Sophienlust 315 – Familienroman. Anne Alexander
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Christine brachte Melissa in die Küche und setzte sie in einen hohen Kinderstuhl. Die Kleine sollte wenigstens etwas essen, bevor sie schlafen ging.
Aber Melissa hatte noch nie zuvor in einem Kinderstuhl gesessen. Lauthals begann sie zu schreien.
»Aber, aber, wer wird denn so weinen?« fragte Harald und wischte ihr mit einem sauberen Taschentuch die Tränen ab. »Jetzt kocht die Mami dir einen feinen Brei, und dann geht’s ab in die Heia!«
Melissa trommelte mit den Fäusten auf die Lehnen des Kinderstuhls. »Nicht da, nicht da!« brüllte sie.
»Aber Liebes, was hast du denn?« Christine kamen vor Mitleid fast die Tränen. »Es muß der Stuhl sein«, sagte sie zu ihrem Mann. Sie klappte ihn auf und nahm die Kleine aus dem Sitz. Sofort versiegten die Tränen, sofort begann Melissa zu lächeln.
»Es ist heute ihr erster Tag bei uns«, sagte Harald nachsichtig, »aber ab morgen sollten wir konsequent sein, Christine. Wir dürfen ihr nicht jeden Stein aus dem Weg räumen. Auch wenn ihr das Kinderstühlchen nicht gefällt, wird sie sich daran gewöhnen müssen.«
»Bei mir auf dem Schoß sitzt sie genauso bequem«, erwiderte Christine. »Ich gehe jede Wette ein, es gibt viele Kinder, die keinen eigenen Hochsitz haben.« Sie reichte die Kleine ihrem Mann. »Halte du sie, während ich den Brei koche.«
Harald setzte sich mit Melissa auf die Eckbank. Die Kleine war jetzt wieder quietschvergnügt, hatte ihre Müdigkeit überwunden. Begeistert machte sie mit, als der Vater mit ihr Hoppe-hoppe-Reiter spielte. Jedesmal, wenn er »Plumps« sagte, kreischte sie vor Lachen.
»Fertig!« rief Christine. Sie probierte den Brei. »Er schmeckt ausgezeichnet.«
»Ist er auch nicht zu heiß? Nicht, daß Meli sich den Mund verbrennt.«
»Gerade richtig.« Christine füllte den Brei in einen Kinderteller und stellte ihn auf den Tisch. Aus dem Eckschrank nahm sie ein Lätzchen, daß sich Melissa ohne Schwierigkeiten umbinden ließ. »So, und nun gib sie mir!« Die junge Frau setzte sich an den Tisch und streckte die Arme nach ihrer kleinen Tochter aus.
»Umsteigen, Meli!« Harald setzte Melissa auf Christines Schoß. Er hätte die Kleine gern selbst gefüttert, wollte seiner Frau aber diesen Spaß nicht nehmen. Interessiert sah er zu, als Christine Löffelchen um Löffelchen von dem Brei in Melissas Mündchen verschwinden ließ. Er fand, es ging ja eigentlich ganz einfach!
»’nug!« Melissa wehrte den nächsten Löffel mit der Hand ab. »Satt!« Sie preßte die Lippen zusammen.
»Aber sie hat doch noch kaum etwas gegessen«, meinte Harald, als Christine den Teller wegschob. »Sie kann doch noch nicht satt sein.«
»Glaube mir, Meli weiß recht gut, wann sie satt ist«, erwiderte Christine. »So ein kleines Kind hat noch ein sehr natürliches Verhältnis zur Nahrung. Wir wollen sie nicht zum Essen zwingen, sonst könnten wir uns einen kleinen Nimmersatt erziehen.«
»Bei mir zu Hause hieß es, der Teller wird leer gegessen«, erklärte Harald. »Und bin ich vielleicht ein Nimmersatt geworden?«
Christine puffte ihn liebevoll in die Seite. »Du setzt an, mein Schatz, du setzt an!« Sie zwinkerte ihm zu. »Was meinst du, Meli, sollen wir den Papa auf halbe Portion setzen?«
»Bonbon!« Melissa schlug die Händchen zusammen. »Meli will Bonbon!«
»Ich denke, sie ist satt?« kam es von Harald. Er griff in seine Hosentasche und holte eines der Bonbons heraus, die er unterwegs gekauft hatte. »Hier, mein Schatz«, sagte er und schob der Kleinen die Süßigkeit in den Mund.
»Ich hörte etwas von konsequent«, scherzte Christine.
»Damit können wir ab morgen beginnen«, schlug Harald vor. Er seufzte auf. »Wer kann so einem Engelchen schon widerstehen?«
Das Engelchen lachte ihn an und verlangte auf seinen Arm genommen zu werden. Kaum hatte es den Platz gewechselt, küßte es den Papa ungeachtet des Bonbons, den es im Mund hatte.
»Iii, du Ferkelchen!« Harald hielt die Kleine von sich ab und stellte sie zu Boden. »Du bist reif für die Badewanne, weißt du das?« fragte er und fuhr Melissa durch die hellblonden Haare. »Darf der Papa dich baden?«
»Und Mami!« verlangte Melissa.
»Sieht du, sie ist diplomatisch«, sagte Christine glücklich.
Sie nahm Melissa an die Hand und führte sie ins Bad.
*
»Guten Tag, Frau Walter!« Irene Petzold blieb stehen. Neugierig schaute sie Melissa an. »Haben Sie Besuch, Frau Walter? Eine Nichte?«
Sie streckte dem kleinen Mädchen ihre Hand entgegen. »Wie heißt du denn, mein Kleines?«
Melissa verbarg ihr Gesicht in einer Falte von Christines weitem Kleid. Verlegen steckte sie einen Finger in den Mund.
»Etwas schüchtern, das Kind«, bemerkte die Nachbarin.
»Wie alle Kinder in diesem Alter«, verteidigte Christine die kleine Tochter.
Frau Petzold war die dritte Nachbarin, der sie innerhalb von zehn Minuten Rede und Antwort stehen mußte. Früher hatte man sich nicht um sie gekümmert, aber plötzlich schien das anders geworden zu sein.
»Wie alt ist Ihre Nichte denn, Frau Walter?«
»Melissa ist zwei«, antwortete Christine, »aber sie ist nicht meine Nichte, sondern meine Tochter.«
»Ihre Tochter?« Irene Petzold stutzte. »Ich dachte, Sie hätten keine Kinder!«
»Mein Mann und ich werden Melissa adoptieren«, erklärte Christine. »Sie lebt seit gestern bei uns. Wir haben sie von Sophienlust geholt, einem Kinderheim.
»Ein Adoptivkind«, sagte Irene Petzold gedehnt. »Ehrlich, Sie und Ihr Mann haben Mut, Frau Walter. Ich weiß nicht… Ich meine, man weiß doch nie, was bei so einer Adoption herauskommt. Wissen Sie wenigstens, wer die Eltern sind?«
»Ja!« Christine nickte. »Melissas Mutter ist an einer Lungenentzündung gestorben.«
»Und der Vater hat sie dann so einfach weggegeben?«
»Sie ist unehelich«, bekannte Christine ruhig.
»Unehelich«, wiederholte Irene Petzold, als wäre dieses Wort etwas Anstößiges. »Also, ich weiß nicht recht, Frau Walter, hoffentlich haben Sie sich da kein Kuckucksei ins Nest gesetzt.«
»Auch ein Kuckuck ist ein schöner Vogel«, konterte Christine. Sie ärgerte sich zwar über die Nachbarin, aber sie ließ es sich nicht anmerken. Harald und sie hatten vorausgesehen, daß nicht alle Leute ihren Entschluß verstehen würden. Es gab noch immer Menschen, die glaubten, ein Heimkind wäre ein Kind zweiter Klasse.
»Wir haben hier einen Mütterclub, Frau Walter«, sagte Irene Petzold. »Hätten Sie nicht Lust, ihm beizutreten? Wir treffen uns ein-, zweimal in der Woche.«
Diesem Club würden sicher nicht nur Frauen wie Irene Petzold angehören. Deshalb entschied Christine: