in den Einheiten zu finden waren, von den eigenen Leuten erschlagen oder in sinnlosen Gefechten geopfert. Man wollte sie, um dem Gesetz zu entsprechen, möglichst schnell loswerden. Manche verschwanden gewiss in den Wirren zu Beginn der letzten, immer noch andauernden Kriegsphase, und Du hattest bis zu diesem Augenblick einfach angenommen, dass sie schließlich alle umgekommen waren. Der Blick des Bären, der Deine Anwesenheit bemerkt hat, ist von beeindruckender Ruhe. Eines seiner Augen schimmert milchig, und sein pelziger Körper ist von deutlich sichtbaren Narben überzogen. Der unweit des Käfigs auf dem Boden vor sich hin dämmernde Besitzer, mit seinem am Gürtel befestigten, aufdringlich großen Schlüsselbund, hat das Tier offensichtlich sehr schlecht behandelt. Du empfindest Mitleid mit diesem Tier, diesem einzigen authentischen Ausstellungsstück unter all den billigen Vergnügungen. Wie um dieses für Dich so ungewohnte Gefühl noch zu unterstreichen, berührst Du beinahe unbewusst die Anschlüsse und Ersatzteile an Deinem eigenen Körper, die metallenen Schnittstellen an Deinen Unterarmen und Deinem Brustkorb. Einem Impuls folgend trittst Du näher an den Käfig heran, und ohne weiter auf den Besitzer zu achten, öffnest Du die Käfigtüre. In diesem wilden, geschundenen Körper lauert noch eine letzte Tat. Der Bär hebt ruckartig seinen Kopf, doch Du wartest noch kurz ab, bevor Du nach einem Moment stillen Einverständnisses zwischen euch schnell den Weg zur Polizeistation einschlägst. Du blickst Dich nur einmal nach dem Tier um, das sich wie ein Leichnam, der sich weigert, tot zu bleiben, erhebt. Noch bevor Du wieder an der Station eintriffst, kannst Du die Schreie hören. Ruhig und bedacht entriegelst Du mit Deiner Schlüsselkarte den Waffenschrank und entnimmst ihm eine große Handkanone und mehrere Projektile. Du stellst ohne Hast den Gurt auf Deine Körpermaße ein. Es ist schon länger her, dass Du eine dieser großkalibrigen Waffen verwendet hast, doch Deine Hände wandern wie