Der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871. Michael Epkenhans

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Der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871 - Michael Epkenhans Reclam – Kriege der Moderne

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Rivalität um Macht und Einfluss in Europa hatte das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich von jeher bestimmt. Wechselseitige Ansprüche auf Italien, Burgund, Flandern und vor allem die Rhein[14]grenze hatten immer wieder Kriege in unterschiedlichen Konstellationen und mit wechselnden Ergebnissen zur Folge gehabt. Im kollektiven Gedächtnis der Franzosen war die Einkreisung des Landes durch die Habsburgermonarchie haften geblieben, die im 16. Jahrhundert nicht nur den deutschen, sondern auch den spanischen Thron innehatte. Ebenso hatten viele Deutsche die Raubzüge Ludwigs XIV.Ludwig XIV. (König von Frankreich) (1638–1715), das demütigende Ende des alten Reiches unter dem Druck Napoleons I.Napoleon I. (Kaiser der Franzosen) 1806 sowie die jahrelange Besetzung und Ausplünderung des Landes durch dessen Truppen nicht vergessen.

      Damit nicht genug: Während Frankreich ungeachtet der Niederlagen 1814/15 seinen Platz im Konzert der Mächte bald wieder einnehmen konnte, erstand das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) nicht wieder. Der preußisch-österreichische Dualismus, der trotz des gemeinsamen Sieges über Napoleon I.Napoleon I. (Kaiser der Franzosen) weiter bestand, und der Vorsatz, das europäische Gleichgewicht nicht durch eine zu starke europäische Mitte zu gefährden, führten dazu, dass in den Verhandlungen auf dem Wiener Kongress 1814/15 nur die Gründung eines lockeren Staatenbundes, des Deutschen Bundes, nicht aber die Bildung eines einheitlichen Nationalstaats unter einem Kaiser beschlossen wurde.

      Auch wenn Umfang und Bedeutung der frühliberalen Nationalbewegung zu Beginn des 19. Jahrhunderts umstritten sind, sollte das Streben nach einem einheitlichen und freiheitlichen deutschen Nationalstaat nicht mehr nachlassen. Im Gegenteil: Es entbehrt nicht einer gewissen historischen Ironie, dass die von Frankreich ausgehenden Revolutionen 1830 und 1848 diesem Vorhaben neuen Schwung gaben. Diese Revolutionen trieben zwar die Einführung von Verfassungen in den Staaten des Deutschen Bundes – ausgenommen Preußen und Österreich – voran; die Hoffnung, zugleich auch einen einheitlichen Nationalstaat unter schließlich preußischer Führung zu bilden, erfüllte sich nicht. Der Widerwille König Friedrich Wilhelms IV.Friedrich Wilhelm IV. (preuß. König), die ihm 1849 angebotene Krone aus den Händen des Volkes anzunehmen, war zu groß. Der bereits aufgelöste Deutsche Bund erstand neu; auf den kurzen Frühling der revolutionären Monate des Jahres 1848/49 folgte der lange Winter der Repression und der Reaktion.

      1859 übernahm Prinz WilhelmWilhelm I. (preuß. König und dt. Kaiser) für seinen kranken Bruder König Friedrich Wilhelm IV.Friedrich Wilhelm IV. (preuß. König) die Regierung in Preußen. 1849 hatte der Prinz im Auftrag des Königs die Revolutionsbewegung blutig niedergeschla[15]gen. Nun versprach WilhelmWilhelm I. (preuß. König und dt. Kaiser) zum Erstaunen vieler Zeitgenossen Reformen sowie eine Unterstützung jener, die einen nationalen Einheitsstaat anstrebten. Die Folge des Machtwechsels in Preußen war eine allgemeine Aufbruchsstimmung, die bald alle Staaten des Deutschen Bundes einschließlich Österreichs erfasste. Der 1859 ausgebrochene Krieg zwischen Österreich auf der einen, Frankreich und Piemont-Sardinien auf der anderen Seite, der die nationale Einigung Italiens vorantrieb, verstärkte die allgemeine Euphorie der Nationalbewegung, die sich im »Deutschen Nationalverein« zusammengeschlossen hatte.

      Schillerfestzug in Hamburg am 13. November 1859. Zeitgenössische Lithografie von Joseph PuschkinPuschkin, Joseph. Solche Feiern zu Ehren Friedrich SchillersSchiller, Friedrich als Dichter der Freiheit, die in rund 440 deutschen Städten stattfanden, waren Ausdruck der Euphorie der liberalen Nationalbewegung am Ende der Reaktionsära.

      Die Hoffnungen der Nationalbewegung auf eine Einigung unter preußischer Führung wurden enttäuscht. Infolge der Auseinandersetzungen über die Reorganisation des Heeres brach in Preußen 1862 ein schwerwiegender Verfassungskonflikt aus. Aus Sicht von König Wilhelm I.Wilhelm I. (preuß. König und dt. Kaiser) war die Berufung BismarcksBismarck, Otto Fürst von zum Ministerpräsidenten die letzte Möglichkeit, um eine einschneidende Verschiebung der Gewichte zwischen Krone und Abgeordnetenhaus zu verhindern. BismarcksBismarck, Otto Fürst von Versuche, die Liberalen durch gemeinsames Vorgehen in der nationalen Frage [16]für sich zu gewinnen, blieben allerdings vorerst erfolglos. Denn sie waren nicht bereit, zugunsten der Einheit auf die Freiheit zu verzichten. BismarcksBismarck, Otto Fürst von berühmte Rede vom September 1862 schien dann die schlimmsten Befürchtungen der Liberalen über die wahren Ziele des preußischen Ministerpräsidenten zu bestätigen: »Nicht durch Reden oder Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, das ist der große Fehler von 1848 und 1849 [des Paulskirchenparlaments] gewesen, sondern durch Eisen und Blut.«

      So wie BismarckBismarck, Otto Fürst von im Innern die Stellung des Monarchen zu stärken versuchte, wollte er nach außen die Rolle Preußens in Deutschland – insbesondere gegenüber Österreich – wie auch im Rahmen des europäischen Konzerts der Mächte entscheidend verbessern. Viel klarer als seine Vorgänger oder die meisten Zeitgenossen hatte er erkannt, dass [17]die durch den Krimkrieg (1853–1856) veränderten Verhältnisse auf dem Kontinent eine offensivere Machtpolitik Preußens, der kleinsten der fünf Mächte, durchaus zuließen. Die alten Allianzen zwischen den Mächten im Osten und Westen Europas waren seitdem endgültig zerbrochen. Diese Politik, in der Macht vor Recht ging, hatte ihre Risiken; insgesamt gelang es BismarckBismarck, Otto Fürst von aber, die Großmächte bis 1870 aus der »deutschen Frage« herauszuhalten: Russland verhielt sich seit der indirekten preußischen Unterstützung bei der Niederschlagung des polnischen Aufstands 1863 trotz mancher Differenzen wohlwollend; Großbritannien hatte sich von Europa abgewandt und war bereit, einen Machtzuwachs Preußens hinzunehmen, solange dieser das europäische Gleichgewicht nicht grundlegend veränderte.

      Obwohl sich die Fronten im Innern seit 1862 verhärteten, kam allmählich Bewegung in die nationale Frage. Verantwortlich dafür war die Krise um Schleswig und Holstein 1863/1864. Der Versuch der dänischen Regierung, durch eine Änderung der Verfassung das überwiegend von Dänen bewohnte Herzogtum Schleswig in den dänischen Gesamtstaat einzugliedern und damit trotz bestehender Verträge zugleich die historische Einheit mit dem von Deutschen bewohnten und zum Deutschen Bund gehörenden Herzogtum Holstein aufzulösen, löste eine Welle der Empörung in Deutschland aus. Als alle Versuche, auf diplomatischem Wege den alten Rechtszustand wiederherzustellen, gescheitert waren, erklärten Preußen und Österreich Dänemark im Frühjahr 1864 den Krieg. Nach mehreren Niederlagen musste Dänemark, das von seinen bisherigen Schutzmächten Großbritannien und Russland nicht unterstützt wurde, beide Herzogtümer im Frieden von Wien abtreten.

      Die Frage nach der Zukunft der von Preußen und Österreich gemeinsam verwalteten Herzogtümer beschleunigte letztlich die Lösung der »deutschen Frage«. Nachdem sich beide Mächte nicht hatten einigen können, kam es im Sommer 1866 zum Krieg Preußens und der Kleinstaaten Norddeutschlands einerseits gegen Österreich und die wichtigsten Staaten innerhalb des Deutschen Bundes (Bayern, Württemberg, Sachsen, Hannover, Baden, Hessen-Darmstadt und Kurhessen) andererseits. Kriegsentscheidend war der Sieg Preußens über Österreich bei Königgrätz am 3. Juli 1866.

      Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866. Farbdruck, 1894, nach einem Aquarell von Carl RöchlingRöchling, Carl. Die lang andauernde Rivalität zwischen den deutschsprachigen Großmächten Österreich und Preußen entlud sich 1866 im sogenannten Bruderkrieg. Nach der österreichischen Niederlage schien eine nationale deutsche Einigung unter preußischer Führung in nicht allzu ferner Zukunft möglich.

      Infolge der Niederlage schied Österreich aus dem Deutschen Bund aus, der sich zugleich auflöste. Preußen annektierte die bisher selbst[20]ständigen Staaten Hannover, Kurhessen, Hessen-Nassau und die Freie Stadt Frankfurt. Auch die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg wurden nun ein Teil Preußens. Alle deutschen Staaten nördlich des Mains vereinigte Preußen darüber hinaus im Norddeutschen Bund. Die süddeutschen Staaten, die an der Seite Österreichs gekämpft hatten, band Preußen durch geheime Schutz- und Trutzverträge an sich. Über den Zollverein und das Zollparlament rückten sie zugleich näher an den Norddeutschen

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