Metamorphosen. Ovid
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[155] Dort war ein Tal, dicht bewachsen mit Kiefern und spitzen Zypressen; es hieß Gargaphie und war der hochgeschürzten Diana heilig. In seinem hintersten Winkel liegt, von Wald umgeben, eine Grotte, die nicht künstlich ausgestaltet ist. Die Natur hatte in freier Schöpferlaune ein Kunstwerk vorgetäuscht, denn aus lebendem Bimsstein [160] und leichtem Tuff hatte sie einen gewachsenen Bogen gespannt. Rechts plätschert ein Quell, dessen seichtes Wasser durchsichtig ist. Ein grasbewachsenes Ufer umsäumt sein breites Becken. Hier pflegte die Göttin der Wälder, vom Jagen ermattet, ihre jungfräulichen Glieder mit klarem Tau zu übergießen. [165] Dort eingetreten, übergab sie einer der Nymphen, ihrer Waffenträgerin, den Wurfspieß, den Köcher und den entspannten Bogen; eine andere fing mit den Armen das abgestreifte Kleid auf; zwei andere lösen ihr die Schuhriemen. Crocale, die Tochter des Ismenus, ist geschickter als die übrigen und schürzt das Haar, das der Göttin lose in den Nakken fällt, [170] zu einem Knoten – obwohl sie ihr eigenes offen herabhängen ließ. Es schöpfen das Naß Nephele, Hyale, Ranis, Psecas und Phiale, und sie gießen es aus bauchigen Gefäßen über sie. Während sich dort Titania im vertrauten Gewässer baden läßt, siehe, da kommt der Enkel des Cadmus, der einen Teil seines Tagewerks aufgeschoben hat, [175] durch den unbekannten Wald, den er mit zögernden Schritten durchstreift, in jenes Gehölz. So führte ihn das Verhängnis. Kaum hatte er die Grotte mit der taufrischen Quelle betreten, als die Nymphen beim Anblick des Mannes sich nackt, wie sie waren, an die Brust schlugen, mit plötzlichem Heulen den ganzen Wald erfüllten, [180] sich um Diana drängten und sich schützend vor sie stellten. Doch größer als sie ist die Göttin selbst und überragt alle um Haupteslänge. Wie Wolken sich färben, wenn die Sonne sie von vorn anstrahlt, oder wie die purpurne Morgenröte glüht, [185] so war die Farbe von Dianas Antlitz, als sie ohne Gewand gesehen wurde. Obwohl ihr Nymphenschwarm sie umdrängte, drehte sie sich schräg zur Seite und wandte das Antlitz rückwärts. Zwar hätte sie gerne Pfeile zur Hand gehabt; doch da sie nur Wasser hatte, schöpfte sie einfach davon und überschüttete damit das Gesicht des Mannes. [190] Und während sie ihm das Haar mit dem rächenden Naß besprühte, fügte sie folgende Worte hinzu, die kommendes Unheil verkündeten: »Jetzt darfst du gern erzählen, daß du mich unverhüllt gesehen hast – wenn du es noch erzählen kannst!« Das war ihre ganze Drohung, und sie läßt auf dem besprengten Haupt das Geweih des langlebigen Hirsches wachsen [195] und den Hals sich ausdehnen, versieht die Ohren oben mit Spitzen, gibt ihm Füße statt der Hände, lange Schenkel statt der Arme und hüllt ihm den Leib in ein geflecktes Fell. Furcht gab sie ihm auch noch ein. Es flüchtet der Held, Autonoes Sohn, und mitten im Lauf wundert er sich über die eigene Schnelligkeit. [200] Doch sobald er Gesicht und Geweih im Wasserspiegel erblickte, wollte er sagen: »Wehe mir!«, doch die Stimme gehorchte ihm nicht. Er stöhnte auf: Das war jetzt seine Stimme, und Tränen strömten ihm übers Gesicht, das nicht mehr das seine war. Nur das Bewußtsein blieb das alte. Was tun? Nach Hause ins Königsschloß zurückkehren [205] oder sich im Wald verstecken? An dem einen hindert ihn die Furcht, an dem andern die Scham. Während er noch zaudert, haben ihn die Hunde erspäht. Als erster gab Schwarzfuß Laut und Spurengänger mit der feinen Nase – Spurengänger war von kretischer, Schwarzfuß von spartanischer Rasse; dann stürmen andere nach, schneller als ein Windstoß: [210] Allesfresser, Späher, Berggänger, alle drei Arcader, der starke Hirschmörder und, zusammen mit Sturmwind, der trotzige Waidmann, die fußschnelle Schwungfeder und die witternde Jägerin, der wilde Waldmann, den kürzlich ein Eber verletzt hatte, die von einem Wolf gezeugte Schluchtengängerin, Paßauf, die das Vieh hütete, [215] Faßan mit zwei Welpen, Haltefest, der Sicyonier mit den schlanken Weichen, Läuferin, Raßlerin, Schecke, Tigerin, Starkmut, Schneeweiß mit hellen, Schornsteinfeger mit pechschwarzen Zotteln, der bärenstarke Spartaner und Windsbraut, die schnelle Läuferin, [220] Sputedich und, zusammen mit dem cyprischen Bruder, das flinke Wölflein und, die schwarze Stirn in der Mitte mit einem weißen Fleck gezeichnet, der Räuber, Mohrchen und mit struppigem Leibe das Zottelchen und, eine Kreuzung eines kretischen Vaters mit einer spartanischen Mutter, Ungestüm, Wildzahn und Belferer mit durchdringender Stimme. [225] Ich habe keine Zeit, auch noch die zu nennen, die ferner liefen. Der Schwarm folgt ihm voll Beutegier über Felsen und Klippen und unzugängliche Zacken, durchs Unwegsame, ja durchs Weglose. Als Gejagter flüchtet er durch die Gegend, in der er oft als Jäger seinen Hunden gefolgt war, wehe, er flieht vor den eigenen Dienern! Er wollte rufen: [230] »Actaeon bin ich, erkennt euren Herrn!« Doch die Worte gehorchen seinem Willen nicht, der Äther hallt wider von Gebell. Als erster verwundete ihn Schwarzmähne am Rücken, als zweiter Wildfänger, Bergsohn biß sich in seinem Bug fest – sie waren später losgezogen, aber auf Schleichwegen über den Berg [235] den anderen zuvorgekommen. Während sie ihren Herrn festhalten, sammelt sich die übrige Meute und schlägt gemeinsam die Zähne in seinen Leib. Schon fehlt es an Platz für weitere Wunden; Actaeon stöhnt und gibt einen Laut von sich, der zwar kein Menschenlaut ist, doch ein Laut, wie ihn kein Hirsch ausstoßen könnte; er füllt die vertraute Bergwelt mit trauervollen Klagen, [240] sinkt auf die Knie wie ein Schutzflehender und schaut bittend in die Runde, als wären seine stummen Blicke flehend erhobene Arme. Doch seine Gefährten treiben ahnungslos die wilde Schar mit den gewohnten Zurufen an; ihre Augen suchen Actaeon, und als wäre er abwesend, rufen sie um die Wette: »Actaeon!« [245] Als er seinen Namen hört, wendet er den Kopf zurück. Sie klagen darüber, daß er nicht da sei, daß er zu spät komme, um das Schauspiel des Fanges zu genießen. O wie gern wäre er wirklich abwesend; doch er ist ja dabei! Wie gern wollte er das Wüten seiner Hunde nur mitansehen, statt es selbst zu spüren! Von allen Seiten umstellen sie ihn, vergraben die Schnauzen in seinem Leibe [250] und zerfleischen ihren Herrn in der Truggestalt des Hirsches. Und erst nachdem seinem Leben durch tausend Wunden ein Ende bereitet war, soll der Zorn der köchertragenden Diana befriedigt gewesen sein.
Iuppiter und Semele
Das Echo ist zwiespältig: Den einen schien die Göttin über Gebühr grausam; andere loben sie und nennen sie eine würdige Vertreterin der strengen Jungfräulichkeit. [255] Beide Parteien finden Gründe. Nur Iuppiters Gattin äußert sich nicht zustimmend oder ablehnend; vielmehr freut sie sich über das Unheil, das Agenors Haus getroffen hat. Den Haß, der sich in ihr wegen der Nebenfrau aus Tyros angesammelt hat, überträgt sie auf deren Stammesgenossen. Doch siehe da: Zu dem früheren Grund kommt ein neuer hinzu. [260] Es tut ihr weh, daß Semele vom Samen des großen Iuppiter schwanger ist. Da lösen Schmähworte ihr die Zunge. »Und was hab’ ich denn so oft durch Schimpfen erreicht?« sprach sie. »Sie selbst muß ich angreifen; sie selbst werde ich, so wahr ich die großmächtige Iuno heiße, vernichten, so wahr es mir ziemt, [265] das mit Edelsteinen besetzte Zepter in der Rechten zu halten, so wahr ich Königin und Iuppiters Schwester und Gattin bin – Schwester ganz gewiß! Und da denk’ ich noch: Sie gibt sich mit einem Seitensprung zufrieden, und der Schimpf ist kurz, den sie meinem Ehegemach antut! Nein, sie wird schwanger! Das fehlte gerade noch! Und offen trägt sie ihren vollen Leib und damit ihr Vergehen zur Schau. Ausgerechnet durch Iuppiter will sie Mutter werden, was selbst mir kaum gelang! [270] Soviel bildet sie sich auf ihre Schönheit ein! Ich werde ihr einen Strich durch die Rechnung machen, und ich will nicht Saturnia heißen, wenn sie nicht von ihrem geliebten Iuppiter selbst zu den Wellen der Styx hinabgeschleudert wird.«
Nach diesen Worten steht sie vom Thron auf und geht, in eine gelbrote Wolke gehüllt, zu Semeles Schwelle. Sie zerstreute das Gewölk erst, [275] als sie die Gestalt einer Alten angenommen hatte: Um die Schläfen ließ sie sich graues Haar wachsen und Runzeln die Haut durchfurchen. Mit zitterndem Gang bewegte sie die gekrümmten Glieder; sie nahm auch die Stimme einer Greisin an. So war sie Beroe, Semeles Amme aus Epidaurus. Sie knüpfte ein Gespräch an, und nach langer Unterhaltung [280] fällt Iuppiters Name. Da seufzt sie und sagt: »Ich möchte wünschen, daß es wirklich Iuppiter sei! Doch bin ich auf alles gefaßt: Schon viele sind unter dem Namen von Göttern in keusche Gemächer eingedrungen. Und es genügt nicht, daß es Iuppiter ist; laß ihn dir einen greifbaren Beweis seiner Liebe geben, wenn er wirklich der Rechte ist! Du sollst ihn bitten, er möge dir seine Umarmung in all seiner Größe und Kraft schenken, [285] so wie die hohe Iuno ihn empfängt, und