Familie Dr. Norden Classic 49 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Na, siehst du, es geht doch, wenn du dich auf den Hosenboden setzt«, wurde er von Daniel gelobt.
»Gehen wir jetzt morgen segeln?« fragte Felix sofort.
»Wie ist es?« fragte Daniel seine Frau.
»Ihr könnt ja segeln, ich gehe mit den Zwillingen ins Schwimmbad.«
»Und ich darf mit«, sagte Anneka, die nun auch von draußen hereinkam.
»Segeln oder Schwimmbad?« fragte Fee.
»Natürlich Schwimmbad. Du kannst doch nicht auf beide gleichzeitig aufpassen, Mami.«
»Wer von euch beiden ist die größere Glucke«, scherzte Daniel. »Du bist nicht böse, wenn ich mit den Buben segeln gehe?«
»I wo, laßt euch nur den Wind um die Nase wehen, aber kentert bitte nicht. Weißt du eigentlich noch, wie lange es schon her ist, daß wir Mario aus dem See gefischt haben?«
»Du wirst es besser wissen, mein Schatz.«
»Achtzehn Jahre«, erwiderte Fee gedankenvoll.
»Und jetzt ist er ein großer Mann«, sagte Anneka andächtig. Die Geschichte kannten sie, da brauchten sie nicht mehr zu fragen, aber Fee dachte im Zusammenhang mit Lea daran, daß auch Mario großes Glück gehabt hatte, aber sie alle dazu, weil er ihnen nur Freude machte. Nun war er Medizinstudent schon im fünften Semester. Er gehörte zu den Hochbegabten, obgleich nur seine natürlichen Anlagen gefördert worden waren von seinen Adoptiveltern Johannes und Anne Cornelius. Für Fee und Katja Delorme war er der »kleine Bruder«, obgleich er sie an Länge längst überragte. Seine richtigen Eltern waren Gastarbeiter gewesen, die im See bei aufkommendem Sturm ertranken, nur den kleinen Mario hatte Daniel retten können. Er hatte seine Eltern nicht lange vermißt, hatte auf der Insel der Hoffnung ein neues Zuhause gefunden und viel Liebe.
So war es auch bei Lea gewesen. Fee war sehr gespannt, was Daniel ihr nach dem Treffen mit Lea erzählen konnte.
*
Sie war pünktlich, und Daniel Norden konnte zufrieden feststellen, daß sie nicht mehr gar so verzweifelt in die Welt schaute. Sie hatte sogar ein kleines Lächeln für ihn.
»Ich bin sehr dankbar, daß Sie Zeit für mich haben, Herr Doktor«, sagte sie stockend, »ich bin ja nicht krank, ich habe nur ein Anliegen, das mich sehr beschäftigt. Mutti hat erst in ihren letzten Lebensstunden gesagt, daß ich adoptiert wurde. Ihnen scheint sie es früher erzählt zu haben.«
»Nur andeutungsweise, aber viel konnte sie darüber wohl auch nicht erzählen.«
»Es hätte sich zwischen uns nichts geändert, wenn sie es mir früher erzählt hätte. Für mich wird sie immer meine Mutter bleiben. Warum hat sie sich nur so davor gescheut, mit mir darüber zu sprechen? Können Sie es mir erklären?«
»Sie hat Sie sehr geliebt, Lea. Sie waren ihr Kind und sollten es bleiben. Sie wollte nur einen Rat von mir, ob sie es Ihnen auch weiterhin verschweigen dürfe. Ich habe ihr aus Vernunftsgründen geraten, es Ihnen lieber doch zu sagen. Es gibt so viele unglückliche Zufälle im Leben, daß man nie sicher sein kann, wenn die Wahrheit über ein Geheimnis ans Licht kommt.«
Lea nickte. »So ähnlich habe ich auch gedacht und werde solche Zufälle nicht außer Acht lassen. Vielleicht helfe ich Ihnen auch ein bißchen nach, wenn es mir möglich ist, und ein bißchen Glück kann man dabei ja auch haben. Ich sehe es ganz realistisch und werde morgen gleich damit anfangen.«
Daniel war jetzt doch überrascht, daß sie sofort die Initiative ergreifen wollte.
»Und wo wollen Sie anfangen, Lea?«
»In Füssen, wo meine Eltern früher wohnten und ich vor ihre Haustür gelegt wurde. Ich habe mich schon mit Dr. Altmann in Verbindung gesetzt, der Mutti juristisch vertreten hat. Ich habe Briefe von ihm gefunden, auch Muttis Tagebuch, ein paar Kassetten und Fotoalben. Das muß ich alles durchsehen.«
»Ich kann Ihnen leider nicht viel helfen, Lea, nur soviel, daß Sie eine ziemlich seltene Blutgruppe haben, nämlich B mit besonderer Unverträglichkeit zu anderen Blutgruppen. Das muß sehr genau beachtet werden, wenn Sie mal eine Bluttransfusion brauchen.«
»Und die Blutgruppe könnte ein Hinweis auf meine Eltern sein?«
»Mit Sicherheit, wenn erst einmal Vergleichsmöglichkeiten gegeben sind. Aber manchmal treibt das Schicksal seltsame Blüten. Meine Frau sagt immer: Es kommt alles, wie es einem bestimmt ist. Also versteifen Sie sich nicht zu sehr darauf, daß Sie Ihre Wurzeln finden, sondern überlassen Sie es höheren Mächten.«
»Ich bin eigentlich nicht wild darauf, die Zusammenhänge herauszufinden. Ich habe sogar meine Bedenken, daß es herbe Enttäuschungen für mich geben könnte. Ich nehme alles, wie es kommt, aber dabei frage ich mich doch, wie eine Mutter dazu kommt, sich von ihrem Kind zu trennen. Sie wollte ja anscheinend, daß ich versorgt werde und kannte Mutti gut genug, um dafür eine Garantie zu haben. Aber wie es aussieht, wollte sie doch die endgültige Trennung.«
»Da muß ich Ihnen recht geben, aber manchmal treffen viele Umstände zusammen, daß vor allem junge Frauen keinen Ausweg sehen. Mögen es die eigenen Eltern sein, die kein Verständnis haben, wurden sie sitzengelassen von dem Partner, oder es passiert sogar, daß Familien im Streit liegen, der eine faire Lösung unmöglich macht. Das kann so sein, wenn zwei unterschiedliche Nationalitäten aufeinander prallen. Manches junge Paar flüchtet sich dann sogar in einen gemeinsamen Tod.«
»Und Sie meinen, daß man alles vertuschen kann, daß niemand etwas davon erfährt?«
»Das ist auch möglich, wenn zumindest ein Teil sehr einflußreich und vermögend ist.«
»Und es könnte auch sein, daß der Mann verheiratet war?«
»Auch das ist möglich.«
Lea sah ihn offen an. »Wenn man das alles in einen Topf wirft und schüttelt, kann man froh sein, daß ich einigermaßen gut geraten bin«, sagte sie selbstbewußt.
»Sie sind okay, Lea, so, wie Carla Baran sich ihre Tochter wünschte. Keine Mutter kann ihr leibliches Kind mehr lieben, als Sie geliebt wurden.«
»Das weiß ich. Mutti hat sich kaum etwas gegönnt, obgleich sie das gekonnt hätte. Sie hat immer nur daran gedacht, daß es mir gutgehen soll. Und es schmerzt mich, daß ich das nicht mehr gutmachen kann.«
»So sollten Sie nicht denken. Es kam alles von Herzen. Sie hatte keine Wünsche, da ihr Herzenswunsch nach einem Kind erfüllt wurde. Sie können sich glücklich schätzen, eine solche Mutter gehabt zu haben.«
»Das tue ich. Hat Mutti gesagt, was es für ein Tag war, als sie mich vor der Tür fand?«
»Sie sagte mir, daß es sehr spät abends war und sie hätte eigentlich gar nicht gewußt, warum sie noch einmal hinausschaute. Es war ein warmer Tag im Juni gewesen, und das Baby war etwa ein bis zwei Monate, warm eingewickelt in einem Steckkissen, wie man es in früheren Zeiten kannte. Heute dürfen die Babys schon strampeln, damals wurden sie fest eingewickelt, allerdings zu Zeiten unserer Großeltern.«
Leas Blick wanderte in eine imaginäre Ferne. »Zu denken, daß ich