Fürstenkinder 8 – Adelsroman. Regine König
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Читать онлайн книгу Fürstenkinder 8 – Adelsroman - Regine König страница 6
»Weshalb eigentlich nicht, Schöpfle?«
Graf Justus’ Selbstsicherheit war zurückgekehrt, nachdem die Tiere ebenso verschwunden waren wie sämtliche Kinder und der fremdartige Jussuff, dessen Stimme man jetzt nur noch von der Auffahrt zum Schloß hörte.
Weiß der Kuckuck, was er kauderwelschte. Auf jeden Fall wurde jedes seiner Worte mit einem beinahe ekstatischen Jubel sämtlicher Kinder begrüßt.
»Also, Schöpfle, weshalb sollte ich nicht…«
Weiter kam der Mann allerdings nicht. Denn plötzlich richtete sich die zierliche, schmale Gestalt hoch vor ihm auf.
Zornesröte stieg bis in die Schläfen, hinter denen man die feinen blauen Adern sah.
»Weil wir nicht so… so…« Angela suchte nach Worten. »Ja, weil wir nicht so intim sind, daß Sie ganz einfach Kosenamen verwenden.«
»Was nicht ist, kann ja noch werden!«
Das Mädchen bebte jetzt am ganzen Körper.
Nein, niemals mehr würde sie an dieses Gesicht denken. Verhaßt war ihr dieser Mann, der so maßlos von sich überzeugt schien.
Weshalb überhaupt hatte sie an ihn gedacht seit jenem ersten Augenblick der Begegnung? Er ließ sie einfach nicht frei. Ja, und schon deshalb
hasse ich ihn. Und ich sage es ihm auch.
»Demnächst können Sie Ihre afrikanischen Diener selbst behandeln, Herr Graf. Dann fahre ich nicht mehr, um Salbe zu holen. Schließlich hätten Sie ja auch fahren können!«
»Reiten!« spottete Justus von Hallermünde. »Ich reite lieber.«
Er hätte etwas darum gegeben, wenn er sie jetzt hätte an sich ziehen können, wie er es bei jeder anderen Frau getan hätte. Zu keiner anderen Frau aber würde er ganz leise und sehr innig flüstern können: »Lieb hab’ ich dich, kleines Mädchen! Ganz einfach lieb. Und wenn ich an dich denke, nenne ich dich Schöpfle. Denn Angela, Engel, paßt eigentlich gar nicht zu dir. Höchstens bist du ein sehr energischer Engel mit einem Flammenschwert.
Doch der Mann fühlte, daß er zum ersten Male in seinem Leben die Hand nicht besitzergreifend nach einem Mädchen ausstrecken konnte.
Er mußte auf einen günstigen Augenblick warten.
Ja, vielleicht mußte er sich zunächst überhaupt in ein besseres Licht vor diesem lichtblonden Engel setzen.
Nur wie?
Bisher hatte jede Frau ihn genommen, wie er war. Er hatte sich niemals zu verändern brauchen. Er konnte Egoist sein, beherrscht von einer beinahe eisigen Leidenschaft, die ebenso schnell verging, wie sie ihn in Besitz genommen hatte.
Jetzt aber war alles anders geworden.
»Wenn Sie noch Zeit hätten, Fräulein Kilian«, sagte der Mann, »könnten Sie vielleicht einmal die Kinderzimmer ansehen. Die Betten sind aber noch nicht überzogen.«
»Sie hätten Chris und Micky bei uns lassen sollen, bis alles hier eingerichtet war. Aber Sie… Sie…«
»Ich weiß, ich bin ein Egoist!« wiederholte Graf Justus das ihm vorgeworfene Wort. Aber seine Stimme klang ein wenig spöttisch. »Sehr kluges und tüchtiges Fräulein Kilian, wenn ich Egoist wäre, würde ich mir nicht zwei mehr als unerzogene Kinder samt einem nicht überschaubaren Zoo auf den Hals geladen haben. Es ist meine Pflicht…«
»Sie lieben Chris und Micky gar nicht?«
Wie weich, ja, beinahe zärtlich klang jetzt ihre Stimme.
Angelas große blaue Augen schienen sich vor Mitleid mit Tränen zu füllen.
»Mit Pflicht, Herr Graf, kann man keine Kinder großziehen. Man muß sie liebhaben.«
Da stand der Mann plötzlich ganz dicht vor dem Mädchen.
Er legte seine beiden Hände auf ihre Schultern, und er gebrauchte das Wort, das er von seinen Dienstleuten kannte.
»Kleine Doktorin, hast du denn die Kinder lieb?«
Angela überhörte das Du. Sie nickte nur.
»Sehr!« sagte sie ganz einfach. »Sie sind wirklich sehr lieb, wenn man sie richtig zu nehmen versteht.«
»Also los, sehen wir zu, wo mein Diener steckt!« Graf Justus wandte sich schnell um, weil er sonst doch nicht der Versuchung hätte widerstehen können, das Schöpfle, die süße kleine mütterliche Doktorin, in die Arme zu ziehen, ihr die Tränen aus den Augen zu küssen.
*
»Hallo… he…!«
Angela strengte ihre Stimme an.
Einen Lautsprecher müßte man haben! dachte sie an diesem Nachmittag, an dem sie die beiden Brüder suchte. Irgendwo mußten sie sich wieder auf Hallermünde aufhalten. Natürlich nicht im Schloß, obgleich es auch dort einige Attraktionen für unternehmungslustige Jungen gab. Man konnte alte Spieldosen auseinandernehmen und ihren Mechanismus untersuchen. Irgendwo im Dachgeschoß gab es noch eine Ritterrüstung, die eigentlich in ein Museum gehörte. Ja, und dann natürlich die Waffen, uralte Kaliber. Man schwitzte, wenn man sie nur in die Höhe hob.
Donnerwetter – damals mußten die Leute stark gewesen sein!
Das Schloß barg gewiß mancherlei, dem man nachspüren konnte.
Interessanter wäre es fraglich, Onkel Justus – auch die Doktorjungen nannten Graf Justus so – aufzusuchen. Aber er hatte ein für allemal erklärt, sein kleines Jagdschloß, das auf der Grenze vom Schloßpark und den riesigen Waldungen lag, sei tabu.
Das Jagdschloß wurde tatsächlich von allen vier Kindern gemieden.
Das hinderte sie aber nicht, andere Abenteuer zu suchen. Wie eben jetzt an diesem Nachmittag, an dem Angela verzweifelt den Park durchstreifte, um die Brüder zu suchen, die beinahe mehr auf Hallermünde waren als im Doktorhaus.
Der Park war verwildert, die Wege waren von Unkraut übersät. Dichtes Buschwerk, tief herabhängende Baumäste, hin und wieder einmal auch ein vom letzten Sturm entwurzelter Baum mit riesenhafter Wurzel, versperrten den Ausblick auf den See, der auch zu einem Tummelplatz der Kinder geworden war.
»Hallo!«
Angela strengte noch einmal ihre Stimme an.
Und dann kam sie auf den einzig richtigen Einfall. Kurz entschlossen zog sie die Trillerpfeife aus ihrer Tasche. Deren Ton konnte man meilenweit hören.
Grell, schrill tönte sie durch die Gegend.
»Herrgott, Fräuleinchen!« Aus dem Küchentrakt des Schlosses kam die Wirtschafterin, die auch gleichzeitig Köchin war, und legte Angela die Hand auf die Schulter.
»Das ist ja noch schrecklicher, als wenn die Jungen brüllen! Daß Sie so etwas tun würden…«
»Muß ich!« Angela nickte energisch.