Musterbrecher. Dominik Hammer

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Musterbrecher - Dominik Hammer

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nicht wissen, ob die Beziehung hält, auch wenn wir es uns noch so wünschen. Und der Versuch, die Partnerwahl durch Tools zur Risikovermeidung zu professionalisieren, erscheint uns mit Recht absurd. Oder kennen Sie jemanden, der seinen Partner oder seine Partnerin mithilfe einer Nutzwertanalyse ausgewählt hat? 12 Wir müssen uns hier auf ein Langzeitexperiment einlassen. Gleiches gilt für die Erziehung der Kinder, die Wahl einer weiterführenden Schule nach der vierten Klasse oder die Entscheidung für einen Ausbildungs- oder Studienplatz. Es hört nicht auf.

      Letztlich ist unser Leben durch nie endende Episoden des Versuchens und Ausprobierens geprägt.

      Wenn wir Unsicherheit oder Ungewissheit über den Ausgang einer in komplexem Umfeld zu treffenden Entscheidung als den Kern des Experimentierens ansehen, dann befinden wir uns eigentlich in einem permanenten Versuchsstadium. Auch in der Managementliteratur und in Sonntagsreden wird längst das Ende der stabilen und eindeutigen Welt betont.

      Dieser etwas unklare, teilweise umstrittene, andererseits »hochgejazzte« Begriff »KI« ist bereits 1955 von dem Mathematikprofessor John McCarthy geprägt worden. Doch als die Visionen und Versprechen der damit aufkommenden Wissenschaft sich nicht erfüllten, fiel diese in einen Dornröschenschlaf, aus dem die KI aufgrund neuer computertechnischer Möglichkeiten erst Mitte der 1990er-Jahre wiedererweckt wurde. Es kam zu rasanten Entwicklungen, von denen wir alle mittlerweile betroffen sind, und nicht selten haben wir diese fest in unserem Alltag verankert: vom Navigationssystem mit Stauwarnung über die individuell optimierte Reiseplanung bis hin zu Sprachassistenzsystemen wie Siri, Alexa und Co. Überall stecken Algorithmen dahinter, die Problemlösungen liefern, die vor wenigen Jahrzehnten in ähnlicher Form nur von Menschen hätten geliefert werden können.

      Es ist beeindruckend, wie die bisher realisierten KI-Systeme in großen Datenmengen (Big Data) Muster erkennen und Zusammenhänge herstellen. In manchen Ländern ist die Mustererkennung so weit im Einsatz, dass der biometrische Scan des Gesichts ausreicht, um eine Zahlung zu tätigen.

      KI experimentiert nicht mit Ungewissheit.

      Vielleicht wäre es besser zu sagen: noch nicht. Aber bisher ist nicht zu erkennen, wo und wie KI wirkliche Antworten auf Ungewissheit geben sollte. Denn es sind Entscheidungssituationen, in denen Momente von Überraschungen enthalten sind.

      Gerhard Wohland bezeichnet Überraschungen als Ereignisse ohne erkennbaren Grund – als enttäuschte Erwartungen. Bezogen auf Organisationen lösen diese meist durch eigene oder fremde Ideen bewirkten Ereignisse Dynamik aus. Je enger Märkte sind, desto häufiger müssen wir davon ausgehen, dass fremde Ideen entstehen. Ein Kennzeichen einer globalisierten Welt ist Dynamik beziehungsweise sind Überraschungen – und das bedeutet, dass Probleme erzeugt werden.

      Was folgt daraus? Man kann nicht nach Prozessen und Strukturen rufen, wie man es bisher immer dann tat, wenn ein Problem festgestellt wurde. Ließen sich nämlich geeignete Prozesse und Strukturen finden, dann läge keine Überraschung vor. Menschen müssen zusammenkommen und etwas tun, was nur sie können, und nach einer Antwort oder einer »Gegenüberraschung« suchen. Management und Führung – die wir im Weiteren nicht gedanklich trennen wollen – müssen somit eine andere Rolle als bisher einnehmen. Sie müssen bewusst zu einem Anwalt der Ungewissheit werden. Bewusst deshalb, weil sie schon längst unbewusste »Ambivalenzprofis« sind.

      Führung und Management bringen in gleichem Maße Ungewissheit in die Organisation, wie sie Sicherheit versprechen.

      Sie stören eingefahrene Abläufe, verkünden neue operative und strategische Ziele, verändern die Ressourcenzuteilung – in Zukunft immer mehr mithilfe künstlicher Intelligenz – oder setzen beispielsweise Projektteams neu zusammen. Dies alles sind Eingriffe, die die Sicherheit zerstören und Verwirrung stiften. Und dabei ist es egal, ob diese Handlungen auf einer gut begründeten Entscheidung fußen oder nicht. Interessanterweise werden diese Interventionen als logisch und objektiv geplant deklariert. Durch die Hintertür schleicht sich so das Argument der Sicherheit wieder ein. Obwohl von Sicherheit keine Rede sein kann.

      Hier kann die Vorstellung von einem Experiment weiterhelfen. Das Experiment hat die Ungewissheit sozusagen automatisch im Gepäck und lässt Management und Führung die eigene Rolle wahren. Es kann aber im Grunde nicht scheitern, denn es ist darauf ausgelegt, aus Unerwartetem zu lernen. Und man lernt immer etwas. Bitte nicht falsch verstehen! Experimente in diesem Sinne animieren das Management nicht zu fahrlässigem Herumprobieren. Managementexperimente sind kein russisches Roulette. Sie gefährden nicht die Organisation als Ganzes.

      Das Experiment ist die sichere Einführung der Ungewissheit in die Organisation.

      Es kennzeichnet eine Haltung und keine Methode. Experimentieren gelingt nicht nur dann, wenn man in der Position

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