Der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871. Michael Epkenhans
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Ausrüstung und Bewaffnung
Die Zahl der zur Verfügung stehenden Soldaten ist nur ein Faktor bei der Führung eines erfolgreichen Krieges. Kaum weniger bedeutsam sind Ausrüstung und Bewaffnung, allen voran die Gewehre. Das preußische Zündnadelgewehr hatte bei Königgrätz bewiesen, dass moderne Waffen den Verlauf einer Schlacht entscheidend beeinflussen konnten. Diese Überlegenheit besaßen die preußischen Truppen 1870 jedoch nicht mehr. Das französische Chassepot-Gewehr, ebenfalls ein Hinterlader, war dem Zündnadelgewehr hinsichtlich der Reichweite und Treffsicherheit überlegen. Der heftige Rückstoß bereitete den Soldaten allerdings erhebliche Probleme. Sie schossen daher häufig aus der Hüfte, zu Lasten der Treffsicherheit.
[37]Die französische Armee verfügte nicht nur über das bessere Infanteriegewehr, sondern auch über die Vorform des modernen Maschinengewehrs, die Mitrailleuse. Dabei handelte es sich um einen Zwitter zwischen Maschinengewehr und Artilleriegeschütz. Ein auf eine Geschützlafette montiertes Rohr enthielt im Innern 25 Läufe, die durch das Drehen einer Kurbel an dessen Ende ihre Patronen abfeuerten. Mit 3000 Metern war ihre Reichweite groß, ebenso die Feuergeschwindigkeit von 125 Schuss pro Minute. Angesichts der Schwerfälligkeit der Lafette war die Streuung jedoch gering, und angreifende Infanteristen konnten sie leicht umgehen. In den Kämpfen spielte die Mitrailleuse nur eine geringe Rolle, auch weil die Franzosen sie zumeist taktisch wenig zweckmäßig einsetzten.
Ganz anders verhielt es sich bei den Geschützen. Der Übergang vom Vorder- zum Hinterlader sowie vom glattläufigen zum gezogenen Rohr hatte die Reichweite und Treffsicherheit der Artillerie erheblich erhöht. Nur so schien die Artillerie in der Lage, angreifende Infanterie mit verbesserten und weiter reichenden Waffen wirkungsvoll zu bekämpfen. Die effektive Reichweite bisheriger Geschütze von 300 bis 500 Metern reichte dazu nicht mehr aus.
Das von der Essener Firma Krupp entwickelte Gussstahlgeschütz ermöglichte sogar Reichweiten von bis zu 4000 Metern, auch wenn die durchschnittliche Gefechtsreichweite ca. zwischen 1100 und 1900 Metern lag. Das genügte, um immer wieder in den Kampf der Infanterie einzugreifen und ihn zu entscheiden. Die französische Armee benutzte hingegen immer noch Vorderlader. Sie waren Hinterladern ebenso unterlegen wie die eigenen Granaten. Die preußischen Aufschlagszünder waren zuverlässiger als die französischen Zeitzünder. Zudem überschätzten die französischen Artilleristen die Aufprallwirkung ihrer Granaten, die Wirkung durch Granatsplitter unterschätzten sie wiederum.
Aufmarsch
Zahlenmäßige Überlegenheit und gute Bewaffnung sind in einem modernen Krieg, in dem Zeit eine wichtige Rolle spielt, jedoch nutzlos, wenn die Truppen nicht rechtzeitig auf dem Gefechtsfeld erscheinen oder taktisch unzweckmäßig geführt werden. Die Erfindung der Eisen[38]bahn und ein immer dichteres Netz von Eisenbahnlinien hatten nicht nur die Transportbedingungen revolutioniert, sondern auch den Aufmarsch von Armeen enorm beschleunigt. Diese mussten nun nicht mehr auf wenigen Straßen in großen geschlossenen Massen aus Zehntausenden von Soldaten und Pferden auf einer einzigen »Vormarschachse« (Dierk Walter) marschieren. Im Sinne eines späteren Diktums von Generalstabschef MoltkeMoltke, Helmuth Graf von konnten sie nun vielmehr »getrennt marschieren und vereint schlagen«.
Kavallerietransport auf der Eisenbahn: Pferdestall eines Offiziers der Garde du Corps. Holzstich nach einer Zeichnung von Friedrich Kaiser, 1870.
Die Verbesserungen der Infrastruktur und die Innovationen im Verkehrswesen vereinfachten und flexibilisierten zugleich die Führung und Versorgung größerer Truppenverbände – sei es aus dem Lande selbst, sei es aus Depots im Hinterland. Der Einsatz von Eisenbahnen, der Marsch- und Transportzeiten verkürzte, beschleunigte so den Beginn der Kampfhandlungen.
In Preußen hatte sich das Kriegsministerium seit den 1840er Jahren detailliert mit der Nutzbarmachung der Eisenbahnen für militärische Zwecke beschäftigt und die Erfahrungen sowohl anderer als auch eigener Kriege sorgfältig ausgewertet. 1866 wurde für die Dauer des Krieges eine Feldeisenbahnabteilung gebildet, 1869 folgte die dauerhafte Ein[39]richtung einer Eisenbahnabteilung im Großen Generalstab. Seit Anfang der 1860er Jahre waren Eisenbahntransporte gleichzeitig Bestandteil der Übungen auf Generalstabs- und Truppenebene. Konsequenter als zuvor nahm der Generalstab in enger Zusammenarbeit mit dem Handelsministerium und den zivilen Eisenbahndirektionen nun auch Einfluss auf die Streckenführung sowie die Nutzung der Bahnen im Konfliktfall.
Der Aufmarsch gegen Frankreich 1870 vollzog sich dank der zuvor gemachten Erfahrungen vergleichsweise schnell. Die Eisenbahnabteilung hatte die entsprechenden Pläne bereits im Frühjahr abgeschlossen. Auf sechs verschiedenen Linien, drei davon zweigleisig, sollten die zwölf Korps des Norddeutschen Bundes an die Westgrenze befördert werden. Auch für die verbündeten süddeutschen Truppen gab es Pläne, für die drei Ost-West-Linien zur Verfügung standen. Ab dem 16. Juli, einen Tag nach der Mobilmachung, begannen die Transporte, nachdem der Generalstab die Eisenbahnen erstmals für den zivilen Verkehr gesperrt hatte. Dadurch wurden die Einheiten zunächst auf Kriegsstärke gebracht; ab dem 23. Juli, eine Woche nach der Mobilmachung, rollten die Züge dann in die Pfalz und an den Rhein. So wollte MoltkeMoltke, Helmuth Graf von französischen Angriffen in den Aufmarsch hinein zuvorkommen.
Bereits am 3. August standen 460 000 Mann in ihren Aufmarschräumen in der Pfalz und im Saarland bereit. Am 9. August waren die Transporte in die Versammlungsräume endgültig abgeschlossen. 1500 Züge hatten 640 000 Soldaten und 170 000 Pferde befördert. Bei der anschließenden Versorgung der Truppen während des weiteren Vormarsches sowie der Belagerung von Paris kam es ungeachtet der immer wieder großen Marschleistungen zu schwerwiegenden Problemen. Ein Teil der Strecken musste erst durch die erfolgreiche Belagerung von Festungen freigekämpft werden; manche Strecken wie jene über Belfort blieben jedoch gesperrt. Andere wieder waren nur eingeschränkt nutzbar, wie die über Toul, die nach der Sprengung des Tunnels von Nanteuil durch französische Freikorps (Franktireurs) blockiert war. Nicht zuletzt erwies sich das deutsche Eisenbahnnetz im Vergleich zum französischen als nicht dicht und leistungsfähig genug.
Das französische Eisenbahnsystem galt vor 1870 als das beste der Welt. Gleichwohl sollten NapoleonsNapoleon III. (Kaiser der Franzosen) Armeen davon kaum einen Nutzen haben. Der Eisenbahnaufmarsch verlief aufgrund unsystematischer [41]Planungen und mangelnder Absprachen mit den jeweiligen Bahngesellschaften vielmehr chaotisch. Einer der wesentlichen Gründe lag in der Entscheidung des Kriegsministeriums, anders als in Preußen alle Transporte simultan und nicht sukzessive rollen zu lassen. Die Folge war ein heilloses Durcheinander im Hinterland. Viele Züge rollten mangels genauer vorheriger Planung halbleer an die Front, manche wurden unterwegs angehalten und mussten wieder zurückfahren.
Hinzu kamen die Schwächen des Depotsystems: In Metz beispielsweise gab es kaum Lebensmittel zur Versorgung der Truppe, an anderen Standorten fehlten das Kochgeschirr und die Feldflaschen für die Soldaten. In Belfort wiederum fand der kommandierende General zunächst seine Regimenter nicht, ein anderer hatte kein Geld, um Proviant wenigstens zu kaufen; dort, wo welcher vorhanden war, war er häufig verdorben. Zu den Besonderheiten, die die Mobilmachung erschwerten, gehörte auch die Praxis, einberufene Reservisten zunächst zu ihren Heimatdepots zu schicken, um sie dann wieder an die Front zu senden.
Die Folge waren teils unendliche Odysseen. So reiste ein im Elsass wohnender Reservist zunächst in sein Heimatdepot im nordafrikanischen Algier, um dann von dort wieder an die Front im Osten Frankreichs geschickt zu werden. Tausende Reservisten irrten buchstäblich im Land herum, bevor sie endlich einsatzbereit waren. Truppen, die schließlich in Metz oder anderen Orten ankamen, wussten oft nicht, wohin sie marschieren