Fürstenkinder 8 – Adelsroman. Regine König

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Fürstenkinder 8 – Adelsroman - Regine König Fürstenkinder

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Mann schaute zu den Kindern.

      Hol’s der Teufel, die schienen alle wie Engel auszusehen, sogar dieser sommersprossige älteste Doktorjunge.

      Das verwahrloste und verschuldete Hallermünde dünkte Graf Justus in diesem Augenblick noch wie ein Paradies. Solange er allein dort gehaust hatte.

      »576!« sagte in diesem Augenblick Till ganz nüchtern.

      Vielleicht wählte der Onkel gar eine falsche Nummer, um Paps zu erreichen.

      *

      »Ich werde Ihnen eine Salbe verschreiben!« sagte Dr. Kilian eine halbe Stunde später. »An eine Vergiftung ist nicht zu denken. Es handelt sich, obgleich die Schrammen heftig bluten, um geringfügige Verletzungen. Wenn Sie jemanden hätten, der zur Apotheke gehen könnte…«

      »Ich will es versuchen«, murmelte Graf Justus.

      In diesem Augenblick erklärte die Stimme des Mädchens, das sich bisher im Hintergrund gehalten hatte: »Paps, du wolltest doch im Leutehaus noch nach der alten Anna sehen. Inzwischen fahre ich selber in die Apotheke, um die Salbe zu holen!«

      »Oh, Schöpfle!« Die kleine Micky schmiegte sich zärtlich an Angela, die bisher kaum einer beachtet hatte. »Ja, tu das, Schöpfle. Sonst stirbt Jussuff, unser Jussuff!«

      In die schwarzen Augen Mickys traten Tränen.

      Angela begriff, daß dieser Jussuff von Chris und Micky mehr geliebt wurde als die tödlich verunglückten Eltern.

      Dr. Kilian nickte. Er selber würde den Weg zu den Leutehäusern ganz gern zu Fuß gehen. Die Luft tat ihm gut, ihm, dem vielbeschäftigten Landarzt, der in den letzten Nächten immer wieder aus dem Schlaf gerissen worden war.

      »Paps!« Angela streichelte dem Vater ganz scheu über die Hand, die schon am Griff der Eingangstür lag. »Paps, laß dir nur Zeit, wir schaffen unser Programm heute schon!«

      Angelas junges Herz pochte plötzlich schnell und ängstlich.

      Paps mußte einmal ausspannen. Er sah so müde aus und wirkte sehr alt.

      Weshalb nur gingen keine jungen Ärzte mehr aufs Land? durchfuhr es Angela. Aber denen war alles nicht gut genug auf dem Land.

      Hier war alles wenig großartig. Und wenn man die Verletzten der Verkehrsunfälle noch hinzurechnete, die schnell versorgt und in eines der Krankenhäuser der Landeshauptstadt überwiesen werden mußten… ja, dies alles war wenig erfreulich. Aber es mußte getan werden.

      Rainer würde dies alles nicht tun! dachte Schöpfle, während sie schon wieder am Steuer saß und zur Kreisstadt zurückfuhr, um in der Elefantenapotheke eine Heilsalbe zu besorgen.

      Ja, Rainer!

      Na, der ist ja auch toll!

      Angela lachte ein bißchen.

      Ein halbes Jahr hatte sie in der Landeshauptstadt bei Dr. Rainer Bernardi gearbeitet. Jung war dieser Dr. Bernardi, ehrgeizig.

      Die Laufbahn eines Universitätsdozenten schwebte ihm vor.

      Er träumte davon, einmal eine Herztransplantation machen zu können.

      »Und eine Frau brauche ich auch!« hatte er einmal gesagt. »Eine junge, schöne Frau Professor. Eine Frau mit Charme, Selbstsicherheit. Eine kluge Frau.«

      Dabei hatte er Angelas Hände ergriffen, sie an sich gezogen.

      »Kannst du dir denken, kleine

      Arzthelferin, wie diese Frau aussieht?«

      Wie sie aussieht?

      Angela schaute jetzt in den Rückspiegel, aber nicht, um die Straße zu beobachten, sondern um ihr eigenes hartes, aber sehr ausdrucksvolles Gesicht zu betrachten.

      Das Gesicht war sehr schmal und sah noch jünger aus, als Angela war. Jetzt im Frühsommer konnte man das Weiß erkennen, das auch Arme und Hände auszeichnete und dem Mädchen einen besonderen Reiz verlieh. Denn bei diesem zarten Teint konnte man das Blut pulsen sehen. Manchmal stieg es bis in die Schläfen.

      Und dann sehe ich dumm aus! dachte das Mädchen, während es jetzt ein wenig Gas wegnahm. Sie hatte die Einfahrt der Kreisstadt erreicht. Rotwerden ist albern. Rainer hat es auch einmal geäußert.

      Aber er nannte sie trotzdem Angela und hatte ihr beim Karneval einen Kuß auf die Stirn gegeben, in die die rotblonden verwehten Locken tanzten, die sich nicht in den Ring für den Schopf zwängen ließen.

      Manchmal war er sehr steif, dieser Dr. Rainer Bernardi, der beruflich einen steilen Aufstieg vor sich hatte.

      Und ich?

      »Ich habe ihn nicht geküßt! Auch nicht beim Karneval!«

      Das Mädchen am Steuer sprach es in einem ihr selbst unbewußten Trotz plötzlich laut aus.

      Und es ist gar nicht ausgemacht, ob ich ihn heirate, diesen Rainer, der natürlich mehr war als ein einfacher Landarzt wie Paps.

      Weshalb nur dachte sie in diesem Augenblick an ein anderes Gesicht, ein Piratengesicht, das bronzebraun war, das sich überheblich gab und doch vor ein paar Kindern die Waffen zu strecken schien?

      *

      Schon zwanzig Minuten später hörte Graf Justus zum erstenmal in seinem Leben eine Standpauke, über die er zuerst überlegen lächelte, die ihn dann aber doch ein wenig betreten machte.

      »Ein Egoist sind Sie. Es ist Ihnen einfach zu lästig, sich um die Kinder zu kümmern!« Angela behandelte während ihrer Vorwürfe das zerkratzte Gesicht Jussuffs. Sie hatte ihm kurzentschlossen Watte in die Ohren gesteckt. Es ging nicht an, daß er das mit anhörte, was sie zu sagen hatte. Er radebrechte zwar seine Sätze in vielerlei Sprachfetzen, aber Angela schien es, als sei er durchaus kein demütiger Untergebener. Sie wurde eine gewisse Beunruhigung nicht los, wenn sie sein Gesicht beobachtete.

      Graf Justus stand der kleinen Gruppe – die Kinder waren bei den Tieren – schweigend gegenüber.

      Er wehrte sich nicht einmal, als Angela ihn einen krassen Egoisten nannte.

      Nur als sie fortfahren wollte, sagte er sehr nüchtern: »Fräulein Angela oder Fräulein Schöpfle –, ich bin ja schließlich nicht als Kindermädchen auf die Welt gekommen. Und – ich habe ausreichend mit dem Gut zu tun.«

      Ein gewisser Schmerz klang jetzt durch des Mannes Stimme.

      Angela war mit dem Verband fertig.

      »Allons, allons!« Sie scheuchte Jussuff aus der Halle.

      »Paps hat auch tausend Dinge zu tun. Er kommt kaum noch zum Schlafen!« erwiderte Angela. »Und Sie – na, schließlich sind Sie doch noch ein einigermaßen junger Mann!«

      Da lachte der Graf plötzlich laut heraus und fuhr sich durch das dunkle Haar, das sich dicht um sein von Wind und Wetter gegerbtes Antlitz schmiegte.

      »Wann beginnt bei Ihnen denn das Alter, Fräulein Angela?«

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